Begrüßung, Tischrede
32. Bremer Universitäts-Gespräche: Alternde Gesellschaft – Zukunftsszenarien zwischen Chancen und Risiken
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie sehr herzlich hier in der Sparkasse Bremen. Wieder einmal kommen wir zu den Bremer Universitäts-Gesprächen zusammen. Das diesjährige Thema lautet: „Alternde Gesellschaft – Zukunftsszenarien zwischen Chancen und Risiken”. Ein unglaublich spannendes Thema! Vor allem ist dies auch ein Thema, bei dem jede und jeder mitreden kann – und dies auch tut. Schließlich werden die meisten von uns immer älter: manche – wie ich – werden nicht älter und bleiben so wie sie sind, aber auch solche Menschen können sich mit etwas Phantasie und Empathie in das Schicksal der älter werdenden Menschen hineinversetzen.
Vor wenigen Monaten hat mir ein Freund ein wunderbares Buch geschenkt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn ich habe erst rund 3.500 Bücher. Es war ein Buch von dem englischen Historiker Ian Mortimer: „Centuries of Change”[i]. Es hat mir noch einmal den Blick geöffnet dafür, dass nicht nur wir, sondern auch schon Gesellschaften weit vor uns einen tief greifenden Wandel erlebt haben. Nachdem ich das Buch durchgelesen hatte, habe ich mir überlegt, wie wohl im Rückblick die wichtigsten Changes des 21. Jahrhunderts benannt würden. Meine Prognose nach dem ersten knappen Fünftel des Jahrhunderts lautet „alternde Gesellschaften” (mit immer mehr alten Menschen) kommt unter die Top 3.
Aber bleiben wir bei den Senioren: Das Dumme an der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ist, das wir Silver Agers in unserer Jugend zu viele waren (Baby Boomer) um einzeln ernst genommen zu werden; das war den Älteren vorbehalten, denn die waren rar, und was rar ist, das ist wertvoll. Nun sind wir erfahren, und jetzt schwindet der Respekt vor dem Alter rapide, denn heute sind in unserer Gesellschaft die Jungen rar, und deshalb sind sie wertvoll. Außerdem ist das Erlebnis des Alters oder der Alten nicht mehr nur die gütige Weisheit derjenigen, die Vieles erlebt und Viele überlebt haben, sondern auch die körperliche Gebrechlichkeit und grassierende Demenz bei denjenigen, die ihren 90. oder sogar 100. Geburtstag überlebt haben. Als Mensch von 90 oder 100 Jahren und als Ehepaar nach der goldenen oder diamantenen Hochzeit (60 Jahre) war man früher hoch angesehen. Heute halten Karam und Kartari Chand den Rekord. Karam (* 10. November 1905; † 30. September 2016) und Kartari Chand (* 1. November 1912) aus Bradford (Großbritannien) haben ab dem 11. Dezember 1925 eine 90 Jahre und 9 Monate währende Ehe geführt.
Die Sache ist also nicht einfach, aber das prädestiniert das Thema für die Bremer Universitäts-Gespräche. Nahe liegend wäre, wenn ich Ihnen als Banker heute Tips für die Altersvorsorge geben würde (erstens Fitnessstudio und zweitens Beschäftigung mit Wissenschaft). Ich habe mich aber entschieden Ihren Erwartungen nicht zu entsprechen und biete Ihnen statt dessen einige Gedanken an zu den ethischen Fragen einer Gesellschaft bestehend aus Bürgern auf dem Weg in die Unsterblichkeit. Dabei liegen mir drei Probleme besonders am Herzen:
- Wie erhalten wir uns unsere Freiheit?
- Wie erleben wir den Sinn des Lebens in einem sehr langen Leben? und
- Wie sieht eine Generationengerechtigkeit in solch einem Umfeld aus?
Auf dem Weg in die Unsterblichkeit
Aus der Wirtschaftsgeschichte wissen wir, dass vor 1800 das Einkommen pro Person, also Essen, Kleidung und Unterkunft pro Kopf zwischen Gesellschaften und Epochen variierte. Aber es gab keinen Aufwärtstrend! Ein einfacher, aber mächtiger Mechanismus, die „Malthusianische Falle”, hatte festgeschrieben, dass kurzfristige Gewinne durch technologischen Fortschritt unweigerlich durch entsprechendes Bevölkerungswachstum aufgezehrt wurde. Deshalb kann man sagen, dass der durchschnittliche Mensch in der Welt von 1800 nicht besser dastand als ein durchschnittlicher Mensch von 50.000 vor Christus. Tatsächlich war ein großer Teil der Weltbevölkerung von 1800 ärmer als unsere frühen Vorfahren. Die Lebenserwartung um 1800 war nicht höher als in den Jäger und Sammler-Gesellschaften: 30 bis 35 Jahre.[ii]
Seitdem ist die Lebenserwartung, also das erwartete Alter, welches für einen Menschen zum Zeitpunkt seiner Geburt veranschlagt wird, besonders in der westlichen Welt, aber auch weltweit dramatisch auf nunmehr über 70 Jahre gestiegen. Heißt dies, dass alle Menschen älter geworden sind? Nein! Zwei wesentliche Faktoren haben den Anstieg der Lebenserwartung bewirkt: die sinkende Kindersterblichkeit und die abnehmende Gewalt in der Welt, also die Wahrscheinlichkeit durch Gewalt frühzeitig ums Leben zu kommen.
Ein wesentlicher Einfluss auf die Lebenserwartung ist die Sterblichkeitsrate von Kindern. Sowohl im Mittelalter, als auch (abgeschwächt) in den Entwicklungsländern der heutigen Zeit ist die Sterberate von Kindern bei der Geburt oder in den ersten Lebensjahren überproportional hoch. Nach den Erkenntnissen der Historiker hatten in früheren Gesellschaften Kinder, die die ersten gefährlichen Jahre überlebt hatten, eine gute Chance ein Alter von sechzig Jahren zu erreichen und einige wurden auch damals schon über achtzig Jahre.[iii] Entgegen der allgemeinen Auffassung waren auch in früheren Jahrhunderten über 70Jährige keine Ausnahme der Natur: Galileo Galilei starb mit 77 Jahren, Isaac Newton mit 84 und Michelangelo lebte bis 88 ohne die Hilfe von Antibiotika, Impfungen oder Organ-Transplantationen.[iv] Aber noch im England des 17. Jahrhunderts waren ein Drittel aller Kinder tot bevor sie das fünfzehnte Jahr erreichten, heute sterben nur noch 0,7 Prozent aller Kinder vor 15.[v]
Ein zweiter wesentlicher Einfluss auf die Lebenserwartung war die Gewalt. Viele anthropologische und archäologische Studien lassen es als realistisch erscheinen, dass in einfachen Agrargesellschaften ohne politische Institutionen jenseits von Dorf und Clan menschliche Gewalt Ursache für rund 15 Prozent der Todesfälle war, bei den Männern sogar für 25 Prozent.[vi] Im Jahre 2000 dagegen hatten nur noch rund 1,5 Prozent aller Todesfälle auf der Welt ihre Ursache in Krieg oder Gewaltkriminalität.[vii]
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die bisherige Erhöhung der menschlichen Lebenserwartung im Wesentlichen darauf beruht, dass durch technologischen Fortschritt und die fortentwickelte Zivilisation Ursachen für frühzeitigen Tod zurückgedrängt werden konnten. Doch nun steht die Menschheit möglicherweise an der Schwelle zu einer neuen Entwicklung: der durch medizinischen Fortschritt immer weiteren Zurückdrängung natürlicher Todesursachen, was zwar noch nicht zu Unsterblichkeit führt, aber zu einem Aufschub der Sterblichkeit. Was bleibt sind dann noch Unfälle und Ähnliches.
Sind wir dann aller Probleme ledig? Nein!
Wie erhalten wir uns unsere Freiheit?
Ein Aufschub der Sterblichkeit kann wahrscheinlich nur erreicht werden, wenn die Menschen sich nicht nur auf die Medizin verlassen, sondern auch selbst einen gesunden Lebenswandel betreiben. Dazu gehören aber Disziplin und Selbstdisziplin. Schließlich heißt es ja: Die wichtigsten Dinge im Leben, die Spaß machen, sind entweder unmoralisch, verboten oder machen dick. Was ist also, wenn sich die Menschen nicht an die medizinischen Vorgaben halten? Dies könnte ein Suizid auf Raten sein oder – wie es heißt – ein Suizid mit Messer und Gabel. (Einschub: Ich hätte meine heutige Ansprache besser erst nach dem Dessert halten sollen!) Ist es dann die Aufgabe des Staates in die Freiheit der Menschen einzugreifen? Selbstmord ist schließlich auch verboten.
Ich fürchte, dass in unserem Kontinentaleuropa mit dem sich immer weiter ausbreitenden bevormundenden Staat eine solche Frage nicht so absurd und theoretisch ist, wie ich sie gerne hätte. Sie erkennen, dass ich sehr viel Sympathie mit Thomas Jefferson habe, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika, der einst sagte: „Diejenigen, die bereit sind, wesentliche Freiheiten aufzugeben, um zeitweilig Sicherheit zu erlangen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.”[viii]
Wie erleben wir den Sinn des Lebens[ix] in einem sehr langen Leben?
Der prominente jüdische Psychiater aus Wien Viktor Frankl, der die Nazi-Lager überlebte, ging so weit, dass er feststellte, dass die Suche nach dem Sinn des Lebens das wichtigste Lebensmotiv der Menschen sei.[x] Viktor Frankl wurde im September 1942 zusammen mit seiner Frau und seinen Eltern verhaftet und in ein Konzentrationslager transportiert. Drei Jahre später, als sein Lager befreit wurde, war der größte Teil seiner Familie einschließlich seiner schwangeren Frau vernichtet, nur er hatte überlebt. In seinem 1946 erschienenen Hauptwerk „Man’s Search for Meaning”, welches er über seine Erfahrungen in den Lagern schrieb, kam er zum Ergebnis, dass der Unterschied zwischen denen, die überlebten, und denen die starben auf einen Punkt reduziert werden konnte: den Sinn des Lebens.
Schon damals stellte Frankl für unsere westlichen Gesellschaften fest, dass der Grund für ein weit verbreitetes Gefühl der Sinnlosigkeit in vereinfachter Form darin liegt, dass die Menschen genug zum Leben haben aber nichts haben, wofür es sich lohnt zu leben, oder (besser) im englischen: „they have the means but no meaning.”[xi] Dieses Problem stellt sich heute noch, und besonders für ältere Menschen, wenn sie das vielen einen Sinn des Lebens vermittelnde Berufsleben abgeschlossen haben.
Auch die Philosophen haben sich mit dem Sinn des Lebens auseinandergesetzt. Eine bekannte Definition für ein sinnvolles Leben stammt von der amerikanischen Philosophin Susan Wolf: Ein Leben, in welchem man sich aktiv und mindestens zu Teilen erfolgreich in einem Projekt oder mehreren Projekten mit positivem Wert engagiert.[xii]
Nun sollten wir nicht den Sinn des Lebens mit Glück verwechseln.[xiii] Glück ist allgemein als subjektives Wohlbefinden definiert, während Sinnhaftigkeit sowohl eine kognitive als auch emotionale Bewertung ist, ob ein Leben Sinn und Wert hat.[xiv] Glück dreht sich um das Jetzt, während Sinn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verknüpft.[xv] Sinn ist damit verbunden, dass wir etwas für andere tun, während Glück bedeutet, dass andere Gutes für uns tun.[xvi] Im Ergebnis geht Glück damit einher eher ein Nehmer als ein Geber zu sein, während Sinn damit verbunden ist eher als ein Geber statt als ein Nehmer durch die Welt zu gehen.[xvii]
Hier drängt sich sofort die Perspektive einer alternden Gesellschaft auf: Erstmals in der Menschheitsgeschichte erleben wir Menschen mit einer (teilweise) weit über das Erwerbsleben hinaus gehenden Lebenserwartung. Und auch diese Menschen haben einen Anspruch darauf, einen Sinn in ihrem Leben einschließlich der letzten Lebensphase zu verwirklichen. Und sie sind in der Regel bereit zu geben. Dieser Impuls sollte sowohl im Interesse der einzelnen Menschen als auch der Gesellschaft genutzt werden. Hier gibt es für uns noch ein gigantisches Potenzial besser zu werden.
Früher war Religion der Königsweg zu Sinn im Leben, heute in unserer immer stärker säkularisierten Welt ist es ein Weg unter vielen. Heute muss jeder Mensch selbst für sich herausfinden, was ein sinnvolles Leben ausmacht, das heißt jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich. Frankl versorgt uns mit drei Vorschlägen für Sinn im Leben:[xviii] 1. Ein kreatives Werk schaffen oder eine Aufgabe erfüllen.[xix] 2. Der Mensch als soziales Wesen oder die Erfahrung von guten Beziehungen mit Familienmitgliedern und Freunden.[xx] und 3. Die Einstellung gegenüber unvermeidlichem Leiden oder das Führen eines moralischen Lebens.[xxi] Jeder kann nun herausfinden, was am besten zu ihm passt. Aber die Gesellschaft kann und sollte im eigenen Interesse helfen auch älteren Menschen es zu ermöglichen ein Sinn erfülltes Leben zu führen. (Fast) alle Menschen können jemanden finden, dem es schlechter geht als ihnen und dem sie helfen können.[xxii] Denn Menschen brauchen es gebraucht zu werden.[xxiii]
Am Ende bleibt die Erkenntnis von Friedrich Nietzsche: „Hat man sein warum? des Lebens, so verträgt man sich mit fast jedem wie? – Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer thut das.”[xxiv]
Wie sieht eine Generationengerechtigkeit in einer Gesellschaft mit aufgeschobener Sterblichkeit aus?
Wer über Generationengerechtigkeit nachdenkt, der denkt darüber nach, was sie in der Welt sein könnte und wie man sie erreicht. Damit denken wir über das Handeln und die Verantwortung nach. Mit anderen Worten: Wir befinden uns in der Welt der Ethik, der Wissenschaft vom moralischen Handeln. Eine Moral besteht dabei aus den Normen und Werten, die durch gemeinsame Anerkennung als verbindlich gesetzt worden sind. Es gibt sie in der Form von Geboten (Du sollst) oder Verboten (Du sollst nicht). Jede Moral ist also immer eine Gruppenmoral, die von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich sein kann. Nun zeichnet sich alles menschliche Handeln dadurch aus, dass es sich an einer den Sinn eines solchen Handelns bestimmenden Moral orientiert. Dieser Sinnanspruch ist nur möglich durch die dem Menschen wesentliche Freiheit. Diese Freiheit erhält den Namen Moralität. Zum Begriff der Moralität gehört deshalb Freiheit als das Unbedingte. Dieser unbedingte Anspruch ist immun gegen geschichtlichen Wandel, er bleibt das Unwandelbare in all unserem erlebten Wandel. Moralität ist also das zur quasi natürlichen Grundhaltung gewordene Gutseinwollen, welches auf dem unbedingten Anspruch der Freiheit aufbaut.
Ethik ist nur dort sinnvoll, wo Sein und Sollen nicht zusammenfallen, also eine Spannung besteht zwischen der faktischen Welt und der gewünschten, angestrebten Welt. Damit ist die Ethik eine praktische Wissenschaft. Die Praxis ist mit Aristoteles sowohl Voraussetzung als auch Ziel der Ethik: „Man muß also ohne Zweifel mit dem Bekannten anfangen; dieses ist aber zweifach: es gibt ein Bekanntes für uns und ein Bekanntes schlechthin. Wir nun werden wohl mit dem für uns Bekannten anfangen müssen. Deshalb muß man eine gute Charakterbildung bereits mitbringen, um die Vorträge über das sittlich Gute und das Gerechte, überhaupt über die das staatliche Leben betreffenden Dinge, in ersprießlicher Weise zu hören. Denn wir gehen hier vom ‚Daß‘ aus, und ist dieses hinreichend erklärt, so bedarf es keines ‚Darum‘ mehr. Wer nun so geartet ist, der kennt entweder die Prinzipien schon oder kann sie doch leicht erlernen.”[xxv]
Da ich das Thema Generationengerechtigkeit, also Gerechtigkeit auch für die Ungeborenen und nachfolgenden Generationen, hier nicht ansatzweise erschöpfend darstellen kann, will ich mich nur auf zwei Stichworte begrenzen: einen wirtschaftlichen Aspekt (begrenzte Ressourcen) und einen kulturellen Aspekt (vom Selbst zurück zur Gemeinschaft).
Der wirtschaftliche Aspekt ist spätestens seit 1972 und dem Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums”[xxvi] immer wieder diskutiert worden. An dem Problem der begrenzten Ressourcen hat sich aber nicht nur nichts geändert, sondern es hat sogar an Schärfe zugenommen. Verschärft hat sich auch die aktive Realitätsverweigerung der regierenden Eliten, die dem Wahlvolk die unbequemen Wahrheiten ersparen wollen, aber auch des Wahlvolkes, welches Unbequemes gerne ausblendet.
Anders als der politisch-korrekte Mainstream der westlichen Welt glauben machen will, handelt es sich nicht nur um ein Kapitalismusproblem – über die Weiterentwicklung unserer Marktwirtschaft müssen wir in der Tat diskutieren und ringen. Tatsächlich haben wir es auch mit einem Problem der Bevölkerungsexplosion zu tun, denn seit 1970 hat sich die Weltbevölkerung von damals 3,7 Mrd. Menschen auf nunmehr mehr als 7,7 Mrd. Menschen[xxvii] bereits mehr als verdoppelt und ein Ende ist nicht wirklich abzusehen. Aus Gründen der Gerechtigkeit sollten alle neuen Menschen unabhängig vom Ort ihrer Geburt gute Lebenschancen haben, Lebenschancen, die wir darüber hinaus auch unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen schulden. Leider muss ich an den Beginn meines Vortrags erinnern, nämlich daran, dass die Menschheitsgeschichte ganz, ganz überwiegend nicht durch wirtschaftlichen Fortschritt, sondern durch die Malthusianische Falle geprägt war.
Ohne es vertiefen zu können, muss ich zusätzlich ansprechen, dass es scheinbar einen irrationalen internationalen Wettlauf der Regierungen gibt, Schulden zu machen, als gäbe es kein morgen. Hier fällt mir wirklich nur noch der Ausspruch der Marquise de Pompadour, der Geliebten von König Ludwig XV ein: Während eines Festes, das durch die Nachricht von der Niederlage bei Roßbach (1757) gestört zu werden drohte, soll sie „Après nous le déluge!” („Nach uns die Sintflut!”) ausgerufen haben.
Der kulturelle Aspekt ergibt sich notwendig aus dem wirtschaftlichen Aspekt: Wir werden nur dann eine gedeihliche Zukunft haben, wenn wir unsere Art zu wirtschaften massiv ändern. Dazu wird aber zwingend gehören, das wir auch unsere Art zusammenzuleben massiv ändern. Denn eines ist sicher offensichtlich: Wir werden ohne Selbstbegrenzung und damit Selbstdisziplin nicht auskommen. Das heißt aber auch, dass wir unsere Gesellschaften der Ansammlung von Ego-Shootern zu wieder mehr Gemeinschaftlichkeit weiter entwickeln müssen. Ich kann nur hoffen, dass uns das gelingt, auch in einer Demokratie, in der immer mehr Ältere und keine Jugendlichen oder gar Ungeborenen an der Wahlurne bestimmen, was getan wird.
Fazit
Erstmals in der Menschheitsgeschichte erleben wir Menschen mit einer (teilweise) weit über das Erwerbsleben hinaus gehenden Lebenserwartung. Diese neue Entwicklung, so erfreulich sie im Einzelnen auch ist, führt zu neuen Herausforderungen. Damit erleben wir einen Aufbruch in eine ungewisse Zukunft. Ich bin sicher, dass nicht nur die westliche Philosophie wichtige Ratschläge für uns bereit hält, sondern auch die alten Chinesen, beispielsweise Laotse, der sagte: „Reich ist, wer weiß, daß er genug hat.”[xxviii] Auch ohne den letzten Konsumgegenstand kann die Welt ein erfülltes und Sinn stiftendes Leben in Familie und Gemeinschaft für uns bereit halten.
Jetzt liegt es an uns das Richtige daraus zu machen!
Endnoten
Literatur
Aristoteles (1985). Nikomachische Ethik. Hamburg, Meiner
Baggini, Julian (2005). What's it all about? Philosophy and the Meaning of Life. London, Granta Publications
Baumeister, Roy F., Kathleen D. Vohs, Jennifer L. Aaker and Emily N. Garbinsky (2013). "Some key differences between a happy life and a meaningful life." The Journal of Positive Psychology 8(6): pp. 505-516
Clark, Gregory (2007). A Farewell to Alms: A Brief Economic History of the World. Princeton, Princeton University Press
Cottingham, John (2003). On the Meaning of Life. London, Routledge
Eagleton, Terry (2008). The Meaning of Life: A Very Short Introduction. New York, Oxford University Press
Ford, Dennis (2007). The Search for Meaning: A Short History. Berkeley; Los Angeles; London, University of California Press
Frankl, Viktor E. (2006). Man's search for meaning. Boston, Beacon Press
Frankl, Viktor E. (2014). Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse. Mit den ‚Zehn Thesen über die Person‘
Frankl, Viktor E. (2016). Der Wille zum Sinn. Bern, Hogrefe
Frankl, Viktor Emil (2015). Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk. München/ Berlin, Piper
Goens, George A. (2017). It's Not My Fault: Victim Mentality and Becoming Response-able. Lanham, Boulder, New York, London, Rowman & Littlefield
Harari, Yuval Noah (2015). Sapiens: A Brief History of Humankind. London, Vintage/ Random House
Harari, Yuval Noah (2017). Homo Deus: A Brief History of Tomorrow. London, Vintage/ Random House
James, Laurence (2005). "Achievement and the Meaningfulness of Life." Philosophical Papers 34(3): pp. 429-442
Laotse (1923). Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm. Jena, Eugen Diederichs
Meadows, Dennis L. and Club of Rome (1972). Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt
Metz, Thaddeus (2001). "The Concept of a Meaningful Life." American Philosophical Quarterly 38(2): pp. 137-153
Metz, Thaddeus (2002). "Recent Work on the Meaning of Life." Ethics 112(4): pp. 781-814
Metz, Thaddeus (2011). "The good, the true, and the beautiful: toward a unified account of great meaning in life." Religious Studies 47: pp. 389-409
Metz, Thaddeus (2013) "The Meaning of Life." The Stanford Encyclopedia of Philosophy, pp. 1-38
Metz, Thaddeus (2015). Meaning in Life: An Analytic Study. Oxford; New York, NY, Oxford University Press
Mortimer, Ian (2014). Centuries of Change: Which Century Saw the Most Change and Why it Matters to Us. London, Random House
Nietzsche, Friedrich (2013). Zur Genealogie der Moral: (1887) ; Götzen-Dämmerung: (1889). Hamburg, Felix Meiner
Smuts, Aaron (2013). "The Good Cause Account of the Meaning of Life." The Southern Journal of Philosophy 51(4): pp. 536-562
Solomon, Robert C. (1993). The Passions: Emotions and the Meaning of Life. Indianapolis, Hackett
Thomas, Laurence (2005). "Morality and a Meaningful Life." Philosophical Papers 34(3): pp. 405-427
Velleman, J. David (2005). "Family History." Philosophical Papers 34(3): pp. 357-378
Wolf, Susan R. (2010). Meaning in Life and Why It Matters. Princeton, N.J., Princeton University Press
Wolf, Susan R. (2015). The Variety of Values: Essays on Morality, Meaning, and Love. Oxford; New York, Oxford University Press
[i] Mortimer, Ian (2014). Centuries of Change: Which Century Saw the Most Change and Why it Matters to Us. London, Random House
[ii] Siehe Clark, Gregory (2007). A Farewell to Alms: A Brief Economic History of the World. Princeton, Princeton University Press, Seite 1.
[iii] Siehe Harari, Yuval Noah (2015). Sapiens: A Brief History of Humankind. London, Vintage/ Random House, Seite 57.
[iv] Vergleiche Harari, Yuval Noah (2017). Homo Deus: A Brief History of Tomorrow. London, Vintage/ Random House, Seite 31.
[v] Siehe Harari, Yuval Noah (2015). Sapiens: A Brief History of Humankind. London, Vintage/ Random House, Seite 299.
[vi] Siehe Ibid., Seite 93.
[vii] Siehe hierzu Ibid., Seite 410f.
Referenz: beruhmte-zitate.de/autoren/thomas-jefferson/sicherheit/
[ix] Einen guten Überblick über die philosophische Diskussion des Sinn des Lebens vermittelt Metz, Thaddeus (2013) "The Meaning of Life." The Stanford Encyclopedia of Philosophy, pp. 1-38 . Siehe auch Metz, Thaddeus (2001). "The Concept of a Meaningful Life." American Philosophical Quarterly 38(2): pp. 137-153; Metz, Thaddeus (2011). "The good, the true, and the beautiful: toward a unified account of great meaning in life." Religious Studies 47: pp. 389-409; Metz, Thaddeus (2015). Meaning in Life: An Analytic Study. Oxford; New York, NY, Oxford University Press.
Zur Vertiefung siehe Wolf, Susan R. (2010). Meaning in Life and Why It Matters. Princeton, N.J., Princeton University Press; Wolf, Susan R. (2015). The Variety of Values: Essays on Morality, Meaning, and Love. Oxford; New York, Oxford University Press, pp. 89-140; Cottingham, John (2003). On the Meaning of Life. London, Routledge; Ford, Dennis (2007). The Search for Meaning: A Short History. Berkeley; Los Angeles; London, University of California Press; Eagleton, Terry (2008). The Meaning of Life: A Very Short Introduction. New York, Oxford University Press; Smuts, Aaron (2013). "The Good Cause Account of the Meaning of Life." The Southern Journal of Philosophy 51(4): pp. 536-562.
Ein anderer Ansatz findet sich bei Solomon, Robert C. (1993). The Passions: Emotions and the Meaning of Life. Indianapolis, Hackett.
[x] Frankl, Viktor E. (2006). Man's search for meaning. Boston, Beacon Press, Seite 99.
[xi] Ibid., Seite 140.
“Just consider the mass neurotic syndrome so pervasive in the young generation: there is ample empirical evidence that the three facets of this syndrome–depression, aggression, addiction–are due to what is called in logotherapy ‘the existential vacuum’, a feeling of emptiness and meaninglessness.” (Ibid., Seite 141)
[xii] Siehe Wolf, Susan R. (2015). The Variety of Values: Essays on Morality, Meaning, and Love. Oxford; New York, Oxford University Press, Seite 94.
[xiii] Siehe Metz, Thaddeus (2002). "Recent Work on the Meaning of Life." Ethics 112(4): pp. 781-814, Seite 782.
[xiv] Siehe Baumeister, Roy F., Kathleen D. Vohs, Jennifer L. Aaker and Emily N. Garbinsky (2013). "Some key differences between a happy life and a meaningful life." The Journal of Positive Psychology 8(6): pp. 505-516, Seite 505-506.
[xv] Vergleiche Ibid., Seite. 510.
[xvi] Vergleiche Ibid., Seite. 512.
[xvii] Siehe Ibid., Seite. 515.
Zur Vertiefung dieses Aspektes siehe Thomas, Laurence (2005). "Morality and a Meaningful Life." Philosophical Papers 34(3): pp. 405-427.
[xviii] Frankl, Viktor E. (2006). Man's search for meaning. Boston, Beacon Press, p. 111. Siehe ebenfalls Frankl, Viktor Emil (2015). Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk. München/ Berlin, Piper; Frankl, Viktor E. (2016). Der Wille zum Sinn. Bern, Hogrefe; Frankl, Viktor E. (2014). Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse. Mit den ‚Zehn Thesen über die Person‘.
[xix] Siehe James, Laurence (2005). "Achievement and the Meaningfulness of Life." Philosophical Papers 34(3): pp. 429-442, Seite 440.
[xx] Velleman, J. David ibid."Family History." pp. 357-378, Seite 361. Velleman stellt nicht nur die rechtliche Familie, sondern auch die biologische Familie in den Vordergrund.
Siehe auch Thomas, Laurence ibid."Morality and a Meaningful Life." pp. 405-427, Seite 413.
[xxi] Siehe Ibid., Seite 426.
[xxii] Helping others cannot be the meaning of life itself. But it is essentially tied to a meaningful life, because it is premised on the notion that life can be a good in itself. If this is true for one it is true for all, and so we have reasons for helping others. Altruism is thus not the source of life’s meaning but is something that living a meaningful life requires. We just need to remember that the purpose of helping others is to bring them benefits, not to engage in charity for charity’s sake. (See Baggini, Julian (2005). What's it all about? Philosophy and the Meaning of Life. London, Granta Publications, p. 71)
[xxiii] Siehe Goens, George A. (2017). It's Not My Fault: Victim Mentality and Becoming Response-able. Lanham, Boulder, New York, London, Rowman & Littlefield, Seite 105.
[xxiv] Nietzsche, Friedrich (2013). Zur Genealogie der Moral: (1887) ; Götzen-Dämmerung: (1889). Hamburg, Felix Meiner, Seite 176.
[xxv] Aristoteles (1985). Nikomachische Ethik. Hamburg, Meiner, Seite 4f., 1095b.
[xxvi] Meadows, Dennis L. and Club of Rome (1972). Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt.
de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl/
[xxviii] Laotse (1923). Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm. Jena, Eugen Diederichs, Seite 35.