Super-Diversity in Gröpelingen
Respekt! Was der Verein „Kultur vor Ort“ (KvO) in dem alten Bremer Hafenviertel alles auf die Beine stellt, das ist einfach stark. So der Eindruck von allen TeilnehmerInnen an unserem Online-Event im Oktober, zu dem wir gemeinsam mit unserem Alumnus und KvO-Vereinsvorstand Dr. Lutz Liffers eingeladen hatten. Tätig ist der Verein seit 1998 und begleitet wurde diese Arbeit mit einer wissenschaftlichen Studie an der Bremer Universität.
Bildung und Stadtentwicklung am Beispiel von Gröpelingen – so das Thema der Promotion von Lutz Liffers. Grundlagenwissen, um ein Bildungs- und Kulturkonzept für einen Stadtteil zu entwickeln, der sich innerhalb von zwanzig Jahren so radikal verändert hat, wie wohl kein anderes Quartier in Bremen. Die Schließung der Werft AG Weser war Mitte der 1980er Jahre eine traumatische Erfahrung, nicht nur für Gröpelingen, sondern für ganz Bremen. Damals stellte sich die Frage: droht jetzt die Verelendung, so wie in vergleichbaren Quartieren in England? Dass dies nicht passierte, ist zu einem guten Teil auch Verdienst von Kultur vor Ort. „Wir haben allerdings schnell festgestellt, dass alle herkömmlichen Konzepte von Bildungsarbeit nicht funktionierten“, so Liffers. „Denn eine bisher sehr homogene Einwohnerschaft löste sich komplett auf - ein Arbeitermilieu von Deutschen, Türken und Kurden, die ihr ganzes Leben lang in Gröpelingen wohnten und ihr Selbstbewusstsein aus der Arbeit an Großschiffen auf der Werft zogen.“ Heute leben dort 38.000 Menschen mit mehr als 120 Nationalitäten, viele ziehen nach wenigen Jahren schon wieder weiter. Wissenschaftler*innen nennen das Super-Diversity, ein Phänomen der Moderne. Der Schlüssel zum Erfolg kam für „Kultur vor Ort“ über die Sprache. „Mit jedem und jeder sprechen, in jeder Sprache, und wenn wir uns nicht über Worte verstehen, dann über Gesten und Darstellung“, so Julia Klein, die künstlerische Leiterin des Erzählfestivals „Feuerspuren“, das inzwischen ein jährliches Highlight der Gröpelinger Kulturszene ist. Auch Julia Klein hat zu diesem vielfältigen Konzept der Erzählkultur über Forschungsprojekte an der Bremer Uni gefunden. Im kommenden Jubiläumsjahr der Uni wollen wir noch eine Veranstaltung anbieten, Kultur – und dann wirklich so – vor Ort in Gröpelingen.