Hetero-Agglomeration durch hochenergetische Mischprozesse (Mechano-Fusion)

Ein integrierter Ansatz zur Synthese maßgeschneiderter Hetero-Agglomerate durch die Kombination von Experimenten mit 2D- und 3D-Strukturaufklärung mittels Bildanalyse und stochastischer Modellierung

Schematische Darstellung des Mechano-Fusion-Prozesses zur Herstellung von Hetero-Agglomeraten
Schematische Darstellung des Mechano-Fusion-Prozesses zur Herstellung von Hetero-Agglomeraten
Vier mikroskopische schwarz-weiß Fotos von verschiedenen Partikelsystemen, wie in der Bildunterschrift beschrieben.
Abb. 2. Verschiedene Partikelsysteme und die daraus resultierenden Hetero-Agglomeratstrukturen nach dem Mechano-Fusion Prozess: Aluminiumoxid + PMMA (a), Aluminiumoxid + Polystyrol (b), Aluminiumoxid + PTFE (c), PMMA + SiO2/ PTFE (d).

Projektleitung:

Prof.Dr.-Ing. Urs A. Peuker
Technische Universität Bergakademie Freiberg

Prof. Volker Schmidt
Universität Ulm

Die speziellen Eigenschaften von Hetero-Agglomeraten werden durch die Partikel-Partikel-Kontakte in den Agglomeraten bestimmt. Die Anzahl an Kontakten sowie die Wechselwirkung der unterschiedlichen Materialien an diesen Kontaktstellen spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um makroskopische Anwendungseigenschaften geht. Beispiele dafür sind insbesondere Transporteigenschaften, wie elektrische, ionische oder Wärmeleitfähigkeit.

Das Projekt wendet den Verfahrensschritt der Mechano-Fusion an, der zwischen Zerkleinerung und hochenergetischem Mischen angesiedelt ist, um Hetero-Agglomerate aus verschiedenen Primärpartikeln zu erzeugen, siehe Abb. 1 (links). Der Mechanismus der Agglomeratsynthese beruht auf dynamischen De- und Re-Agglomerationsprozessen, wobei die hohen Scher- und Druckkräfte in der Maschine stabile Partikel-Partikel-Kontakte innerhalb des Agglomerats erzeugen. Der Prozess ermöglicht es eine Mikro- oder Nanopartikelbeschichtung (Gastpartikel) auf ein größeres Trägerpartikel zu bringen. Unter Berücksichtigung der dispersen und materialspezifischen Einflussgrößen der Primärpartikel, können definierte Agglomerate kontrolliert zu erzeugt werden. Beispiele verschiedener Hetero-Agglomeratstrukturen sind den Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops (REM) in Abb. 2 zu entnehmen.

Während der ersten Förderperiode erfolgte die Charakterisierung der Hetero-Agglomerate unter anderem mittels 3D mikro-Computertomographie (µ-CT). Auf Einzelpartikelebene konnte dabei die Anordnung der Gastpartikel für das Partikelsystem b aus Abb. 2 quantifiziert werden. Charakteristische Kennwerte, wie die Oberflächenbelegung, Anzahl der Kontakte oder auch die Dicke der Beschichtung werden dafür herangezogen [1]. Bei einer intensiven Parameterstudie der Versuchsparameter des Mechano-Fusions Prozesses zeigte sich, dass es im Fall von polymerischen Gastpartikeln und härteren, oxidischen Trägerpartikeln, zu einer starken Verformung der Gastpartikel kommen kann. Diese kann mittels hochaufgelöster Rasterkraftmikroskopie (AFM) im Topographiemodus aufgelöst werden. Mit Hilfe eines Ellipsoidenfits an die extrahierten Topographiedaten eines einzelnen Gastpartikels wurde die Deformation quantifiziert [2]. Weitere Untersuchungen der ersten Förderperiode umfassen einen korrelativen Ansatz zur Charakterisierung von Hetero-Agglomeraten durch einerseits verhältnismäßig niedrigauflösende µ-CT und andererseits hochaufgelöste REM. Außerdem wurde die Änderung des Fließverhaltens von Hetero-Agglomeraten in Abhängigkeit der Prozessparameters untersucht und eine Korrelation mit strukturellen Eigenschaftskennwerten angestrebt. Auch Hetero-Agglomerate aus gemischten Systemen (zwei verschiedene Gastpartikeltypen, siehe Abb. 2 Partikelsystem d) konnten generiert werden und sollen mittels nano-CT charakterisiert werden. Des Weiteren wurde in der ersten Förderperiode ein Tool entwickelt [3], welches ein 3D-Hetero-Agglomerat-Modell mittels eines stereologischen, auf neuronalen Netzen basierenden Verfahrens an 2D-STEM-Daten anpasst. Das Training der neuronalen Netze basiert hierbei auf simulierten 2D-STEM-Aufnahmen. Das Modell ermöglicht die Generierung von 3D-Hetero-Agglomeraten, die statistisch ähnlich zu den in 2D-STEM-Aufnahmen beobachteten Agglomeraten sind. Diese können anschließend für morphologische Untersuchungen und numerische Simulationen verwendet werden. So können beispielsweise unter der Annahme eines passenden Agglomeratmodells aus 2D-Projektionen 3D-Kerngrößen sowie die mittlere heterogene Kontaktzahl bestimmt werden, die bei herkömmlichen Methoden gravierenden stereologischen Problemen unterliegen.

In der 2. Förderperiode zielt das Design der Hetero-Agglomerate nun darauf ab, sowohl den Mischungszustand als auch die Kontaktgeometrie genau zu verstehen, um eine ganzheitliche Struktur-Eigenschafts-Beziehung ableiten zu können. Dadurch kann die Funktionalität der nano- und partikeltechnologischen Anwendung des Hetero-Agglomeratmaterials mit den strukturellen Eigenschaften des Heteroaggregats selbst, genauer gesagt den Kontakten innerhalb des Hetero-Agglomerats, verknüpft werden.

Die wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich daher auf die Heterokontakte selbst, die durch das hochintensive Mischen, Prallen und Scheren im Mechano-Fusion Prozess erzeugt werden. Die Analysemethoden sollen relevante Eigenschaften auf der Mikro- (atomar) und Mesoebene (Gastpartikel) der Kontakte auflösen. Weitere Analysen mit dem AFM geben neben der Geometrie auch Aufschluss über verschiedene Materialeigenschaften am Kontakt. Insbesondere ermöglicht das Raster-Kelvin-Mikroskopie (KP-AFM) Einblicke in die lokale Leitfähigkeit an der Kontaktstelle. Hinsichtlich der Analyse von Hetero-Agglomeraten mittels bildgebender Verfahren, wurden in der ersten Förderperiode grundlegende Studien durchgeführt, um einen Workflow für die 3D-Analyse von Hetero-Agglomeraten zu entwickeln. Dabei kamen Partikel mit Größen von etwa 30-40 μm als Trägerpartikel und 3-5 μm als Gastpartikel zum Einsatz. In der zweiten Förderperiode wird der Größenbereich für einige Experimente auf etwa ein Zehntel reduziert, wobei Trägerpartikel von 5-10 μm und Gastpartikel von etwa 500-800 nm verwendet werden. Um die für diese kleineren Partikel erforderliche höhere Auflösung bei der 3D-Analyse der Beschichtungen zu erreichen, wird Synchrotron-Tomographie mit einer Voxelgröße von etwa 100 nm eingesetzt. Dies gewährleistet, dass der bereits entwickelte Workflow auch für die Partikel in der 2. Förderperiode eingesetzt werden kann. Auch andere Messtechniken, wie z.B. Weitwinkel-Lichtstreuung [4], sollen in der 2. Förderperiode zum Einsatz kommen, um Hetero-Agglomerate zu analysieren.

Die Quantifizierung der von den Hetero-Kontakten abhängigen Funktionalität umfasst sowohl die makroskopische Funktionalität. Z.B. bei Energiematerialien beeinflusst die Perkolation von Hetero-Aggregaten innerhalb des Partikelbetts dessen elektrische Leitfähigkeit. Ein weiterer struktureller Einflussfaktor auf die Leitfähigkeit ist der Widerstand an den Kontaktstellen zwischen Träger- und Gastpartikeln. Da verschiedene Trägerpartikelmaterialien eine geringe Leitfähigkeit aufweisen, konzentrieren sich KP-AFM-Messungen daher auf die Untersuchung der leitfähigen Eigenschaften im Mesobereich an den Kontaktstellen, um die lokale Verteilung der Leitfähigkeit zu bestimmen. Es wird angenommen, dass der Mechano-Fusionsprozess den Widerstand an den Kontaktstellen beeinflusst und die Barriere für Elektronen zwischen den beiden Materialien der Hetero-Agglomerate reduziert.

Um Struktur-Eigenschafts-Beziehungen abzuleiten, müssen Bilddaten, die mit verschiedenen Bildgebungstechniken gewonnen wurden, vorverarbeitet und segmentiert werden. Eine bereits entwickelte Technik zur Super-Auflösung von 2D Bilddaten wird erweitert, um die Auflösung von µ-CT-Bilddaten zu erhöhen, sodass feine Strukturen in 3D sichtbar werden, die sonst nur über aufwändigere Messtechniken sichtbar gemacht werden könnten. Anschließend werden diese Daten partikelweise und phasenweise segmentiert, um die 3D Morphologie von Hetero-Agglomeraten zu charakterisieren. Dabei werden verschiedene strukturelle Deskriptoren berechnet, wie Volumenanteile der Phasen, fraktale Dimension, Sphärizität und mittlere Beschichtungsdicke.

Digitale Zwillinge realer Hetero-Agglomerate werden erzeugt und dienen als Input für numerische Simulationen, um quantitative Beziehungen zwischen den strukturellen Deskriptoren und der makroskopischen Funktionalität der Hetero-Agglomerate abzuleiten. Diese Beziehungen werden schließlich für die Optimierung der Materialentwicklung herangezogen. Prozessparameter können somit gezielt angepasst werden, um die gewünschten 3D-Morphologien der Hetero-Agglomerate mit der gewünschten Funktionalität zu erzielen. Die so gefundenen Prozessparameter werden dann experimentell validiert.

 

Veröffentlichungen aus FP 1:

[1] Friebel, J. M., Ditscherlein, R., Ditscherlein, L., & Peuker, U. A. “Three-Dimensional Characterization of Dry Particle Coating Structures Originating from the Mechano-fusion Process.” Microscopy and Microanalysis 30.2 (2024): 179-191.

[2] Gräfensteiner, P., Friebel, J., Ditscherlein, L., Furat, O., Peuker, U. A., & Schmidt, V. “An AFM-based approach for quantification of guest particle deformation during mechano-fusion.” Powder Technology 434 (2024): 119293.

[3] Fuchs, L., Kirstein, T., Mahr, C., Furat, O., Baric, V., Rosenauer,  A., Mädler, L. and Schmidt, V., “Using convolutional neural networks for stereological characterization of 3D hetero-aggregates based on synthetic STEM data.” Machine Learning: Science and Technology 5 (2024) 025007.

[4] Kirstein, T., Aßmann, S., Furat, O., Will S., & Schmidt V. “Determination of droplet size from wide-angle light scattering image data using convolutional neural networks.” Machine Learning: Science and Technology 5 (2024): 015049.