Projektdetails
Jugendkriminalität im politischen Interdiskurs: Delinquenzdeutungen im Kontext einer „punitiven Wende“ (DFG)
Prof. Dr. Bernd Dollinger (Projektleitung);
Dirk Lampe, M. A.;
Matthias Rudolph;
Beschreibung
Zusammenfassung
Die Bearbeitung von Jugendkriminalität unterliegt dauerhaftem Wandel. Von zentraler Bedeutung für die Rekonstruktion dieses Wandels ist die These, es zeige sich seit den 1970er Jahren eine immer größere Strafbereitschaft („Punitivität“). Die breite wissenschaftliche Auseinandersetzung um diese Annahme wies nach, dass einzelne Dimensionen von Punitivität differenziert werden müssen: Die Ebenen von Professionalität/Institutionen, Politik sowie Massenmedien beeinflussen sich zwar wechselseitig, sie sind jedoch prinzipiell zu unterscheiden. Das derzeit bearbeitete Projekt „Jugendkriminalität im Interdiskurs“ zielt durch Analysen der Interdiskurse von Jugendhilfe und Polizei auf die Ebene der professionellen Darstellung von Jugendkriminalität in praxisnahmen Zeitschriften der beiden Akteursgruppen. Es konnten wichtige Befunde erhoben werden, die insbesondere für die Jugendhilfe deutliche Veränderungen nachweisen; sie zeigte sich u.a. für Kooperationen mit Instanzen der Strafverfolgung zunehmend offener und relativierte gesellschafts- und systemkritische Haltungen. Die weitere Punitivitätsforschung legte bedeutsame Erkenntnisse zu institutionellen Akteuren (v.a. Staatsanwaltschaft und Jugendgericht) vor. Zudem wurden massenmediale Diskurse erforscht. Eine systematische Analyse (kriminal-)politischer Positionen steht allerdings aus, obwohl sie für die professionelle und institutionelle Bearbeitung von Jugendkriminalität von entscheidender Relevanz ist. Vor diesem Hintergrund sollen in dem Folgeprojekt „Jugendkriminalität im politischen Interdiskurs“ mit Hilfe der Methode der Interdiskursanalyse Parlamentsdebatten von 1970 bis 2009 ausgewertet werden. Konkret sollen Debatten im Bundestag, Bundesrat und in vier Landtagen (Bayern, Schleswig-Holstein, Hamburg und Sachsen-Anhalt) analysiert werden. Parlamentsdebatten richten sich an die Öffentlichkeit und sind unmittelbar auf kriminalpolitische Reformen bezogen, so dass sie für die Frage des Umgangs mit Jugendkriminalität von zentraler Bedeutung sind. Die in dem Folgeprojekt zu erzielenden Befunde sollen mit den im Vorgänger-Projekt erarbeiteten Ergebnissen zur professionellen Darstellung von Jugendkriminalität in Beziehung gesetzt werden. Neben der Erschließung politischer Positionen wird es dadurch möglich zu klären, in welchem inhaltlichen Zusammenhang Diskurse von Jugendhilfe und Polizei mit politischen Haltungen stehen.
Weitere Informationen
Sammelband
Dollinger, B.; Schmidt-Semisch, H. (Hg.), 2018: Handbuch Jugendkriminalität. Interdisziplinäre Perspektiven, 3., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, doi:10.1007/978-3-531-19953-5, Link (Stand: 09.03.2021)
Zeitschriftenbeitrag referiert
Dollinger, B.; Lampe, D.; Rudolph, M.; Schmidt-Semisch, H., 2017: Maneuvering with Crime. An Empirical Reconstruction of "Populist" Stances on Youth Crime in German Parliamentary Debates, in: European Journal on Criminal Policy and Research, 23 (2), S. 193 - 201, doi:10.1007/s10610-016-9330-1
Lampe, D., 2017: Von Rockerhäuptlingen, Punks, Crash-Kinds und Intensivtätern. Vier Jahrzehnte Konstruktion gefährlicher Jugend in der Hamburger Bürgerschaft, in: Kriminologisches Journal, 49 (1), S. 19 - 41
Lampe, D., 2016: Ein goldenes Zeitalter des Jugendstrafrechts? - Politische Debatten über Jugendkriminalität in den 1970er und 1980er Jahren in der Bundesrepublik, in: Soziale Probleme, 26 (1), S. 96 - 119
Dollinger, B.; Lampe, D.; Rudolph, M.; Schmidt-Semisch, H., 2015: Ist die deutsche Kriminalpolitik populistisch? Eine konzeptionelle und empirische Annäherung, in: Kriminologisches Journal, 47, S. 3 - 21
Buchbeitrag
Dollinger, B.; Lampe, D.; Schmidt-Semisch, H., 2018: Konturen einer "Sicherheitsgesellschaft": Diskursanalytische Hinweise am Beispiel Jugendkriminalität, in: Puschke, Jens; Singelnstein, Tobias (Hg.), Der Staat in der Sicherheitsgesellschaft, Wiesbaden: Springer VS, S. 217 - 242
Dollinger, B.; Schmidt-Semisch, H., 2018: Sozialpädagogik und Kriminologie im Dialog. Einführende Perspektiven zum Ereignis "Jugendkriminalität", in: Dollinger, Bernd; Schmidt-Semisch, Henning (Hg.), Handbuch Jugendkriminalität. Interdisziplinäre Perspektiven, Wiesbaden: Springer VS, S. 3 - 16
Lampe, D.; Rudolph, M., 2016: Jugendkriminalität als Ergebnis politischer Konstruktionsprozesse. Eine Analyse der Jugendstrafrechtsreformen in den Jahren 1990 und 2012., in: Luedtke, Jens; Wiezorek, Christine (Hg.), Jugendpolitiken. Wie geht Gesellschaft mit "ihrer" Jugend um?, Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S. 91 - 117
Vortrag / Poster
Lampe, D., 2016: Jugendkriminalität im politischen Diskurs, Neu-Erfindungen wohlfahrtsstaatlichen Strafens. Vom Ende der Gewissheiten?, Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie, Bielefeld, Deutschland, 07.04.2016
Dollinger, B.; Lampe, D., 2015: Re-Inventing Penal Welfarism? Findings from an Analysis of German Parliamentary Debates from 1970 to 2012, Eurocrim 2015. 15th Annual Conference of the European Society of Criminology. Crimonology as unitas multiplex: theoretical, epistemological and methodological developments, Porto, Portugal, 03.09.2015
Dollinger, B.; Lampe, D., 2015: Tentative Populism. Transformations of German Penal Policies from 1970 to Date, 71st Annual Meeting of the American Society of Criminology. The Politics of Crime and Justice, Washington, D.C., Vereinigte Staaten von Amerika, 20.11.2015
Lampe, D.; Rudolph, M., 2014: Jugendkriminalität als Ergebnis politischer Konstruktionsprozesse. Eine Analyse der Jugendstrafrechtsreformen in den Jahren 1990 und 2012., Jugendpolitiken. Frühjahrstagung der Sektion Jugendsoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Deutschland