Forschungen könnten die Herstellung von OLEDs – dem „Licht der Zukunft“ – günstiger machen / Patentanmeldung läuft
Sie gehören zu den komplexesten Forschungsgeräten der Welt: Der Europäische Röntgenlaser European XFEL in der Metropolregion Hamburg und der Schweizer Röntgenlaser SwissFEL am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen. Die beiden Aufsehen erregenden Großanlagen – die Abkürzung FEL steht für „Freie-Elektronen-Laser“ – sind vor einigen Wochen in Betrieb gegangen. Wer damit forschen will, muss schon sehr gut sein – denn die Messzeit an diesen Großgeräten ist äußerst kostbar und nur die aussichtreichsten Vorhaben von hoher Qualität und Relevanz können die ultramodernen Röntgenlaser nutzen. Die Chemiker Dr. Matthias Vogt, Dr. Marian Olaru und Professor Jens Beckmann vom Institut für Anorganische Chemie und Kristallographie (IACK) der Universität Bremen zählen dazu. Und nicht nur das: Sie gehörten sowohl in Hamburg als „Early Users“ als auch aktuell in der Schweiz innerhalb von Pilotexperimenten zu den ersten internationalen Wissenschaftler-Teams, die die neuen Großanlagen für Experimente nutzen.
„Große Auszeichnung für meine Kollegen und mich“
„Für meine Kollegen und mich ist das eine große Auszeichnung“, sagt der Bremer Nachwuchswissenschaftler Dr. Matthias Vogt. Aktuell führt der Chemiker innerhalb einer Kooperation mit den Experten um Dr. Christopher Milne am renommierten Paul-Scherrer-Institut in Villigen Pilotexperimente mit dem brandneuen Röntgenlaser SwissFEL durch. Seine Forschungen bewegen sich auf einem Gebiet, das momentan als eine der interessanten Zukunftstechnologien weltweit sowohl in der Wissenschaft als auch der Wirtschaft im Zentrum der Aufmerksamkeit steht: OLEDs. Die Abkürzung bezeichnet organische LEDs, „das Licht der Zukunft“, wie Matthias Vogt sagt.
Gegenüber den herkömmlichen LEDs, die ihrerseits bereits ein Quantensprung bei der effizienten Erzeugung von Licht waren, haben OLEDs zahlreiche Vorteile. Sie sind wesentlich flexibler und äußerst energiesparend. „Künftige Anwendungen können beispielsweise flexible – also biegsame oder verformbare – Displays sein“, so der Bremer Chemiker zu den möglichen Anwendungen. „Auch für die Flächenbeleuchtung werden sie eines Tages eine wichtige Rolle spielen. Statt wie heute mit LED-Lampen spotähnliche Beleuchtung zu schaffen, wird man mit OLEDs Licht förmlich an Wände und Decken ‚tapezieren‘ können.“ Diese Lichtwände könnten dann ebenso ihre Farbe wechseln wie auch bewegte Bilder wiedergeben, also als Display funktionieren. Weil weltweit bis zu 30 Prozent der elektrischen Energie für Beleuchtung verwendet wird, ergibt sich durch die Energieeffizienz der OLEDs ein hohes wirtschaftliches Potenzial. Zudem gibt es eine wichtige ökologische Komponente: OLEDs würden massive CO2-Einsparungen ermöglichen.
OLEDs lassen sich sogar aufdrucken
„Man könnte OLEDs, die selbstleuchtend sind – also nicht wie aktuelle Displays und Bildschirme eine Hintergrundbeleuchtung brauchen – sogar in Flüssigkeiten lösen und ähnlich wie Farbe einfach aufdrucken. Das wird der Verpackungsindustrie ganz neue Wege eröffnen, wenn man Werbung oder Produktbezeichnungen einfach auf Behälter flexibel aufbringen und somit ‚smarte Verpackungen‘ designen kann“, nennt Matthias Vogt ein weiteres attraktives Einsatzgebiet. Dazu kommt die wesentliche größere Farbbrillanz und der höhere Kontrastreichtum der OLED-basierten Displays.
Die Grundlagenforschung der Bremer Wissenschaftler befasst sich allerdings nicht mit den später möglichen Anwendungen, sondern mit ganz konkreten Problemen der Lichterzeugung: „OLED-Displays werden bereits hergestellt und eingesetzt. Im Display des neuen Apple IPhone X wird beispielsweise eine OLED-basierte Technologie genutzt. Aber weil zur Herstellung von OLEDs sehr seltene Edelmetalle wie Iridium oder Platin genutzt werden, sind sie derzeit noch sehr teuer.“
Neue Substanzklasse auf Kupferbasis entwickelt
Für eine Massenanwendung müssen OLEDs also signifikant billiger werden. Genau dies wollen Matthias Vogt, Marian Olaru und Jens Beckmann ermöglichen – und sie sind auf einem guten Weg. Es ist ihnen nämlich in den Laboren ihres Uni-Instituts gelungen, eine neue Substanzklasse zu entwickeln, die auf Kupferverbindungen beruht. Auf molekularer Ebene haben sie einen Cluster von Kupferkernen geschaffen. Er ist fast vollständig von einer schützenden Hülle umschlossen, die auf Kohlenstoff und Phosphor basiert. „Eigentlich sind Kupfer-Kohlenstoff-Bindungen sehr labil und luftempfindlich. Wir konnten aber ein System schaffen, das äußerst stabil und robust ist.“ Weil dies ein wichtiger Schritt hin zu neuen wesentlich günstigeren Lichterzeugern bedeuten kann, hat das Chemiker-Trio zusammen mit der Universität Bremen mittlerweile eine Patentanmeldung für diese Erfindung eingereicht.
Denn die Vorteile der „Bremer Substanzklasse“ sind offensichtlich. Die Herstellung der neuartigen Kupfer-Cluster ist einfach und kostengünstig, die Lichtausbeute äußerst effizient. Gegenüber Umwelteinflüssen sind die Verbindungen widerstandsfähig, in organischen Lösungsmitteln sind sie sehr gut löslich und stabil. Der wohl wichtigste Faktor ist aber die günstige Produktion: „Kupfer ist auf der Welt in großen Mengen vorhanden. Und wenn etwas für den Massenmarkt tauglich sein soll, muss es eben günstig herzustellen sein“, so Matthias Vogt.
Großforschungsanlagen ermöglichen wichtige Schritte
Die Experimente mit den neuen Großforschungsgeräten SwissFEL am PSI in Villigen und European XFEL in der Metropolregion Hamburg ermöglichen den Bremer Chemikern jetzt weitere wichtige Schritte. Matthias Vogt ist ganz begeistert von den Möglichkeiten der riesigen Röntgenlaser, von denen es insgesamt weltweit nur fünf gibt: „Wunderwerke der Technik, geplant und realisiert von Spezialisten aus der ganzen Welt.“ Der Europäische Röntgenlaser in der Metropolregion Hamburg hat 1,22 Milliarden Euro gekostet. „Die Tunnel-Anlage ist 3,4 Kilometer lang und liegt bis zu 38 Meter tief“, erklärt Vogt.
Beiden Anlagen ist gemein, dass sie die hellsten Röntgenblitze der Welt erzeugen können. Diese sind nur Femtosekunden (billiardstel Sekunden) lang. In einer Sekunde können tausende Lichtblitze abgegeben werden. Diese Technologie soll neue Einblicke in Nanomaterialien, Biomoleküle und chemische Reaktionen schaffen – und genau das ist auch das Ansinnen von Matthias Vogt. Als Teil eines internationalen Teams von Wissenschaftlern aus der Schweiz, Dänemark, Russland und Deutschland sowie den Experten vor Ort war er vor einigen Wochen gemeinsam mit Marian Olaru in Hamburg einer der ersten Nutzer der neuen Möglichkeiten – und ist es nun aktuell in der Schweiz. „Mit den neuen Röntgenlasern können wir erstmals detailliert verfolgen, was in unseren Verbindungen im angeregten Zustand strukturell passiert. Wir können also genau die ultra-schnellen Prozesse untersuchen, die zur Lichtemission wichtig sind‚‘“, so Vogt. „Das war vorher nicht möglich.“
Molekularen Prozessen auf der Spur
Während man in Hamburg den inneren Kupferkern untersucht habe, konzentriert man sich in der Schweiz jetzt gezielt auf die umhüllende Kohlenstoff-Phosphor-Schicht. Die Technologie, die am SwissFEL zur Verfügung steht, erlaubt es speziell diese feinen Strukturen im Detail zu untersuchen. „Für uns sind die Beobachtungen und Ergebnisse aus den Versuchsreihen unglaublich wichtige Informationen“, sagt der Bremer Chemiker. „Als Grundlagenforscher wollen und müssen wir natürlich nachvollziehbar wissen, welche Reaktionen und Geschehnisse auf molekularer Ebene ablaufen. Nur dann wissen wir auch, an welchen Stellschrauben wir drehen müssen, um unsere Entwicklung noch besser und effizienter zu machen.“ Das Licht der Zukunft soll eine gute Grundlage haben.
Fragen beantwortet:
Dr. Matthias Vogt
Universität Bremen
Institut für Anorganische Chemie und Kristallographie (IACK)
Telefon: 0152/36680126 oder 0421/218-63162
E-Mail: mavogtprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
Web: www.vogt-group-chem.org
Link zur original Pressemitteilung der Universität Bremen.