Wichtig für die Energiewirtschaft: Offshore-Anlagen sollen zuverlässiger arbeiten
Es ist eine Frage von großer Bedeutung für die deutsche Energiewirtschaft: Wie sieht es mit der Lebensdauer der Leistungselektronik in Windenergieanlagen aus? Welche Umwelt- und Lastbedingungen spielen für die Lebensdauer eine Rolle? Für die Beantwortung dieser Fragen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie jetzt 11,5 Millionen Euro bereitgestellt. Diese Summe geht an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bremen und des Fraunhofer IWES in Bremerhaven – eine Auszeichnung für das Land Bremen als Wissenschaftsstandort. Gemeinsam mit Industriepartnern erforschen sie in den kommenden drei Jahren im Verbundprojekt „Multidimensionale Belastungen der Hochleistungselektronik von Windenergieanlagen“ – kurz „HiPE-WiND“ – wie sich die reale Lebensdauer der Leistungselektronik unter vielfältigen Einflüssen verändert.
Einflussfaktoren besser kennenlernen
„Wir wollen die Faktoren besser kennenlernen, die die Lebensdauer der Leistungselektronik beeinflussen“, erklärt Professor Bernd Orlik vom Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente (IALB) der Universität Bremen. „Die Ausfallursachen sollen grundlegend erforscht werden. Wir wollen Konzepte für eine Optimierung der Robustheit von Leistungselektronik entwickeln und diese dann auch experimentell überprüfen.“ Im Mittelpunkt stehe dabei die Offshore-Windenergie: „Bei Anlagen auf hoher See kommt es noch stärker als auf dem Land auf eine hohe Zuverlässigkeit an, denn für Reparaturen oder Wartungen kommt man dort nicht so schnell und einfach hin“, so Orlik. „Bislang ist noch zu wenig darüber bekannt, wie die speziellen Umweltbedingungen und Betriebssituationen, denen die jeweilige Leistungselektronik dort ausgesetzt ist, sich auf die Lebensdauer auswirkt.“ Professor Nando Kaminski (ebenfalls IALB) ergänzt: „Aus unseren bereits 2009 begonnen Vorarbeiten ist bereits bekannt, dass Feuchte besonders für die Leistungshalbleiterkomponenten kritisch ist. Elektrochemische Vorgänge wie Korrosion können schnell zum Ausfall der Bauelemente führen.“
Um zu fundierten und gleichzeitig anwendungsnahen Ergebnissen zu kommen, arbeiten Wissenschaft und Industrie bei „HiPE-WiND“ eng zusammen. Neben dem genannten IALB und dem Fraunhofer IWES sind die Unternehmen Enercon (Wobben Research and Development) GmbH, Breuer Motoren GmbH und wpd windmanager GmbH & Co. KG am Verbundprojekt beteiligt.
Starke multidimensionale Belastungen in der Windenergie
Die Leistungselektronik ist ein zentraler Teil von Windenergieanlagen, denn sie „steuert“ den elektrischen Energiefluss der Anlage. „Sie wird dabei sehr stark beansprucht“, erläutert Professor Jan Wenske vom Fraunhofer IWES. „Die Belastungen kommen von mehreren Seiten – den sich ständig ändernden Windbedingungen und den Belastungen aus dem Netz. Der Wind kann schwach oder stürmisch wehen und in kurzer Zeit starke Wechsel vollziehen; Netzbelastungen ergeben sich durch Spannungs- oder Stromstöße aufgrund von Schalthandlungen, Kurzschlüssen oder Blitzeinschlägen.“
Hinzu kommen vielfältige Umwelteinflüsse: große Temperatursprünge, stark schwankende Luftfeuchtigkeit bis hin zur Kondensation, Wechselwirkungen der verschiedenen mechatronischen Antriebsstrangsysteme untereinander. Selbst innerhalb eines Windparks können die Belastungen, denen die Leistungselektronik in den einzelnen Anlagen ausgesetzt ist, stark voneinander abweichen. Entscheidend für die Zuverlässigkeit und Lebensdauer einer Leistungselektronik ist letztlich immer die Kombination von Belastungen in der jeweiligen Anlage.
Multidimensionale Belastungsuntersuchungen im Labor
In Rahmen des Forschungsprojektes sind umfangreiche experimentelle Untersuchungen im Labor geplant. Dabei werden komplette Umrichtersysteme im Multi-Megawattbereich den unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt. Professor Orlik: „Wir wollen erforschen, wie sich die äußeren Umgebungsbedingungen der Stromrichter in den Innenraum übertragen. Welche Einflüsse ergeben sich daraus auf die dort befindlichen Bauteile und Komponenten? Welche Wirkung hat das – in Verbindung mit den elektrischen Lasten – für die Systemlebensdauer?“
Eine große Rolle spielen dabei die Konstruktionsvarianten der Stromrichter-Hersteller sowie die eingesetzten Bauteile und Komponenten, aber auch die Kühl- und Belüftungskonzepte. „Im Labor wird der gezielte Betrieb unter besonders kritischen Gesamtbedingungen simuliert. Dadurch wollen wir eine beschleunigte Alterung der Umrichterkomponenten erzwingen“, sagt Professor Wenske zum Projektansatz. Im Ergebnis wollen die Forscherinnen und Forscher effiziente Testprozeduren herausarbeiten, aber auch Hinweise auf Schwachstellen in der Systemhardware finden und analysieren. Durch die gezielte Beeinflussung der elektrischen Belastungen innerhalb der Anlage – also „smarte Betriebsführungsstrategien“ – will man eine Erhöhung der Umrichterlebensdauer erreichen.
10 Megawatt-Lastprüfsystem für Leistungselektronik geplant
Um die Hochleistungselektronik der Windenergieanlagen unter kombinierten klimatischen und elektrischen Belastungen realitätsnah untersuchen zu können, werden in Bremen in Kürze Test- und Versuchseinrichtungen entstehen. Hier werden dann ganze Stromrichter für Windenergieanlagen mit Leistungen bis 10 Megawatt vorher definierten Umweltbedingungen ausgesetzt. „Wie legen beispielsweise ganz bestimmte Abläufe von Temperaturschwankungen und Feuchtigkeitseinwirkungen fest. Im Klartext: Mal lassen wir die Stromrichter bei großer Kälte arbeiten, dann wieder bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit“, so Orlik. „Gleichzeitig werden sowohl die ‚normalen‘ elektrischen Belastungen als auch nachgebildeten Störungen und Systemwechselwirkungen beliebig oft ‚angewendet‘“.
Dieses Testsystem mit allen notwendigen Funktionsumfängen, skalierbarer Leistung und Betriebsspannung soll im Rahmen des Projektes zur Überprüfung von technischen Lösungen entwickelt, aufgebaut und in Betrieb genommen werden. Damit entsteht in der Hansestadt eine herstellerneutrale, multimodale Lastprüfeinrichtung für Hochleistungselektronik von heutigen und zukünftigen Windenergieanlagen.
Fragen beantworten:
Prof.Dr.-Ing. Bernd Orlik
Universität Bremen
Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente (IALB)
Tel. 0421/218-62680
E-Mail: b.orlikprotect me ?!ialb.uni-bremenprotect me ?!.de
Prof.Dr.-Ing. Jan Wenske
Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme
E-Mail: jan.wenskeprotect me ?!iwes.fraunhoferprotect me ?!.de
Weitere Informationen zu den Verbundpartnern unter
www.ialb.uni-bremen.de
www.iwes.fraunhofer.de
www.enercon.de
www.breuer-motoren.de
www.windmanager.de
Link zur original Pressemitteilung der Universität Bremen.