Identitätsarbeit deutschsprachiger lutherischer Gemeinden im Ausland

Gemeindetafel Kirche USA "German Service"

Das Projekt konzentriert sich auf deutschsprachige lutherische Gemeinden außerhalb Deutschlands. Im Mittelpunkt steht die jeweilige Identitätsarbeit (Keupp/Höfer 1997) im Hinblick auf die religiöse (z. B. „lutherisch“ / „evangelisch“ / „christlich“) und kulturelle (z. B. „deutsch“ / „europäisch“) Abgrenzung. Hintergrund ist die Annahme, dass auch „alte Diversitäten“ (Vertovec 2015) aufgefordert sind, ihre Positionierung unter den Bedingungen „superdiverser“ Migrationsdimensionen (Vertovec 2007) neu zu verhandeln.

Die Stichprobe umfasst Vergleichsfälle aus den USA, Brasilien und Namibia. Sie repräsentiert entsprechend unterschiedliche religiöse Mehrheiten und historische Ausgangssituationen der jeweiligen deutschsprachigen lutherischen Gemeinden: ein überwiegend protestantisches Umfeld (USA), ein überwiegend katholisches Umfeld (Brasilien) und ein lutherisch geprägtes Umfeld (Namibia). Darüber hinaus lassen sich die Fälle im Hinblick auf die deutsche und lutherische Auswanderungs- und Kolonialgeschichte vergleichen, wobei Namibia ein besonders relevanter Fall für die fortbestehende Bedeutung der kolonialen Dimension ist.

Das Projekt konzentriert sich auf die alltägliche Religiosität der Gemeindemitglieder (Primiano 1993) und ihre individuellen und kollektiven Aushandlungsprozesse kultureller und religiöser Grenzen. Diese stehen exemplarisch für die Untersuchung der sozialen Organisation von Differenz (Vertovec 2021) oder „menschlicher Differenzierung“ (Hirschauer 2017) auf individueller Ebene.

Eine Reihe deutschsprachiger lutherischer Auslandsgemeinden steht derzeit vor enormen Herausforderungen in Bezug auf ihre zukünftige Gemeindearbeit: Soll die zum Teil seit Jahrhunderten maßgebliche konfessionelle und kulturelle Struktur zugunsten einer Öffnung in beide Richtungen aufgeweicht werden, oder sollte es eine allmähliche schrumpfung zugunsten des erhalts der bestehenden geben?

Vor diesem Hintergrund möchte das Projekt religionswissenschaftliche Erkenntnisse in einem empirisch wenig erforschten Themenfeld zutage fördern und einen eigenen theoretischen Beitrag zu bisherigen Diskussionen um religiöse Identität und Abgrenzung leisten. Die Fokussierung auf alltägliche Identitätsarbeit soll auch weiterhin Ergebnisse für den breiteren kulturwissenschaftlichen Diskurs zu Transformationsforschung, Identitätsbildung und Alltagskultur bringen.

Projektleitung
Dr. Thorsten Wettich

Laufzeit
2019-2023

Gefördert durch die American Academy of Religion und die Universität Bremen