Projektdetails

Gesundheitsgerechtigkeit und hohes Körpergewicht: Zur Bedeutung empirisch-informierter Ethik für Health Policy-Analysen

Laufzeit: Seit 01.10.2023
Forschungsteam:

PD Solveig Lena Hansen, Dr. phil. (Projektleitung);

 

Imogen Weidinger M.Sc.;

 

Leonie Renelt B.A.;

 
Projektpartner:innen: Dr. Lorraine Frisina Doetter (Universität Bremen), PD Dr. Deborah Janowitz (Helios Klinikum Stralsund), Dr. Regina Müller (Universität Bremen), Benedikt Preuss M.Sc. (Universität Bremen, Prof. Dr. James Wilson (University College London)
Projekttyp: Drittmittelprojekt
Finanzierung: Zentrale Forschungsförderung der Universität Bremen

Beschreibung

Hohes Körpergewicht hat eine Vielzahl von Ursachen. Darunter fallen genetische, psychische/psychiatrische und medizinische Gründe; Umweltbelastungen sowie soziokulturelle Faktoren. Abhängig von Kultur, Ethnizität, sozioökonomischem Status sowie Bildungsabschluss haben manche sozialen Gruppen eine deutlich erhöhte Prävalenz für hohes Körpergewicht und sind damit noch stärker von Stigmatisierung und Diskriminierung (etwa am Arbeitsplatz oder durch Personal im Gesundheitsweisen) betroffen.

Diskussionen der letzten Jahre zeigten, dass die tiefen Ursachen für die Verteilung von Krankheitslasten und gesundheitlicher Versorgung in sozialer Ungleichheit liegen und nicht nur im individuellen Verhalten. Zwar wird gerade hohes Körpergewicht im öffentlichen und fachlichen Diskurs als lebensstilbedingte Erkrankung mit individueller Verantwortung verknüpft – aus ethischer Sicht werfen jedoch die multifaktoriellen Ursachen des hohen Körpergewichts die Fragen auf, ob es gerechtfertigt es ist, ausschließlich Individuen verantwortlich zu machen.

Die Public Health Ethik bearbeitet solche Spannungsfelder aus einer normativen Perspektive. Ein interdisziplinäres Vorgehen kann auch den Einbezug von empirischen Ergebnissen einschließen. Public Health Ethik trägt so dazu bei, praktische Entscheidungen, die sich auf die Gesundheit von Populationen und auf systemische bzw. strukturelle Aspekte das Gesundheitswesen auswirken, auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und in Bezug auf Moraltheorien zu begründen und zu reflektieren. Während das Feld der Public Health Ethik international sehr ausdifferenziert ist, weist es jedoch in Deutschland noch keine systematische Vernetzung in die Praxis, keine etablierten Theoriegerüste oder festen Strukturen zur Politikberatung auf. Obgleich die Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit in Forschung und Praxis anerkannt ist, gibt es bisher weder ein einheitliches Verständnis von Gerechtigkeit noch konkrete Maßstäbe.

Daher untersuchen wir in unserem Projekt an der Adipositas als einem Paradigma der Public Health, welche Gerechtigkeitstheorien geeignet sind, um derzeitige Strukturen der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung hochgewichtiger Menschen ethisch zu reflektieren. Im Fokus stehen erstens auf der normativen Ebene die Prüfung gängiger Gerechtigkeitsansätze und die Ausarbeitung eines Konzepts von Bedarfs- bzw. Bedürfnisgerechtigkeit; zweitens die empirisch-ethische Auswertung von Betroffenen- sowie Expert:innen-Interviews; und drittens ethische Implikationen aktueller Konzepte in gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung. Praxisfelder sind insbesondere kommunikative Aspekte, digitale Gesundheitsanwendungen und älteren Menschen mit Adipositas als bisher vernachlässigter Gruppe. Viertens wollen wir Vorschläge machen, wie ethische Reflexionen in konkrete Handlungsempfehlungen überführt werden können. Dafür werden internationale Policies im Bereich des hohen Körpergewichts systematisch aus ethischer Sicht analysiert und verglichen. Dies soll nicht nur helfen zu verstehen, welche Rolle Theorien der Gesundheitsgerechtigkeit in diesem Kontext bereits spielen, sondern auch ein ethisch reflektiertes Modell für die Policy-Entwicklung in Deutschland entwerfen.




Aktualisiert von: IPP-Content