Prof. Dr. Eva Quante-Brandt

© Uni Bremen Prof. Dr. Eva Quante-Brandt

Grußwort

Meine verehrten Damen und Herren,

auch in diesem Jahr haben die Veranstalter der Bremer Universitäts-Gespräche ein Thema von hoher gesellschaftspolitischer Bedeutung und Dringlichkeit gewählt. Es geht – auf den Punkt gebracht – darum, wie die Zukunft von Medien, Kommunikation und Information unsere Gesellschaft verändert.

Medien, Kommunikation und Information gehören zu einem Bereich, der sich gegenwärtig am dynamischsten entwickelt. Viele Kommunikationsphänomene, die heute den Alltag prägen wie das Smartphone und die Möglichkeit, always on zu sein, waren noch vor einem Jahrzehnt in dieser Tragweite nicht vorhersehbar. Das gleiche gilt für die aktuelle Diskussion um Big Data beziehungsweise digitale Fußabdrücke, also die Vielzahl der Spuren, die wir mit digitalen Medien hinterlassen. Alles spricht dafür: Auch die Zukunft im Bereich von Medien, Kommunikation und Information wird sich hochdynamisch entwickeln. Dabei geht es zum einen darum, die Potenziale – wie neue Möglichkeiten der Vernetzung – zu sehen, aber auch die erheblichen Risiken. Häufig hängt beides eng miteinander zusammen.

Der Wandel von Medien, Kommunikation und Information betrifft das Individuum ebenso wie unser Gemeinschaftsleben als auch die Organisationen, in denen wir leben und arbeiten. Er ist ein sehr umfassendes Phänomen und muss als solches verstanden werden.

Gleichzeitig betrifft der Einschnitt, mit dem wir dabei konfrontiert sind, nicht mehr nur ein einzelnes Medium, das die Innovation ausmacht. Es geht also nicht einfach um das World Wide Web oder das Mobiltelefon. Der Einschnitt ist darin zu sehen, dass bei nahezu allem, was wir tun, heutzutage Medien eine Rolle spielen. Das wissenschaftliche Stichwort dafür ist Mediatisierung, also die umfassende Durchdringung verschiedenster Bereiche von Kultur und Gesellschaft mit technischen Kommunikations- und Informationsmedien.

Genauso dynamisch wie sein Gegenstandsbereich hat sich auch das Forschungsfeld entwickelt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert beispielsweise Forschergruppen zur „Politischen Kommunikation in der Online-Welt“ oder das in Bremen koordinierte Schwerpunktprogramm „Mediatisierte Welten“. Das BMBF hat gerade eine Initiative zur Förderung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung zur Digitalisierung gestartet. Auch international gibt es eine Vielzahl vergleichbarer Programme.    

Die gesellschaftlich so relevante Frage, was der umfassende Wandel von Medien, Kommunikation und Information gerade in seinem medienübergreifenden Charakter bedeutet und welche Mechanismen der Transformation hier bestehen, ist bisher in seiner Komplexität nicht erfasst.

Bisherige Forschungen bezogen sich eher auf einzelne Phänomene, häufig getrieben vom aktuellsten neuen Medium. Es liegen bisher keine Theorien und kein Modell vor, wie wir solche Wandlungsprozesse übergreifend beschreiben und erklären können. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Forschung in den verschiedenen Feldern nicht hinreichend zusammengeführt wurde und dabei Kommunikations- und Medienwissenschaft noch nicht intensiv genug mit den anderen Disziplinen zusammen arbeiten. Aber gerade vor dem Hintergrund des umfassenden gesellschaftlichen Wandels, der mit dem Wandel von Medien, Kommunikation und Information zusammen hängt, ist eine interdisziplinäre Forschung notwendig, in der der Kommunikations- und Medienwissenschaft eine wichtige Integrationsleistung zukommt.

Es ist klar, dass ein solches Unterfangen eine umfassende Herausforderung bedeutet, nicht nur für die Kommunikations- und Medienwissenschaft, sondern auch für andere Sozial- und Geisteswissenschaften, die sich mit Medien, Kommunikation und Information befassen, genauso wie für die Informatik als technisches Gestaltungsfach, das breit mit den Sozialwissenschaften kooperieren muss. All diese interdisziplinären Kooperationen müssen sich auf einer Augenhöhe begegnen, wenn hieraus fruchtbare Forschung entstehen soll.

Bremen hat dabei als Standort eine sehr große Besonderheit:

  • Die Kommunikations- und Medienwissenschaft war von Beginn an sehr breit aufgestellt in ihrer Kooperation mit Kultur- und Sozialwissenschaften.
  • Bremen hat eine Informatik, in der einzelne Forscherinnen und Forscher seit längerem an sozialwissenschaftlichen Perspektiven interessiert waren und sind.
  • Beides fand vor zehn Jahren zusammen in dem heutigen ZeMKI, dem Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung an der Universität Bremen.
  • Daneben haben wir im Land Bremen noch das Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) als außeruniversitäres Forschungsinstitut, das sich mit dem Einsatz, Nutzen und Management von Informationstechnik und der Integration digitaler Medien beispielsweise im Bildungssektor beschäftigt. Auch dieses Institut arbeitet an der Schnittstelle zwischen Informatik und den Sozialwissenschaften.
  • Fest verankert sind das ZeMKI und das ifib in einem von sechs Wissenschaftsschwerpunkten der Universität Bremen: Minds, Media, Machines.

Die Stärke des Standorts Bremen ist also, dass hier Kommunikations- und Medienforschung von vornherein in hohem Maße interdisziplinär aufgestellt sind und die Kommunikations- und Medienwissenschaft ein Brückenfach ist, das die Sozial- und Kulturwissenschaften mit der Informatik verbindet.

Gleichzeitig ist die Kommunikations- und Medienwissenschaft in Bremen breit international sichtbar. So gilt sie als einer der führenden Standorte der Mediatisierungsforschung, also dem Bereich der Kommunikations- und Medienforschung, der sich mit der zunehmenden Durchdringung von Kultur und Gesellschaft durch Medien befasst.

Wie zielführend diese Profilierung ist, zeigt die dynamische Entwicklung der Bremer Kommunikations- und Medienwissenschaft bereits in den letzten zehn Jahren: Von einer Professur ist das Fach – unter anderem getragen durch einen Development Fund der Exzellenzinitiative – angewachsen auf fünf Professuren. Eine weitere Juniorprofessur zu Mediengesellschaft mit dem Schwerpunkt Digitalisierung wird gerade besetzt. 

Dabei koordiniert die Bremer Kommunikations- und Medienwissenschaft gegenwärtig mit dem Schwerpunktprogramm „Mediatisierte Welten“ das einzige DFG-Schwerpunktprogramm, das dezidiert zum Thema Medien- und Kommunikationswandel besteht und bindet hier auch herausragende Soziologen mit ein – ein Brückenschlag, der mehr als notwendig ist. In harter Konkurrenz und in einem internationalen Begutachtungsverfahren hat das ZeMKI daneben eine Creative Unit aus der Exzellenzinitiative eingeworben, die nun seit zwei Jahren sich damit befasst, wie eine empirisch-konzeptionelle Anlage der Forschung aussehen muss, wenn man den gesellschaftlichen Einfluss des Wandels von Medien und Kommunikation medienübergreifend erfassen möchte.

Dabei wurde eine nachhaltige Kooperation und Partnerschaft mit dem Hans-Bredow-Institut (HBI) an der Universität Hamburg aufgebaut, einer der ältesten unabhängigen wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen im Feld von Medien und Kommunikation.

Gemeinsam haben das Bremer Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung und das Hamburger Hans-Bredow-Institut nun ein Konzept für einen Sonderforschungsbereich entwickelt, der erstmals den Wandel von Medien, Kommunikation und Information und dessen Einfluss auf die Gesellschaft medienübergreifend erfassen will. Der Vollantrag soll in Kürze bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingereicht werden. Und wir alle hoffen, dass wir die Einrichtung dieses SFBs in etwas mehr als einem Jahr feiern können.

Ganz unabhängig davon, wie dies ausgehen wird, steht aber schon jetzt fest: Hier wurde ein Programm entwickelt, das die Zukunft der Forschung zu Medien, Kommunikation und Information nachhaltig mitbestimmen wird, sowohl national, aber auch international. Dafür steht bei diesen Bremer Universitäts-Gesprächen der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Sonia Livingstone von der London School of Economics and Political Science (LSE). Sie ist eine der renommiertesten internationalen Kommunikations- und Medienwissenschaftlerinnen und als einzige Fachwissenschaftlerin Trägerin des Officer of the Order of the British Empire (OBE), eine Auszeichnung die sie 2014 „for services to children and child internet safety“ erhielt. 

Meine Damen und Herren, ich bin sehr gespannt auf Ihre Tagungsergebnisse.