Auf einen Espresso mit… Gotthard Dittrich

Bild von Gotthard Dittrich

Unser Alumnus Gotthard Dittrich studierte in den 1970er Jahren Ökonomie an der Universität Bremen und gründete vor 34 Jahren die gemeinnützige Schulgesellschaft Rahn Education in Leipzig, den größten Träger freier Schulen in Deutschland. Im Interview erzählte er mehr über seinen Werdegang und Bezug zur Uni Bremen.

Warum haben Sie an der Universität Bremen studiert?

Ja, das war eigentlich ein sehr verrückter Umstand. Zunächst habe ich an der Bremer Hochschule für Sozialpädagogik und Sozialökonomie (HfSS), die ja damals im GW1 Gebäude untergebracht war, Sozialökonomie studiert. Ich hatte mich zu dem Studium entschlossen, da Ökonomie absolut mein Thema war und mich die Verbindung zum Sozialen sehr interessiert hat. Während des Studiums habe ich dann jedoch gemerkt, dass unter Sozialökonomie in Bremen Ernährungswissenschaften zu verstehen waren und so habe ich mich zwei Semester vor meinem Diplom an der HfSS auch noch parallel an der Universität Bremen im Fachbereich 7 (Wirtschaftswissenschaft) für das Fach Ökonomie eingeschrieben. So bin ich also einmal Ökotrophologe und habe dazu noch einen Abschluss im Fach Ökonomie an der Uni Bremen.

Was war in Ihrer Studienzeit an der Uni Bremen das Prägendste?

Also bezüglich der Professor:innen waren Prof. Dr. Kassner und Prof. Dr. Heide Wieseker beide sehr prägend für mich. Damals war es ja wirklich eine absolute Reformuniversität und man hat sich mit den Lehrenden geduzt, was heute wahrscheinlich nicht mehr der Fall sein wird. Es war aber eine Art des Dozierens, die meiner Persönlichkeit total entgegengekommen ist und die Uni Bremen war eben so locker und offen, wodurch ich mich sehr wohlfühlte. Als ich zum Beispiel damals einen Freund in München besucht habe und dort einmal als Nebenhörer in eine Veranstaltung ging, war das ein riesengroßer Unterschied zu Bremen. Da habe ich gemerkt, dass ich in München oder in einer anderen Stadt viel zu viel Angst gehabt hätte, dort zu studieren. Von daher war die Zeit an der Uni Bremen für mich sehr wichtig, um auch mein heutiges Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Wenn ich mich jedoch an die Vorlesungen erinnere, dann muss ich sagen, dass relativ wenig wirtschaftliches Handwerkszeug vermittelt wurde. Das waren eher geisteswissenschaftliche Experimente, die versucht wurden und für meine persönliche Entwicklung auf jeden Fall wichtig waren, aber inhaltlich würde ich aus heutiger Sicht an verschiedenen Stellen ein Fragezeichen setzen. Es wurde ja damals auch gesagt: Wer in Bremen Geisteswissenschaften studiert, der wird niemals einen Job bekommen. Ich bin neben vielen anderen Personen ein positives Beispiel und habe einen tollen Job bekommen, aber das war damals schon etwas Besonderes. Aber da wird sich mittlerweile mit Sicherheit auch viel geändert haben.

Welche Bedeutung hatte das Studium in Bremen für Ihren Karriereweg und spätere Tätigkeit?

Die Zeit in Bremen hat mich generell schon sehr geprägt. Während meines Studiums habe ich bei einem norwegischen Außenhandels-Unternehmen Geld dazu verdient. Dort habe ich hochinteressante Gespräche mit meinem Chef geführt und mit ihm eine enge Zusammenarbeit entwickeln können.  Als Norwegen dann erstmals in einer Volksabstimmung Nicht-Mitglied der EU wurde, wurden die Produkte, die wir aus Norwegen bezogen, durch die Verzollung auch teurer. Und dann war es meine Idee meinem Chef vorzuschlagen, dass ich mal nach Leipzig fahre und mir die dortige Herbstmesse anschaue. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass in Leipzig unbedingt Lebensmittel aus Norwegen erwünscht waren, aber ich wollte wenigstens den Versuch wagen. Und da ich in der Universität gelernt habe frei zu sprechen und generell ein selbstbewusstes Auftreten mitbekommen habe, war es mir möglich in einem völlig anderen Umfeld tatsächlich Kontakte für einen erfolgreichen Handel zu knüpfen und die ersten Kompensationsgeschäfte einzufädeln. Im Jahr 1984 bin ich dann für vier Jahre im Rahmen meiner Tätigkeit nach Leipzig gegangen und habe mich in die Stadt und die Region verliebt.

Als die Wende kam und dann keine Kompensationsgeschäfte mehr notwendig waren, bin ich auf die kleine Rahnschule, die ich damals in Nienburg an der Weser besucht habe und zu der ich immer einen Kontakt pflegte und auch Seminare abgehalten habe zum Thema „Handeln in Staatshandelsländern“, zugegangen. Ich hatte die Idee, genau so etwas in der DDR, wo es noch keine Privatschulen gab, versuchen zu implementieren. Und das ist mir gemeinsam mit der Familie Rahn gelungen und so haben wir das Unternehmen vor 34 Jahren in Leipzig gegründet. Heute bin ich allerdings alleiniger Geschäftsführer, da wir uns im Jahr 2000 aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen beruflich getrennt haben.

Insgesamt führe ich meine berufliche Entwicklung darauf zurück, dass ich an der Universität Bremen gelernt habe, mich selbstbewusst mit fremden Menschen auseinanderzusetzen. Ich bin auch sehr glücklich darüber, dass es mir gelungen ist die unterschiedlichsten Kulturen, Menschen und Regionen anzusprechen und eine Zusammenarbeit zu erwirken.

Was würden Sie aus Ihrer Rückschau der eigenen Erfahrungen heutigen Studierenden empfehlen?

Ich würde den Studierenden empfehlen, sich nicht nur auf das Studium zu konzentrieren, sondern auch zu versuchen durch Jobs oder Projekte die Verbindung zur Praxiswelt herzustellen. Es ist wichtig, dass nicht nur das rein theoretische Studium im Vordergrund steht, sondern der Blick auch nach außen gerichtet wird und man das Arbeitsleben kennenlernt sowie die Gesellschaft wahrnimmt, wie sie ist. Meiner Meinung nach ist also die Verbindung zur Realität parallel zum Studium sinnvoll, um die Welt nicht aus einem rein theoretischen Umfeld heraus zu beurteilen.

Was verbinden Sie heute noch mit der Universität und Stadt Bremen?

Mit der Uni Bremen verbinde ich heute nicht mehr viel, außer dass ich im Alumni Verein bin. Meine damaligen Kommilitonen sind weit zerstreut und ich habe bedauerlicherweise nur noch zu einer Person Kontakt. In die Stadt Bremen würde ich heute zwar nicht wieder ziehen, aber ich bin immer wieder gerne dort, spätestens jährlich zum Weihnachtsmarkt. Ich verbinde einfach eine Menge mit Bremen, da ich in den zwölf Jahren die ich dort gelebt habe viel erlebt und gelernt habe. Ich werde der Stadt definitiv weiter treu bleiben.


Falls Sie Interesse an der Alumni-Reise am 27./28.09. nach Leipzig haben, dann finden Sie hier noch weitere Informationen. Maximal 35 Teilnehmer:innen können bei der Reise dabei sein, wenige Restplätze sind noch verfügbar.

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Skyline von Leipzig