(L) Rose Ausländer
„Schreiben war Leben. Überleben!“ Dies antwortete Rose Ausländer einmal auf die Frage nach ihrer außerordentlichen schriftstellerischen Produktivität. Im Verlauf ihres Lebens schrieb die am 11. Mai 1901 im damals österreichisch-ungarischen Czernowitz Geborene um die 3.000 Gedichte. Sowohl mit ihrer wechselhaften Biographie wie auch mit einer Auswahl ihrer faszinierenden Gedichte wollen wir uns im Seminar beschäftigen. Rose Ausländer stammte aus einer deutschsprachigen jüdischen Familie. Das soziale Umfeld und die geistige Atmosphäre ihrer Heimatstadt Czernowitz übten entscheidenden Einfluß auf ihr Schreiben aus: „Warum schreibe ich? Vielleicht weil ich in Czernowitz zur Welt kam, weil die Welt in Czernowitz zu mir kam. Jene besondere Landschaft. Die besonderen Menschen. Märchen und Mythen lagen in der Luft, man atmete sie ein. Das viersprachige Czernowitz war eine musische Stadt, die viele Künstler, Dichter, Kunst-, Literatur- und Philosophieliebhaber beherbergte.“ Zahlreiche Gedichte beschwören diese (verlorene) Heimat. So „Bukowina II“: „Landschaft die mich/ erfand/ wasserarmig/ waldhaarig/ die Heidelbeerhügel/ honigschwarz/ Viersprachig verbrüderte/ Lieder/ in entzweiter Zeit/ Aufgelöst/ strömen die Jahre/ ans verflossene Ufer“.
Rose Ausländer begann nach der Reifeprüfung 1919 ein Literatur- und Philosophiestudium. Da die Mutter die Familie nach dem Tod des Vaters nicht eigenständig ernähren konnte, bestimmte sie, dass Rose in die USA auswanderte. Als Bankangestellte lebte diese in New York, erhielt auch die amerikanische Staatsbürgerschaft, kehrte jedoch 1931 nach Czernowitz zurück, um die erkrankte Mutter zu pflegen. Bis 1940 konnte sie sich als Redakteurin und Englischlehrerin durchbringen. Als 1941 SS-Truppen Czernowitz besetzten, wurde Ausländer im Ghetto der Stadt gefangengesetzt und zur Zwangsarbeit eingeteilt. In ständiger Todesnot überlebte Rose Ausländer, bis russische Truppen die Bukowina im Frühjahr 1944 besetzten und die Überlebenden der jüdischen Bevölkerung befreiten. Nach verschiedenen Stationen wanderte sie erneut in die USA aus. Der Tod der Mutter 1947 führte zu einem psychischen und physischen Zusammenbruch. Nach Jahren in New York kehrte Ausländer 1964 nach Europa zurück. Zunächst lebte sie in Wien, dann in Düsseldorf, dort ab 1972 im Nelly-Sachs-Haus. Ab 1978 war sie durchgängig bettlägerig, setzte ihr Dichten aber stetig fort, bis sie am 03. Januar 1988 starb. Noch zu Lebzeiten erschienen Rose Ausländers Gesammelten Werke. Neben ihren Gedichten über ihre Kindheit und Jugend in der Bukowina schrieb Ausländer über das Judentum, über die Exilerfahrung und die Shoah. Zahlreiche Gedichte thematisieren die Möglichkeiten der Sprache als künstlerisches Ausdrucksmittel, so in „Ich suche“: „Ein Gedicht/ gefunden/ ich suche/ das Zwischenzeilwort/ im Buchstabentanz/ Konsonanten Vokale/ ich taste die Länge und Breite/ der Wörter/ suche erfinde/ das atmende/ Wort“. Weitere Gedichte beschäftigen sich mit der Liebe, dem Älterwerden, Ewigkeit und Tod. So nennt Rose Ausländer einmal „Das Schönste“: „Ich flüchte/ in dein Zauberzelt/ Liebe/ im atmenden Wald/ wo Grasspitzen/ sich verneigen/ weil/ es nichts Schöneres gibt“. Wie hier ist Ausländers Sprache stets bildhaft, zart und zum Nachsinnen anregend: „Als gäbe es/ einen Himmel/ und eine aufblickende/ Erde/ Als gäbe es/ leuchtendes Blau/ dumpfes Braun/ Als gäbe es/ Erdworte/ überirdische Worte/ Als gäbe es/ Deinwort Meinwort/ dich und mich“.
Rose Ausländers Biographie und ausgewählte Gedichte werden in einem pdf-Reader zur Verfügung gestellt.
Dozentin: Dr. Ina Düking
Termin: 5 Termine
- Donnerstag, 29.08.2024
- Dienstag, 03.09.2024
- Donnerstag, 05.09.2024
- Dienstag, 17.09.2024
- Donnerstag, 19.09.2024
Zeit: 14:15 (s.t.) bis 15:45 Uhr
Entgelt: 55,- Euro
Veranstaltungsart: Online-Seminar