Bock auf Leipzig?
Im September haben einige unserer Mitglieder einen Trip nach Leipzig gemacht. Dort hatten sie die Chance, einen Einblick in Rahn Education zu bekommen, sowie dem Grassi Museum und dem Auerbachs Keller einen Besuch abzustatten.
Geschrieben von Martin Foth-Feldhusen
Leipzig, Samstag, 28.9.24, 10:00 Uhr.
Wir stehen auf dem de Hof des Rahn Education Campus Graphisches Viertel in der Salomonstraße 10 nahe der Innenstadt von Leipzig. Im „graphischen Viertel“ befinden sich viele Industriebauten aus der Glanzzeit der geographischen und anderen Verlage, die hier ihren Sitz hatten. Vor uns ein sorgfältig renovierter Industriebau. Wir werden im obersten Stockwerk im Besprechungsraum vom Geschäftsführer, Gotthard Dittrich und Birgit Lindermayr, Pressesprecherin der Rahn Education, empfangen.
Gotthard Dittrich ist Mitglied im Alumni-Verein. Er studierte in den 1970er Jahren an der Universität Bremen. Vor über 34 Jahren gründete er die gemeinnützige Schulgesellschaft Rahn Education in Leipzig. Heute hat der Träger über 40 Bildungseinrichtungen in Deutschland, Ägypten, Italien und Polen.
Gotthard Dittrich erzählt unterhaltsam von seiner Herkunft aus einfachen Verhältnissen in Nienburg, von seiner Ausbildung zum Kaufmann an der dortigen Handelsschule. Und schließlich dem Studium an der Bremer Hochschule für Sozialpädagogik und Sozialökonomie (HfSS), wo er das Fach Sozialökonomie wählte, das sich aber nicht als Wirtschaftsstudium, sondern als Studium der Ernährungswissenschaften entpuppte. Weshalb er konsequenterweise dann noch zwei Semester Wirtschaftswissenschaften im FB 7 der Uni Bremen studierte.
Bereits während des Studiums und auch danach arbeitet er in einem Handelsunternehmen, das norwegische Produkte in Deutschland vertrieb. Die Entscheidung Norwegens, der EU nicht beizutreten, machte die Vermarktung der norwegischen Produkte unrentabel. Ein Ausweg fand er nach einem Besuch auf der Leipzig-Messe in der Vermittlung von Kompensationsgeschäften mit der damaligen DDR. Dafür verlegte er 1984 seinen Wohnsitz nach Leipzig und wurde kurz vor der Wende noch Staatsbürger der DDR. Nach der Wende – Kompensationsgeschäfte waren nicht mehr nötig – begann er in Zusammenarbeit mit der Rahn-Schule in Nienburg mit dem Aufbau von privaten Handelsschulen in den neuen Bundesländern, um den Bedarf nach kaufmännischem Wissen zu befriedigen. Aus der 1990 gegründeten Firma entwickelt sich die gemeinnützige Rahn Education, ein Unternehmen, mit Hauptsitz in Leipzig. An seinen Standorten beschäftigt das Unternehmen ca. 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über 7.500 Lernende betreuen. Zum Portfolio gehören Kindertagesstätten, Grundschulen, Sekundar- und Oberschulen und Gymnasien, Fachoberschulen, Studienkollegs, Berufsbildungszentren sowie Musik- und Sprachschulen.
Allen Bildungseinrichtungen der Rahn Education liegen Werte wie Weltoffenheit, Internationalität und ein humanistisches Menschenbild zugrunde. Musikalisch-künstlerische Erziehung, Bewegung und Sport, Sprachen werden je nach Anforderung in Zusammenarbeit mit Pädagogen entwickelt und umgesetzt. Dabei sind immer die spezifischen Vorgaben der jeweiligen Bundesländer zu berücksichtigen.
Frau Lindermayr führte uns durch Teile des Campus und ermöglichte Einblicke in den Musikraum, den Kunstraum und in den Sportraum. Eindrucksvolles Beispiel für die Umsetzung des Bildungskonzeptes auf dem Campus Graphisches Viertel ist das Schumann-Haus in der benachbarten Inselstraße. Hier lebte von 1840 – 1844 das Komponisten-Paar Robert und Clara Schumann. Nach dem Erwerb des vom Verfall bedrohten Hauses und seiner aufwendigen Sanierung durch die Rahn/Dittrich GbR (heute: immobilien radi gbr) wurde in der ehemaligen Wohnung ein Musikmuseum für das Künstlerpaar eingerichtet. In den anderen Teilen des Hauses und im Hof hat die Freie Grundschule „Clara Schumann“ ihren Platz – natürlich mit musikalisch-künstlerischem Konzept!
Ein weiteres beeindruckendes Beispiel ist das Freie Gymnasium im Stift Neuenzelle, einem ehemaligen Zisterzienser-Kloster nahe der deutsch-polnischen Grenze. Es ist ein zentraler Pfeiler der „Deutsch-Polnischen Bildungsbrücke, kooperiert mit Partner-Institutionen in Polen: Nachbarn kennenlernen, Sprachen verstehen und kulturellen Austausch fördern sind Ziele der grenzübergreifenden Zusammenarbeit.
Abschluss unseres spannenden und informativen Besuchs war das Mittagessen in der Cafeteria auf dem Campus, während dem Gotthard Dittrich noch für zahlreiche Fragen zur Verfügung stand.
Wir danken Gotthard Dittrich und seinem Team für den herzlichen Empfang, die detaillierten Ausführungen und die köstliche Bewirtung. Wir wünschen allen weiterhin viel Erfolg.
Mehr über:
Dr. P. Rahn & Partner
Gemeinnützige Schulgesellschaft mbH
https://rahn.education
Geschrieben von Helga Rathjen
Neuerfindung - so beschreibt das Museum Grassi seinen Beitrag zur Dekolonisierung von Völkerkundemuseen. Wie das Museum den Perspektivwechsel realisiert, der damit eingefordert ist, ließen uns Dr. Birgit Scheps-Bretschneider (Abteilungsleiterin Provenienzforschung und Restitution), Kevin Breß (Projektleiter REINVENTING) und Christine Fischer (Wissenschaftliche Assistentin der Direktorin) eindrucksvoll spüren.
Da ist zum Beispiel der Umgang mit „sensiblem Sammlungsgut“ und ganz besonders mit den unsäglichen Knochensammlungen der Museen aus der Sicht der damaligen Opfer unvorstellbarer kolonialer Gewalt und ihrer Nachfahren. Die fordern heute selbstbewusst die Rückgabe derer ein, die seit über hundert Jahren in ihrer Gemeinschaft fehlen und betrauert werden. In Kooperationen, die Frau Dr. Scheps-Bretschneider als zuständige Kuratorin mit Herkunftsgesellschaften (Schwerpunkt Australien) eingeleitet hat, führt das Museum heute Restitutionen durch, die der sozialen Bedeutung der Dinge gerecht werden. Wenn es um menschliche Überreste geht, wird die Übergabe innerhalb der Museumsräume zeremoniell als repatriation, als Heimführung organisiert. Die Hintergründe zu diesen Akten, über die uns Frau Dr. Scheps-Bretschneider aufklärte, führen das Ausmaß und die Ungeheuerlichkeit kolonialer Gewaltausübung eindringlich vor Augen. In den Ausstellungen werden sie mit den Mitteln des Museums in dieser Eindringlichkeit inszeniert, etwa mit dem Mittel künstlerischer Intervention durch Verfremdung, Symbolisierung, Zuspitzung, das auch in anderen Ausstellungsbereichen angewendet wird. Dadurch ist der Perspektivwechsels nicht einfach Sachinformation, sondern ein berührender Erfahrungsraum: so kann eine Auseinandersetzung mit unserem kolonialen Erbe wirksam werden, und so könnte auch eine Zukunft ethnografischer Museen aussehen.
Auch der selbstkritische Umgang des Museums mit seinen kolonialen Sammlungsgeschichten und Präsentationformen ist ein Aspekt dieses Perspektivwechsels, den uns Herr Breß in den schon umgestalteten Ausstellungsbereichen vorstellte. Auch hier setzen die Ausstellungen künstlerische Interventionen zur Brechung gewohnter Sehweisen ein.
Da ist beispielsweise eine mit viel Symbolik aufgeladenen Aktion einer tansanisch-deutschen Künstlerinnengruppe zu besichtigen. Ziel ist die Rückgabe des von deutschen „Expeditions“teilnehmern verschleppte Gipfelsteins des Kilimandscharo an Tansania (damals „Deutsch-Ostafrika“) gefordert. Aus Steinen des Museumsbaukörpers – das Museum als Rohstoff der Restitution - werden „Replikate“ dieses Gipfels hergestellt und verkauft. Aus dem Erlös dieses crowd-funding-Projekts soll ein tatsächlich noch erhaltener Teil des Kilimandscharo-Steins aus einem Antiquariat zurückgekauft und zurückgegeben werden – und natürlich auf die umstrittenen Restitutionsfragen aufmerksam machen.
Auf einem ganz anderen Pfad führte uns Frau Fischer in die museale Spurensuche der DDR-Epoche: in die Abteilung „Völkerfreundschaften“; mittendrin ein „Indianerzelt“, wie es uns wohlvertraut ist aus den „Indianerspielen“ und tatsächlich aus diesem Kontext im Museum gelandet. Der Beweis für appropriation – die unangemessene Aneignung einer fremden Kultur? Sicher nicht, sondern ein Blick auf eine Nischenkultur, der die ostdeutschen Akteurinnen und Akteure nicht denunziert, sondern die besondere Beziehung der Bevölkerung zu dem Leben jenseits der engen Grenzen der DDR vorstellt. Als Fenster zu „der Welt draußen“ war das Völkerkundemuseum zum Sehnsuchtsort geworden und diente als Projektionsfläche einer ganz besonderen Popkultur der „Indianistik“-Klubs.
Das Museum Grassi hat uns experimentierfreudige und provokative Alternativen zu unseren musealen Sehgewohnheiten geboten - vielleicht als Impuls für die vielen kolonialen ethnografischen Sammlungen hier und für die Entstehung lebendiger und objektgesegneter Museumslandschaften in den Herkunftsländern?
Geschrieben von Dr. Bettina Kaemena
Ich hatte schon mal vorab geschaut in der prachtvollen, schicken Mädler - Passage, um mich zu orientieren. Von der Grimmaischen Straße aus sind es nur wenige Meter bis zum Ziel, dem geschichts- und literaturträchtigen, aus Goethes Faust weltbekannten Auerbachs Keller. Die überlebensgroßen Bronzefiguren von Mathieu Molitor weisen uns direkt auf den Keller hin.
Die Mädler-Passage war in der Nachwendezeit von Jürgen Schneider (man entsinnt sich: Der Wortschöpfer der unbedeutenden Peanuts) für nur 80 Millionen DM erworben und teilweise saniert worden. Die Commerzbank übernahm nach Schneiders Konkurs weite Teile der Passage, die später weiterverkauft wurden. Ein kleiner Teil gehört nach wie vor der Enkelin des Erbauers Mädler.
Jedenfalls saß ich mit einer sehr netten, sehr sächsisch sprechenden und die mir bis dahin unbekannte DDR – Zigarettenmarke Duett rauchenden Dame espressotrinkend vor dem Café Mephisto, Blickrichtung Auerbachs Keller.
Sie berichtete mir, dass es dort anstrengend sei. Ich werde schon sehen…. Und so sah ich, so sahen wir, unsere Bremer Alumni-Gruppe, im Keller unterhalb der Welt, was da so passiert:
Eine sehr große, wunderbar bemalte und reich verzierte Gewölbehalle, mit sehr vielen Gästen in lustiger Gesellschaft, sehr freundlichen und beachtenswert aufmerksamen Mitarbeitern eröffnete sich uns.
Alle Tische reserviert, ein enormes Kommen und Gehen von Gruppen, die wir dann im Lauf des Abends scherzhaft Kreuzfahrer genannt haben.
Das Essen war großartig, keineswegs Leipziger Allerlei.
Und wie es in einer Gewölbehalle so ist, es hallt. Es kann nur hallen. Es war ziemlich laut….
Und wenn denn mal alle gegangen sind, es Nacht wird und die schwankenden Gestalten den Keller verlassen haben…. Dann kann man sich gut vorstellen, dass Mephistopheles in seinem schwarzen wehenden Mantel gekleidet mal eine Runde dreht und sich in seinem unterweltlichen Reich umsieht…. Ob die alten Fässer und Weingeister noch alle da sind… und er vielleicht mit Faust über des Pudels Kern diskutieren kann...
Uns Bremern sind die Weingeister ja nicht unbekannt: In unserem ebenfalls unterweltlichen Ratskeller mit den Bremer Weingeistern und den Weinfässern kennen wir uns aus… Wilhelm Hauff hat sie beschrieben in seinen Phantasien.
Es war ein wunderbarer, doppelbödig inspirierender und inspirierter Abend, im Klein-Paris Leipzig, wir haben ihn in unser guten Alumni-Gesellschaft untereinander sehr genossen.
Ein großer Dank geht an die Organisatoren – Danke Alumni-Team!