Lebendige Uni-Partnerschaft mit Kanada
Kennen Sie Guelph? Diese kanadische Stadt mit ihren knapp 150.000 Einwohnern in der Nähe von Toronto beherbergt eine junge und lebendige Universität, die auffallend viele Gemeinsamkeiten mit der Universität Bremen hat. Beide Hochschulen pflegen seit 2011 eine Partnerschaft, die zu den spannendsten internationalen Projekten der Uni Bremen gehört. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause gab es jetzt wieder Besuch aus Guelph und dabei bemerkenswerte Reminiszenzen an Bremerhaven als Auswanderhafen.
Professor Donald Bruce war lange Jahre Dekan am College of Arts der Universität Guelph. Der Literaturwissenschaftler ist einer der zehn Research Ambassadors der Uni Bremen und auf kanadischer Seite wichtigster Motor der Uni-Partnerschaft. Seine Vorfahren stammen aus Mecklenburg, sein Großvater wanderte über Bremerhaven nach Kanada aus. „Seinen Namen habe ich im Auswandererhaus in Bremerhaven gefunden“, berichtet Bruce bei unserem Treffen. „In dem Museum gibt es jetzt auch eine neue Abteilung über Immigration nach Deutschland. Das hat mich sehr beeindruckt.“ Und damit ist Bruce bei einem Thema angelangt, was ihn besonders umtreibt: Soziale Gerechtigkeit, Diversität und Inklusion. „Unsere Universitäten sind beide geprägt vom Aufbruchsgeist der 1960er Jahre und dem Bewusstsein, das Forschung und Wissenschaft nicht im Elfenbeinturm stattfinden, sondern offen und zugänglich, so dass die ganze Gesellschaft davon profitiert.“ So wurde ein gemeinsames, vergleichendes Forschungsprojekt aufgelegt über Herausforderungen des Diversity-Managements in deutschen und kanadischen Hochschulen. Daneben gibt es regelmäßige Gastvorlesungen, die abwechselnd in Bremen oder Guelph stattfinden, die Bremen Guelph Lecture Series. Mehr als 100 Wissenschaftler:innen und Studierende sind aus Kanada schon nach Bremen zu Austauschsemestern gekommen, umgekehrt waren es rund 60.
Rebecca Breau aus Guelph ist die erste Doktorandin, die einen Doppelabschluss an beiden Unis absolviert hat, eine so genannte Cotutelle-Promotion. Ihre Doktorarbeit ist schon längst fertig, wegen der Pandemie konnte sie aber erst jetzt zur offiziellen Verleihung der Urkunde kommen. In ihrer Dissertation hat sie erforscht, durch welche Faktoren sich bei Kleinkindern motorische Fähigkeiten, körperliche Fitness und kognitive Funktionen verbessern. Dafür war sie ein Jahr lang zu einem Forschungsaufenthalt am Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS). „Das war schon anders als bei uns. In Kanada kommen und gehen wir an die Forschungseinrichtungen, wann wir wollen. Hier hatten wir einen kompakten 8-Stundentag. So war das sehr intensiv und auch sehr kommunikativ.“ Beide Unis haben übrigens jeweils etwa 20.000 Studierende. Die Uni in Guelph wurde 1964 gegründet, Bremen 1971. Bei so viel Gemeinsamkeit, was unterscheidet sie? „Ich habe gesehen, dass Ihr jetzt endlich zwei Lebensmitteldiscounter auf dem Campus habt“, sagt Donald Bruce. „Damit hat sich die Uni jahrelang gequält, ob man solche kommerziellen Dienstleister auf dem Campus zulassen soll. Das ist für uns in Kanada völlig unvorstellbar. Natürlich brauchen wir Geschäfte auf dem Campus.“ Und lächelnd verabschieden sich Bruce und Breau zu einem Imbiss in der neuen Bäckerei auf dem Campus.