Aufgewachsen in Saarbrücken, studierte Gerhard Stuby Rechtswissenschaft, katholische Theologie und Philosophie in Trier, München, Grenoble und schließlich in Freiburg, wo er auch die juristischen Staatsexamina ablegte und (bei Erik Wolf) seine Dissertation über „Recht und Solidarität bei Albert Camus“ (1963) verfasste. Schon in diesem Buch kommt zum Ausdruck, was Gerhard Stubys Arbeiten in der Folge konsequent auszeichnet: Die interdisziplinär informierte, rechtspolitisch engagierte und rechtlich profunde Suche nach einer gerechten, gewaltfreien und auf den Grundsätzen der Solidarität beruhenden Ordnung.
Nach Assistenzjahren in Freiburg und Mannheim und einer Vertretungsprofessur in Marburg 1970 wurde Gerhard Stuby 1971 an die neu gegründete Universität Bremen berufen und bekleidete hier bis zum Eintritt in den Ruhestand im Wintersemester 1999/2000 die Professur für Öffentliches Recht und wissenschaftliche Politik. Von 1974 bis 1976 war er zudem Konrektor der Universität Bremen.
In der Lehre vertrat Gerhard Stuby das Öffentliche Recht in seiner Breite und war als Mitglied der Landeskommission zur Ausarbeitung des JAG der einstufigen Juristenausbildung zentral an der Reform der juristischen Ausbildung beteiligt. Deren Anliegen, die Ausbildung so zu gestalten, dass sie „in der sich wandelnden Gesellschaft einer rechtsstaatlichen, demokratischen und sozialstaatlichen Verfassung genügt“ (so § 3 Abs. 1 BremJAPG in der Fassung von 1973), ist heute so aktuell wie 1973.
Gerhard Stubys wissenschaftliche Arbeiten sind von Interdisziplinarität geprägt. Sie umfassen Geschichte, Politik und Jurisprudenz, insbesondere Verfassungsrecht und Völkerrecht. Früh wandte er sich gegen die sog. Radikalenerlasse, kritisierte die Ökonomisierung bzw. Fremdbestimmung der Wissenschaft und schrieb an gegen die repressive Ausdeutung des Konzepts der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“. Dabei bezog er sich zentral auch auf die Arbeiten Wolfgang Abendroths, dessen Festschrift er 1982 mit herausgab. Ab Mitte der 1980er Jahre befasste sich Gerhard Stuby zunehmend mit Fragen der Völkerrechtsgeschichte, hier vor allem der deutschen Völkerrechtslehre von 1933 bis 1945, und der Praxis des Völkerrechts. In der Folge entstand auch in Zusammenarbeit mit Norman Paech das große, erstmals 1994 veröffentlichte und seit 2013 in 3. Auflage vorliegende Lehrbuch „Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen“. 2008 veröffentlichte Gerhard Stuby zudem eine Biografie von Friedrich Gaus und 2012 die mit Gine Elsner erfolgte Publikation von älteren und neuen Materialien zur Medizin der Wehrmacht. Seit 1970 war er schließlich Mitherausgeber der „Blätter für deutsche und internationale Politik“.
Rechtspolitisch engagierte sich Gerhard Stuby insbesondere in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), die er mitbegründet hatte und deren Vorsitzender er von 1972 bis 1977 war. Zeitweilig war er zudem Vizepräsident bzw. Generalsekretär der Association Internationale des Juristes Démocrates (AIJD). In diesen Funktionen nahm er an zahlreichen Missionen zu Fragen des Menschenrechtsschutzes und der demokratischen Selbstbestimmung u.a. in Chile, El Salvador, Palästina teil. Er prägte schon in dieser Zeit eine bis heute wichtige Tradition der Aufnahme verfolgter Wissenschaftler*innen an der Uni Bremen.
Der Bremer Fachbereich verliert mit ihm eine Gründerpersönlichkeit. Gerhard Stuby hat maßgeblich am Aufbau des Fachbereichs und der Universität mitgewirkt. Der Fachbereich wird Gerhard Stubys Einfühlungsvermögen im persönlichen Gespräch, seinen Sinn für die gesellschaftliche Verantwortung von Jurist*innen und sein Bewusstsein für die Bedeutung des Rechts sowie eines machtkritischen Verständnisses des Rechts für den gesellschaftlichen Frieden vermissen.
Für den gesamten Bremer Fachbereich
Andreas Fischer-Lescano