Sommersemester 2017: "Bremen so frei" und "Bilder einer Ausstellung"

Henning Scherf kurz vor Beginn des Festes im Gespräch mit Mitgliedern des Uni-Chors.

"Bremen so frei - Ein Fest in 11 Liedern"

Wie die Idee entstand...

Der ehemalige Bremer Senatsbaudirektor Eberhard Kulenkampff hatte die Idee, sich am 1. Juni jeden Jahres auf dem Bremer Marktplatz mit ganz vielen Menschen gemeinsam singend die Geschichte Bremens zu vergegenwärtigen und damit das Glück, in Bremen zu leben, zu feiern. Er konnte den ehemaligen Bremer Bürgermeister Dr. Henning Scherf dafür begeistern und der wiederum gewann die Universitätsmusikdirektorin Dr. Susanne Gläß dafür, eine musikalische Konzeption zu entwickeln und umzusetzen. Sie stellte die Kinder ins Zentrum des Mitsingfestes. Die zu komponierenden Lieder sollten so sein, dass sowohl Kinder ab der 3. Klasse als auch Erwachsene sie gerne singen. Alles Material - Noten, Texte, Erläuterungen und Hörbeispiele - sollte im Internet kostenlos für alle verfügbar sein, überhaupt sollte das Projekt für alle, die mitsingen, umsonst sein. Inhaltlich sollte es um die Bremer Geschichte gehen, die in den Schulen in der 4. Klasse auf dem Lehrplan steht, aber die Lieder sollten auch die Gefühle ansprechen. Stilistisch sollte die Musik von heute sein und zu Bremen passen; sie sollte sich nicht altbacken anhören, aber auch nicht kompliziert und auch nicht modisch.

Und so wurde die Idee dann umgesetzt...

Erfreulicherweise gibt es in Bremen eine sehr produktive kleine Traditionslinie, Lieder zu komponieren und zu texten, der der stilistische Spagat gelingt, weder nach Wandervogel-Liedern zu klingen noch kommerzielle Massenware zu sein, und die sich trotzdem richtig gut singen lassen und eindeutig frisch und von heute sind. In den 1960er, 1970er und 1980er Jahren war Günther Kretschmar der bekannteste Name in dieser Gruppe von untereinander befreundeten Bremer Musiker*innen und Komponist*innen, zu der aber auch Margarete und Wolfgang Jehn mit der von ihnen gegründeten Worpsweder Musikwerkstatt zählen. Deren Söhne, David und Nicolas Jehn, die „Gebrüder Jehn“, setzen diese Bremer Tradition inzwischen schon seit vielen Jahren erfolgreich fort. Sie konnten für die Komposition der Lieder gewonnen werden.

Für die Texte..

... holten David und Nicolas Jehn die Bremer Regisseurin und Textdichterin Imke Burma ins Boot. Ihr ist es gelungen, die Bremer Geschichte lebendig zu machen, indem sie sie in kleine Geschichten mit Gefühl und Witz verpackt hat. Schön ist das an dem Lied über das Linzer Diplom zu hören: "Was soll unsere Freiheit kosten?" Zusätzlich hat Imke Burma vielen Texten eine bremische Farbe verliehen, indem sie auf ganz natürliche Weise Wendungen aus der bremischen Alltagssprache eingeflochten hat wie „nix da“, „‘n büschen“ oder „Kinners“ oder sogar gelegentlich plattdeutsche Wendungen eingebaut hat.

Und so wurden 11 neue Lieder gedichtet und komponiert:

Lieder im Mittelaltersound, Gassenhauser wie das "Linzer Diplom", ein Kanon, ein Blues und swingende Lieder. Die Geschichte Bremens ist das Hauptthema, aber auch die Landschaft, ganz besonders die Weser, die Menschen in Bremen, ihre Werte und nicht zuletzt auch Bremer Geschichten spielen eine wichtige Rolle: die Gluckhenne, Gräfin Emma und die Sieben Faulen. 

Almut Jehn schuf das Logo mit der Henne, die oben auf der Bremer Düne sitzt.
Gemeinsam mit Christian Weber (links) und Carsten Sieling (rechts) stellt Susanne Gläß auf der Senatspressekonferenz das Projekt offiziell vor.

Die neuen Lieder wurden eifrig gelernt

Die Lehrkräfte lernten in Fortbildungen im Landesinstitut für Schule (LIS) die einstimmigen Fassungen der Lieder und gaben sie an ihre Schülerinnen und Schüler weiter. Die Chöre, darunter natürlich auch der Chor der Universität, probten die mehrstimmigen Versionen der Lieder. Alle Menschen, die weder Mitglied in einem Chor noch in einem Gesangsverein waren, besuchten Workshops an Sonntagnachmittagen in der Universität bei Susanne Gläß oder lernten die Lieder selbständig zu Hause mit den Noten und Musikbeispielen aus dem Internet. 

All das war für alle kostenlos und nur deshalb möglich, weil Spenderinnen und Spender großzügig für das Projekt Geld gegeben hatten. Der Bremer Bürgermeister, Dr. Carsten Sieling, und der Präsident der Bremischen Bürgerschaft, Christian Weber, hatten die Schirmherrschaft übernommen und die Medien hatten vorab ausführlich berichtet.

Schließlich schien am 1. Juni die Sonne strahlend blau vom Bremer Himmel...

... und mehr als 4000 Menschen versammelten sich morgens um 10 Uhr auf dem Bremer Marktplatz, der Chor der Universität mittendrin vor dem Roland, und alle sangen friedlich und gutgelaunt gemeinsam die neu komponierten Lieder von "Bremen so frei"

Und danach?

2017 bestand das Bundesland Bremen 70 Jahre; auch das wurde mit dem Mitsingfest am 1. Juni gefeiert. Aber die Feier ging noch weiter; am Pfingstsonntag, den 4. Juni, wurde im Rathaus aus diesem Anlass der "Welterbetag" gefeiert; auch hier trat der Chor der Universität auf, dieses Mal ganz alleine, nur am Klavier begleitet von Jens Schöwing, und sang die 11 Lieder von "Bremen so frei" vierstimmig. Kurz vor Ende des Semesters haben Mitglieder des Chores die Lieder in der vierstimmigen Fassung noch schnell auf Video dokumentiert und auf den YouTube-Kanal von Orchester & Chor hochgeladen, um nachfolgenden Generationen von Chorsängerinnen und Chorsängern das Lernen zu erleichtern. Dabei gibt es von jedem Lied fünf Versionen: je eine, bei der der Sopran, der Alt, der Tenor oder der Bass hervorgehoben ist , und schließlich eine, bei der alle vier Stimmen gleich gewichtet sind. Denn die Chancen stehen gut, dass das Fest am 1. Juni 2018 wiederholt wird...

Das Orchester spielt Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" für Menschen, die nicht oder schlecht hören.

Drei Partnerinnen haben dieses Projekt gemeinsam umgesetzt: Die Initiative ging von Prof. Dr. Eva Verena Schmid, Professorin für Musikpädagogik am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Universität Bremen, aus. Die Konzertpädagogik allgemein ist eines ihrer Forschungsthemen. Unter Anwendung der Methode des Forschenden Lernens hat sie mit Studierenden die Möglichkeiten einer Konzertpädagogik für Hörbehinderte erprobt. Sie gewann die Universitätsmusikdirektorin Dr. Susanne Gläß und das Orchester dafür, die Musik beizusteuern; das Bremer Konzerthaus "Die Glocke" mit seiner Reihe "Musik im Ohr" für Kinder und Jugendliche führte die Veranstaltung unter Leitung von Katrin Anders unter seinem Dach durch. Die Studierenden bereiteten im Seminar und durch betreute Unterrichtsversuche in Schulen im Vorfeld die Kinder auf den Besuch des Konzertes vor; dabei waren zum Konzert nicht nur hörbehinderte eingeladen, sondern auch Kinder ohne Hörprobleme. Insgesamt waren 650 Kinder im Konzert in der Glocke. Während des Konzerts kommentierte und übersetzte die auf Übersetzung von Musik spezialisierte Gebärdendolmetscherin Laura M. Schwengber das akustische Geschehen. Gerade auch die Kinder ohne Hörprobleme zeigten sich begeistert von der Übersetzung in Gebärdensprache; insofern förderte das Konzert als Nebeneffekt auch ein besseres Verständnis hörender Kinder für ein Leben ohne oder mit eingeschränktem Hören.

Das Werk, mit dem sich das Orchester der Universität an diesem Projekt beteiligte, war Modest Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" in der Orchestrierung von Maurice Ravel. Mussorgski hatte dieses Werk 1874 für Klavier solo komponiert; Ravel hat es 1922 für großes Orchester instrumentiert. In diesem Werk gelingt es beiden Komponisten in einmaliger Weise, die optischen Eindrücke in Klang zu übertragen. Damit den Kindern, die nicht oder schlecht hören, der optische Nachvollzug der Gefühle, die durch Musik ausgedrückt werden, erleichtert wird, hat das Orchester speziell an seiner Bühnenpräsenz gearbeitet. Dabei wurde es dankenswerterweise gecoacht von Ines Köhler und Dirk Ehlers (Bremer Philharmoniker) und von Anselm Hauke (Bremer Kaffeehaus-Orchester).

Die Gebärdendolmetscherin Laura M. Schwengber übersetzt Mussorgskis Musik in Gebärdensprache.

Ausführende, Konzertdaten und detailliertes Programmblatt

Damit auch die breite Öffentlichkeit beide Programmteile von Orchester & Chor erleben konnte, wurden sie am Mittwochabend, den 14. Juni um 19.30 Uhr noch einmal gemeinsam im Garten des "Haus am Walde" aufgeführt, zuerst das Orchesterwerk, dann die Lieder "Bremen so frei" konzertant in der Fassung für vierstimmigen Chor. Auch bei diesem Konzert war Laura Schwengber anwesend und hat Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" in Gebärdensprache übersetzt. Benny Grenz hat den Chor bei diesem Konzert am Klavier unterstützt. 

Ausführende

Orchester & Chor der Universität Bremen, Leitung Susanne Gläß

Korrepetition der Chorproben des Chores der Universität Bremen: Stefanie Adler

Coaching der Holzblasinstrumente des Orchesters der Universität Bremen: Dirk Ehlers (Bremer Philharmoniker)
Coaching der Blechblasinstrumente des Orchesters der Universität Bremen: Ines Köhler (Bremer Philharmoniker)
Coaching der Streichinstrumente des Orchesters der Universität Bremen: Anselm Hauke (Bremer Kaffeehaus-Orchester)

Auftritte und Konzerte

Chor mit "Bremen so frei - Ein Fest in 11 Liedern":
Donnerstag, 1. Juni, 10 Uhr, Bremer Marktplatz als Teil des Mitsingfestes mit mehr als 4000 Sängerinnen und Sängern
Sonntag, 4. Juni, 15 Uhr, Obere Halle des Bremer Rathauses

Orchester mit Modest Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" in der Bearbeitung für großes Orchester von Maurice Ravel:
Mittwoch, 14. Juni, 11 Uhr, Glocke/Großer Saal

Orchester & Chor gemeinsam mit ihren jeweiligen Programmen:
Mittwoch, 14. Juni, 19.30 Uhr, Garten des "Haus am Walde"/Bremen, Programmblatt

Susanne Gläß dirigiert das Orchester der Universität Bremen im "Haus am Walde".