BUG 2018
Liberale Demokratien unter Stress: Ökonomische Ungleichheit, kulturelle Vielfalt und Populismus
31. Bremer Universitäts-Gespräche am 15. und 16. November 2018
Das Thema
Aktuelle Beobachtungen westlicher liberaler Demokratien legen nahe, dass diese zunehmend und auf vielfältige Weise unter Stress geraten. Erstens gilt dies auf der Ebene des politischen Systems, wo lange Zeit als normal geltende Verfahrensformen, normative Standards und Umgangsformen liberaler Verfassungsstaaten neu befragt werden, insbesondere anhand einer zunehmenden Kritik an einem vermeintlichen links-liberalen, eher universalistischweltbürgerlich ausgerichteten Konsens. Verhandelt wird diese Form der Infragestellung jüngst häufig unter Verweis auf populistische, vor allem rechtspopulistische Bewegungen; etwas älter und vielleicht momentan medial weniger präsent ist die ebenso liberalismuskritische Infragestellung durch eher linke, z.B. globalisierungskritische Bewegungen. Wo von rechts vor allem der kulturelle Liberalismus bekämpft wird, gerät von links vor allem der ökonomische Liberalismus in die Kritik. Beide Formen der Infragestellung deuten darauf hin, dass der Druck auf das politische System mit einem zweiten, gesellschaftlichen Stressfaktor verbunden ist, nämlich mit verschiedenen Formen von Ungleichheit und kultureller Differenz, die sich auf komplexe Weise überlagern. Wir können zwei Ungleichheitsdynamiken identifizieren, die in ihrer Wechselwirkung zu einer zunehmenden Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts führen. Zum einen sehen wir, wie sich nicht nur ökonomische Lebenslagen, sondern damit zusammenhängend auch die Lebenswelten und Lebensführungsmuster sozialer Gruppen auseinanderentwickeln, die sich wechselseitig immer weniger zu berühren und zu verstehen scheinen. Eine zweite Ungleichheitsdynamik lässt sich in Tendenzen einer zunehmenden Statuskonkurrenz innerhalb sozialer Gruppen ausmachen, und hier insbesondere auch in den Mittelschichten, die sich auf Bildungs-, Arbeits- und Finanzmärkten ebenso wettbewerblich und kompetitiv-vergleichend gegenüberstehen wie auf digitalisierten Partnerschaftsmärkten oder in sozialen Netzwerken. Es steht also zur Debatte, ob man auf lange Frist gesehen von einer breiten gesellschaftlichen Mitte noch jene Integrationsleistungen erwarten kann, die für das Funktionieren liberaler Demokratien gesellschaftlich unerlässlich sind. Die Bremer Universitätsgespräche 2018 wollen sich dieser gegenwärtigen Stresskonstellation westlicher liberaler Demokratien vertiefend widmen, in dem sie den Blick auf beide Stressfaktoren – die politische Infragestellung eines lange als stabil geglaubten normativen und prozeduralen liberal-demokratischen Konsenses einerseits und Dynamiken der ökonomischen Ungleichheit und der kulturellen Differenz andererseits – miteinander in Beziehung setzen. Zu diesem Zweck werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Gesellschaft auf vier Panels zu folgenden Schwerpunkten diskutieren: (1) Populismus; (2) Demokratie; (3) Soziale Ungleichheitsdynamiken; (4) Kulturelle Differenz und Identitätspolitiken.