MEVIS: Medizin wird digital
Mit seinem Design, mit seinen geschwungenen und ineinander verwobenen Baukörpern ist es wohl das schönste, sicherlich aber eines der spannendsten Gebäude auf dem Campus: Der strahlend weiße Neubau des Fraunhofer-Instituts für digitale Medizin MEVIS. Wie die Alumni jetzt bei ihrem Besuch vor Ort, im Anschluss an die Mitgliederversammlung, erfahren durften, gehört auch das, was im Fraunhofer MEVIS passiert, zu den interessanten Entwicklungen im Umfeld der Universität Bremen. „Wir forschen an ergebnis-orientierter Medizin“, sagte der stellvertretende Institutsleiter Professor Matthias Günther bei seinem Parforce-Ritt durch die vielen Forschungsprojekte. Die mehr als 40 Alumni kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus.
„Lungenkrebs ist heute nicht einfach Lungenkrebs, sondern wir kennen inzwischen mehr als 300 verschiedenen Formen dieser gefährlichen Krankheit“, so Matthias Günther. Diese sehr individuellen Ausprägungen des Krebses können mit Hilfe von Visualisierungen inzwischen gut differenziert werden. Dieser enorme Erkenntnisfortschritt stellt die Medizin aber zugleich vor ein diagnostisches Dilemma: Ärzte müssen mit diesen komplexen Analysen umgehen und daraus die richtigen Therapieschritte ableiten können. „Wir müssen also nicht nur möglichst präzise Diagnosen ermöglichen, sondern den Ärzten auch ein benutzerfreundliches Software-Tool an die Hand geben, das die beste Therapie für jeden einzelnen Patienten erlaubt.“ Das gelingt zunehmend durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die mit Gesundheitsdaten gezielt antrainiert wird. Nicht erst an dieser Stelle kommt dann auch der Datenschutz in Spiel, den je genauer die Analysen und Therapien werden, desto leichter lassen sich Rückschlüsse auf konkrete Personen ziehen. Digitale Medizin befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Standardisierung und individueller Therapie. „Für uns ist es wichtig“, sagt Professor Günther, „dass wir eine werte-basierte Behandlung erarbeiten, mit einer effizienten Therapiekontrolle, und auf jeden Fall ergebnis-orientiert.“
Eines dieser zukunftsweisenden Forschungsprojekte mit Bremer Beteiligung ist die NAKO Gesundheitsstudie. Sie sammelt von 200.000 zufällig ausgewählten Patienten Gesundheitsdaten ab einem Zeitpunkt, zu dem sie noch nicht eklatant erkrankt sind. Die Patienten werden über Jahre begleitet und wenn dann gravierende Krankheiten ausbrechen, soll in der Rückschau analysiert werden, welche bislang unbekannten Indikatoren schon frühzeitig die gesundheitlichen Probleme angekündigt haben.
Gesprächsstoff gab es also reichlich und auch am Ende die Frage, wie es das Fraunhofer MEVIS denn geschafft habe, mit seinem Neubau das architektonische Einerlei auf dem Campus so komplett zu durchbrechen. „Wir haben flache Hierarchien und wollten keine langen Flure, sondern Begegnungsräume für unsere Netzwerke ermöglichen“, so Günther. „Das alles war viel Arbeit, nicht nur für die Architekten. Aber wir wollten es einfach“.