Sprachentwicklungsstörungen im pädagogischen Alltag identifizieren (SprachPÄDAL)

Zielsetzung

Die Sprache gilt als zentrales Medium der menschlichen Interaktion und zur Teilhabe an der Gesellschaft. Im deutschsprachigen Raum zeigt sich in den letzten Jahren eine immer stärker werdende sprachliche Heterogenität. Zum einen wächst etwa ein Drittel der Kinder in Deutschland mehrsprachig auf, zum anderen manifestieren sich bei etwa 10 % aller Kinder sprachliche Auffälligkeiten klinischer Natur, eine sogenannte Sprachentwicklungsstörung (SES).

Wenngleich Mehrsprachigkeit nicht als Risikofaktor für eine SES gilt, kann beides in Kombination auftreten. Als Definitionskriterium gilt, dass sich die sprachlichen Auffälligkeiten in allen Sprachen des Kindes zeigen. Die Feststellung stellt jedoch eine differenzialdiagnostische Herausforderung für Therapeut:innen und Lehrkräfte dar, da oftmals Kenntnisse in den nichtdeutschen Sprachen der Kinder fehlen. Weiterhin werden die sprachlichen Auffälligkeiten häufig irrtümlicherweise mit der Mehrsprachigkeit an sich und einer noch geringen Kontaktdauer zur deutschen Sprache relativiert. Damit entstehen bei mehrsprachigen Kindern mit SES häufig Fehldiagnosen, welche zu einer Fehlversorgung führen und im weiteren Verlauf auch den Bildungserfolg beeinträchtigen können. 

Auch für einsprachige Kinder gibt es Befunde, die auf hohe Dunkelziffer sprachlicher Auffälligkeiten insbesondere in schulischen Settings hinweisen. Bei Kindern, die sozial-emotional herausforderndes Verhalten zeigen, geht man etwa bei vier von fünf Kindern von unentdeckten sprachlichen Beeinträchtigungen aus. Während pädagogische Fachkräfte und (angehende) Lehrkräfte bei der Beobachtung von Kindern Verhaltensauffälligkeiten häufig erkennen, werden bei denselben Kindern mögliche sprachlich-kommunikative Auffälligkeiten oftmals übersehen. Ist der Input eines Erwachsenen zum Beispiel zu komplex für Schüler:innen, können Instruktionen nicht verstanden und damit auch nicht befolgt werden, sodass Missverständnisse in der Interaktion entstehen können. In diesen Situationen werden die geringen sprachlichen Fähigkeiten der Schüler:innen dagegen missinterpretiert als Intelligenzdefizit, Unaufmerksamkeit, Verweigerung, Respektlosigkeit oder Trotz. Diese Charakterisierungen können in der Interaktion zu weiterer Frustration bei den Schüler:innen führen, was die Interaktion erneut negativ beeinflussen kann.

Insgesamt werden also häufig sowohl bei monolingualen und mehrsprachigen Kindern mit SES als auch bei Kindern mit sozial-emotionalen Entwicklungsauffälligkeiten mangelnde sprachliche Fähigkeiten nicht als Ursache von etwaigen Verhaltensauffälligkeiten erkannt. Es besteht daher großer Bedarf in der Professionalisierung und Sensibilisierung von (angehenden) Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften, bei verhaltensauffälligen Schüler:innen möglichst früh Hinweise für sprachliche Auffälligkeiten und/oder eine SES bei Kindern zu erkennen und daraufhin eine spezifische Diagnostik in die Wege zu leiten. 

Ziel unseres Projektes ist es zunächst die Faktoren zu identifizieren, die Lehrkräfte in ihren Interpretationen von Schüler:innenverhalten beeinflussen können. Dabei betrachten wir aktuell vor allem die Faktoren Ein- vs. Mehrsprachigkeit sowie das Vorliegen unterschiedlicher sprachlicher oder sozial-emotionaler Entwicklungsauffälligkeiten.

Ausgewählte Publikationen

Aktualisiert von: Anja Starke