„Interdisziplinarität ist unser Markenzeichen“

Professor Marc Avila über den Exzellenzantrag „The Martian Mindset“

Ein Artikel von Iria Sorge-Röder, up2date Redaktion der Universität Bremen.

Dass einmal Menschen auf dem Mars leben, klingt für viele noch nach Science Fiction. Nicht aber für Forschende um Marc Avila, Professor für Strömungsmechanik und Leiter des ZARM (Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation) an der Universität Bremen. Im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern möchten sie konkret untersuchen, unter welchen Voraussetzungen menschliches Leben auf dem Mars gelingen kann. Über vier Jahre haben sie an ihrem Antrag „The Martian Mindset“ gefeilt. Im Mai entscheidet sich dann, ob das Cluster gefördert wird. Was ihn an der Marsforschung reizt, wieso Interdisziplinarität für seine Arbeit so zentral ist und welche Besonderheiten das Bremer Marslabor auszeichnen, erklärt Marc Avila, Co-Sprecher der Clusterinitiative.

 

Herr Avila, wie sind Sie eigentlich auf den Mars als Forschungsthema gekommen?

Der Weltraum hat mich schon als Kind fasziniert. Damals habe ich Bücher über Astronomie gelesen und die ersten Fotos vom Mars gesehen, die ein paar Jahre vor meiner Geburt von den Sonden Viking 1 und 2 aufgenommen worden sind. Nach dem Gymnasium habe ich Mathematik studiert und in Strömungsmechanik promoviert. Im Jahr 2016 war an der Universität Bremen die Professur für Strömungsmechanik ausgeschrieben, verbunden mit der Leitung des ZARM. Auf diese Art intensiver zum Weltraum und zum Mars zu forschen, hat mich angesprochen.

Was interessiert Sie am Mars besonders?

Dass er der Erde so ähnlich und doch wieder ganz anders ist. Die Naturgesetze wirken dort genauso wie hier, und er zählt zu den wenigen Planeten, auf denen Menschen prinzipiell leben könnten. Aber gleichzeitig wäre das Leben dort radikal anders als hier: Die Schwerkraft ist nur ein Drittel so groß wie auf der Erde, die Durchschnittstemperatur liegt bei etwa -60 Grad und wir könnten nicht frei atmen. All das und noch viel mehr spielte in unseren Überlegungen zum Leben auf dem Mars eine Rolle.

Der Titel Ihres Antrags lautet „The Martian Mindset“. Welches Mindset muss man mitbringen, um auf dem Mars leben zu können?

Das Mindset der Knappheit von Ressourcen. Denn ob Wasser, Rohstoffe, Energie oder Arbeitskraft – alles ist auf dem Mars viel knapper als hier auf der Erde. Gleichzeitig erleben wir auch auf der Erde mehr und mehr, gerade in Europa, dass unsere Ressourcen begrenzt sind. So ist unsere Forschung auch für die Erde relevant – und genau das hat uns überzeugt, als vor zwei Jahren die finale Antragsidee entstanden ist.

In was für einem Team haben Sie den Antrag erarbeitet?

Die ersten groben Ideen zu dem Antrag haben wir bereits vor vier Jahren am MAPEX Center for Materials and Processes der Universität Bremen entwickelt. Wir merkten aber schnell, dass wir Expertise nicht nur aus den Ingenieurswissenschaften, sondern auch aus anderen Wissenschaftsdisziplinen benötigten. Die Universität Bremen ist in der Raumfahrtforschung gut aufgestellt, und so gelang es uns schnell, Forschende aus verschiedenen Fachbereichen für unseren Antrag zu gewinnen. Unser Team erweiterte sich auf diese Art auf über 25 Personen. Mit ihnen zusammen und mit Unterstützung durch das Land Bremen haben wir die Initiative „Humans on Mars“ gegründet, aus der der Antrag für „The Martian Mindset“ hervorgegangen ist. Das Antragsverfahren ist langwierig und besteht aus verschiedenen Schritten: Im Mai 2023 haben wir eine Antragsskizze eingereicht, die von einem wissenschaftlichen Gremium der DFG begutachtet worden ist. Im Februar 2024 haben wir dann schon einen ersten Teilerfolg gefeiert: Als eins von 41 antragstellenden Teams bundesweit sind wir aufgefordert worden, einen Vollantrag zu stellen. Ob wir die Förderung wirklich bekommen, wird sich dann am 22. Mai entscheiden.

Ihr Team ist also sehr interdisziplinär aufgestellt – gilt das auch für die Marsforschung als Ganzes?

Auf der einen Seite ist die Marsforschung per se interdisziplinär, weil es so viele Zugänge zu ihr gibt. In der Astrobiologie beschäftigen sich Forschende mit Mikroorganismen, die auf dem Mars nützlich sein könnten. Verfahrenstechniker:innen untersuchen die Herstellung von Metallen wie Aluminium auf der Grundlage von Marsstaub, und Geo- und Astrophysiker:innen befassen sich mit der Weltraumumgebung, also zum Beispiel der Strahlung und den Prozessen, die den Mars zu einer Wüste gemacht haben. Aber in der Regel arbeiten all diese Wissenschaftsgebiete weitgehend unabhängig voneinander. Mir ist keine andere Initiative in der Marsforschung bekannt, in der Forschende aus verschiedenen Disziplinen so eng kooperieren. Diese Interdisziplinarität ist unser Markenzeichen.

Was haben Sie in diesem Zusammenhang von Forschenden aus anderen Disziplinen gelernt?

Besonders spannend fand ich die Einblicke in die Arbeitspsychologie. Dort geht es unter anderem darum, wie Menschen auf dem Mars Entscheidungen treffen würden. Solche Prozesse sind dort nämlich weitaus komplexer und langwieriger als hier. Angenommen, an einer Maschine geht etwas kaputt. Wenn sie außerhalb des eigenen Habitats ist, bräuchte man alleine 45 Minuten, um den Raumanzug anzuziehen und nach draußen zu gehen. Aber würde man das wirklich tun und dabei eventuell sein Leben riskieren? Oder aber steuert man vom Habitat aus einen Roboter, der die Maschine repariert? Welche Informationen, welchen Rat von einer KI bräuchte man, um sich zwischen diesen beiden Optionen zu entscheiden? Und wenn man keine oder nur wenige Informationen hat, wie entscheidet man sich dann? Solche Überlegungen finde ich sehr interessant.

Welche Infrastruktur steht Ihnen in Bremen für Ihre Forschung zur Verfügung?

Bremen ist schon seit Jahren in der Raumforschung stark, sodass wir auf bereits existierende Infrastruktur wie das „Moon and Mars Base Analog“ (MaMBA), ein simuliertes Marshabitat, und den GraviTower Bremen Pro, mit dem Marsgravitation simuliert werden kann, zurückgreifen können. Anfang des Jahres hat der Bremer Senat darüber hinaus über Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 3,7 Millionen Euro für den Aufbau eines Marslabors bereitgestellt. Das möchten wir in Teilen schon ab 2026 nutzen und 2028 fertigstellen.

Was für Möglichkeiten bietet das Marslabor?

Es soll aus zwei verschiedenen Teilen bestehen. Im ersten Teil werden wir in zwei kleinen Vakuumkammern die Lebensbedingungen auf dem Mars nachbilden, was beispielsweise die Temperatur, den Luftdruck und die Zusammensetzung der Atmosphäre angeht. Auch imitierten Marsstaub soll es in einem der zwei Räume geben. Wir beobachten dann, wie Maschinen unter diesen Bedingungen arbeiten und wie man sie hierfür robuster machen kann. Im zweiten Teil möchten wir die Zusammenarbeit zwischen Menschen, Robotern und Maschinen in eine Produktionsanlage simulieren. Das MaMBA soll in das Labor eingegliedert werden, außerdem werden wir eine Produktionshalle aufbauen. Wir werden dann testen, wie sich Maschinen und Roboter aus dem Habitat heraus steuern lassen. Diese Simulation von ferngesteuerten Abläufen ist in der weltweiten Marsforschung neu und einzigartig.

Weitere Informationen

ZARM (Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation)

MAPEX Center for Materials and Processes

Initiative „Humans on Mars“

Marc Avila vor dem GraviTower Bremen Pro, mit dem die Marsgravitation simuliert werden kann.
Marc Avila vor dem GraviTower Bremen Pro, mit dem die Marsgravitation simuliert werden kann.
Ein Mann, Marc Avila, steht in einem Labor.
Am Mars fasziniert Marc Avila, dass er der Erde so ähnlich und doch wieder ganz anders ist.
Aktualisiert von: MAPEX