Auf einen Espresso mit... Dr. Christian Gorldt
Dr. Chrisitan Gorldt ist gebürtiger Bremer und arbeitet seit kurzem im Digital Hub Industry. Durch seine Zeit am BIBA (Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaften) eröffneten sich viele Türen in digitalen Bereich für seine Karriere, die er jetzt im Bremer KI-Transferzentrum weiterführt.
Warum haben Sie an der Universität Bremen studiert?
Ich bin nicht direkt nach meinem Abitur an die Uni gegangen. Ich habe mich damals für eine berufliche Erstausbildung zum Industriekaufmann entschieden und ich habe bei Coca-Cola in Bremen ein duales Studium gemacht, zum Betriebswirt. Das heißt, ich habe drei Jahre lang in der Praxis gearbeitet und Grundzüge eines Unternehmens kennengelernt. Dort habe ich mich sehr stark mit EDV beschäftigt und damals eine Datenbank aufgebaut, zum Vertriebs-Controlling. Das war total spannend, weil ich die Prozesse, die ich gelernt hatte, und die Technik miteinander verknüpfen konnte und ich habe dann aber festgestellt, dass diese EDV-Systeme, das war ja Ende der 90er Jahre, mir nicht so richtig zugesagt haben. Ich habe mich entschieden, nach meiner Ausbildung noch stärker zu verstehen, wie eigentlich EDV-Systeme oder IT-Systeme zu Stande kommen. Ich habe recherchiert und bin auf das Studium der Medieninformatik an der Uni Bremen gestoßen. Und warum Uni Bremen? Ich bin gebürtiger Bremer, ich finde Bremen total schön und für mich war’s dann naheliegend, das hier an der Uni Bremen zu machen, weil ich auch zur damaligen Zeit im Sportverein sehr aktiv war, in der Jugendbetreuung, und da konnte ich einfach mein Leben und die Ausbildung wunderbar hier am Standort vereinen.
Haben Sie während des Studiums weitergearbeitet?
Ich habe ja drei Jahre lang gearbeitet und die Ausbildung gemacht, und war es also gewohnt, auch zu jobben, also Arbeitsalltag und Ausbildung miteinander zu verbinden. Und das wollte ich gerne in meinem Studium weiterführen. Im Wintersemester ist es losgegangen und für mich war klar, dass ich mir dann auch parallel einen Job suche, um auch weiterhin Erfahrungen zu sammeln, aber auch natürlich Geld zu verdienen. Ich habe mich dann am Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaften, kurz BIBA, beworben. Sie suchten einen Datenbankentwickler und ich hätte dann die Möglichkeit gehabt, als studentischer Mitarbeiter zu arbeiten und gleichzeitig im Fachbereich 3 zu studieren. Die Aufgabe zur Datenbankentwicklung habe ich nicht bekommen, ich habe eine andere Aufgabe zugeteilt bekommen. Das ist aber auch im Nachhinein nicht weiter schlimm, weil das eigentlich meine berufliche Laufbahn geprägt hat.
Haben sich Ihre Erwartungen an der Uni dann erfüllt?
Ja, die Erwartung hat sich erfüllt, ich konnte mehr über die Hintergründe zum „warum“ und Herangehensweisen lernen. Im Institut BIBA gab es ein Projekt namens Palme – Prozessintegrierte Anpassungsqualifizierung mit neuen Medien – das war ein großes BMBF gefördertes Projekt mit dem Ziel, die Industriemeisterqualifizierung neu aufzustellen, der sogenannte Industriemeister 2000. Das Institut war wissenschaftlicher Projektleiter; die hatten die Aufgabe, Drehbücher zu schreiben für E-Learning Systeme und um das zu tun, musste man Prozesse im Unternehmen mit audiovisuellen Medien, dokumentieren und gleichzeitig Drehbücher schreiben für Lernsysteme. Das war total spannend. In der Ausbildung lernt man, dass es einfach so ist, aber mich hat immer interessiert: „Warum ist das so?“ und „Wie sind die Wege zu einem Ergebnis?“.
Welche Bedeutung hatte das Studium in Bremen für Ihren Karriereweg und spätere Tätigkeit?
Ich habe ja schon gesagt, dass ich eigentlich gar nicht vorhatte, zu studieren und somit hatte ich eigentlich auch gar nicht vor, diesen Weg einzuschlagen. Ich habe mich einfach, drauf eingelassen und ich war mit viel Freude dabei. Und dann haben sich bestimmte Dinge ergeben und letztendlich hat mir das Bachelorstudium sehr viel ermöglicht. Nämlich, dass ich später auch die Möglichkeit hatte, als wissenschaftlicher Mitarbeiter im BIBA, wo ich ja nun Student war, zu arbeiten. Und das war zu dem Zeitpunkt gar nicht so einfach, weil ich nur einen Bachelorabschluss hatte und diese Stellen als wissenschaftlicher Mitarbeiter waren häufig erst für Masterabsolventen. Aber es wurde mir ermöglicht, unter der Voraussetzung, dass ich nebenher noch weiter studiere. Da habe ich total viel gelernt, sodass für mich dann relativ schnell klar war: „Okay, jetzt hast du formal alles erfüllt, um Wissenschaftler zu sein und noch den nächsten Schritt zu gehen“, so war es naheliegend, sich dann auch eines Tages mit dem Thema der Promotion zu beschäftigen. 2016 war ich promoviert und hatte dann verschiedene Funktionen in dem Institut, war erst als Oberingenieur tätig, dann als Abteilungsleiter. Nach 15 Jahren Tätigkeit im Institut hat sich dann über eine Zwischenstation die Möglichkeit ergeben, bei einem Weiterbildungsträger in die Geschäftsführung zu gehen und dieses Unternehmen war damals auch Projektpartner in meinem Palme Projekt, was ich als Student betreut hatte und da schließt sich der Kreis wieder.
Somit hat mir das Studium, aber auch die Zeit am BIBA sehr viel für die Karriere ermöglicht und in diesem Zeitraum habe ich sehr viele Menschen kennenlernen dürfen, die ich dann auch jetzt auch wieder begleiten darf, bzw. sie mich. Auf jeden Fall ist dieses Netzwerk in Bremen super und somit hat sich dann hier auch diese Möglichkeit ergeben, im Digital Hub Industry für das KI-Transferzentrum, anzutreten und das mit zu koordinieren. Das mache ich jetzt seit zwei Monaten, seit dem 01. August und da kann ich wiederrum viel aus meiner Institutszeit zurückgreifen.
Was war in Ihrer Studienzeit an der Uni Bremen das Prägendste?
Das Prägendste war… Ich habe ja im Fachbereich 3 studiert und es war total spannend wie dort auf Augenhöhe zwischen Professoren und Studenten agiert wurde. Das war alles sehr angenehm, sehr familiär und es ging auch immer darum, Dinge tatsächlich zu verstehen. Ich kann mich noch an eine Prüfungssituation erinnern. Da hat der Dozent damals in seiner Hemdtasche rumgewühlt, ein Mobiltelefon, auf den Tisch gelegt und gesagt: „Erklär mir mal, was da drin so alles passiert.“. Das mag jetzt von außen vielleicht ein bisschen leicht klingen, aber die Fragen wurden immer komplexer und letztendlich musste man technische Zusammenhänge erklären, und man ist immer tiefer in das Verständnis der Zusammenhänge eingestiegen. Das hat mich schon fasziniert, dass man das Wissen, aus dem Studium gar nicht schriftlich abfragt, sondern in sogenannten Fachgesprächen. Ich kannte das nicht und ich muss sagen, das hat mir mehr gebracht, als schriftliche Arbeiten zu schreiben.
Dann gibt es noch eine weitere Sache. Das war ein internationaler Studiengang und wir mussten – wir mussten – laut Prüfungsordnung ins Ausland. Und heute sage ich, ich durfte ins Ausland, das war nämlich die beste Zeit überhaupt und ich habe dann somit die Möglichkeit bekommen, ein Semester in Dublin an dem Trinity College zu studieren. Diese Zeit möchte ich nicht mehr missen und ja, ohne Uni Bremen oder ohne Studium zur Medieninformatik hätte ich diesen Weg wahrscheinlich nie gemacht.
Was verbinden Sie heute noch mit der Universität und Stadt Bremen?
Sehr viel. Ich wohne selbst im Stadtteil Horn nahe der Uni und darf damit in dem Stadtteil, in dem ich lebe, auch arbeiten. Und ich glaube, das ist nicht so selbstverständlich. Somit verbinde ich eigentlich die Universität positiv mit meinem Leben. Ich hab’s nie weiter weggeschafft als Bremen, außer nach Irland. Aber ich bin gebürtiger Bremen, bin hier zur Schule gegangen, habe die Ausbildung gemacht, habe studiert und damit verbinde ich schon viel mit Bremen. Wir haben in der Presse viele Negativschlagzeilen, keine Frage, die haben wir hier, die Probleme. Aber wir können nicht immer nur nörgeln, sondern wir müssen auch machen und wir müssen, jeder von uns einen Anteil daran haben, Bremen ein Stück weit attraktiver zu machen. Wir müssen unsere Stärken noch stärker nach außen tragen, sodass auch Menschen außerhalb Bremens aus den anderen 15 Bundesländern auf Bremen gucken, hierher kommen und sagen: „Wow, Bremen ist ja total cool!“ Die Uni Bremen hat sich total super entwickelt. Wir haben hier im Bereich AI und Health ein großes Thema, wo wir eine internationale Sichtbarkeit haben, und da müssen wir uns nicht verstecken. Wir machen total tolle Sachen. Wir bauen Autos, wir haben mal Schiffe gebaut – bauen wir jetzt auch noch – wir bauen Raketen, wir bauen Flugzeuge, wir machen IT-Dinge, wir bauen Satelliten, also ganz vielfältig und Bremen hat ja auch damit verbunden eine Industriehistorie. Hier im Digital Hub Industry geht es darum, auch die Industriezweige und Digitalisierung in Bremen weiter zu stärken, damit wir weiterhin auch eine Standortattraktivität haben und Menschen in Bremen auch halten können und nicht ausschließlich mit unseren Hochschulen und weiteren Bildungseinrichtungen qualifizieren und sie dann weggehen. Wir müssen die Talente hier auch halten und dazu gehört es eben auch Standortattraktivität herzustellen und die entsprechenden Arbeitsplätze zu haben.
Was würden Sie aus Ihrer Rückschau der eigenen Erfahrungen heutigen Studierenden empfehlen?
Das ist eine sehr gute Frage. Grundsätzlich empfehle ich jungen Menschen, nicht nur Studierenden, das zu machen, worauf sie Bock haben und was sie wirklich erfüllt, weil ich glaube, dass Arbeiten und Leben immer zusammengehört. Das kann man nicht trennen. Und grundsätzlich schlage ich vor, dass man sich die Frage stellt, ob man vielleicht vor einem Studium nicht noch etwas anderes machen will, als jetzt wieder zur Schule zu gehen und zu studieren. Es gibt das Freiwillige Soziale Jahr, und ich würde ihnen raten, dass man einfach diese Zeit nach 12/13 Jahren Schule noch nutzt, um sich selbst zu finden, um dann eine Entscheidung zu treffen, die ja auch das Leben prägen kann. Ich habe mich damals für die Ausbildung entschieden und, weil ich dachte, ich bin eher einer, der etwas Praktisches machen möchte und dann hat sich später herausgestellt, dass ich die Frage nach dem Warum mehr interessiert. Deswegen kann ich allen jungen Menschen eigentlich immer nur sagen: „Mach doch erstmal eine Ausbildung und guck dann, gehe ich danach noch studieren?“