Archiv 2016/17: "Universität dis/abled? - Hochschulen in ihrem Umgang mit Behinderungen"

Diversity @ Uni Bremen: exzellent und chancengerecht?!

Barrierefreie Uni Bremen: Anspruch – Realität – Visionen

Podiumsdiskussion am 08.11.2016

Den Auftakt der Reihe bildete eine Podiumsdiskussion rund das Thema Barrierefreiheit an der Uni Bremen.
Die Moderation übernahm Anneliese Niehoff, Leiterin des Referats Chancengleichheit/Antidiskriminierung.
Folgende Personen waren zu Gast:

Prof. Eva-Maria Feichtner, Beauftragte für Inklusives Studieren

Jan-Eric Hahn, AStA-Vorstand

Prof. Yasemin Karakaşoğlu, Konrektorin für Internationalität und Diversität

Nina Pfeifer & Vanessa Katzmann, Studierende, Interessengemeinschaft Handicap

Prof. Cordula Nolte, Creative Unit homo debilis

Das Leistungsprinzip (Meritokratie): Schlüssel oder Barriere auf dem Weg zu einer inklusiven Uni?

29.11.2016

Nach dem Leistungsprinzip bekommt jede*r die Stellung in der Gesellschaft bzw. den Verdienst, die  seiner*/ihrer Leistung (Anstrengung und Begabung) entspricht. Auch wenn es sowohl wissenschaftlich (u.a. Walzer 1992, Solga 2005, Verhaeghe 2013, Distelhorst 2014) als auch im Allgemeinen immer mehr Skepsis gegenüber diesem gibt, gilt es immer noch als legitimes Prinzip zur Konstruktion von Ungleichheiten. Dem Leistungsprinzip wird eine zentrale Bedeutung in der Politik der Universitäten beigemessen.

Obwohl die Thematik „Inklusion an den Hochschulen“ in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit erfahren hat, wurde bisher das praktizierte Leistungsprinzip der Universitäten und dessen Bedeutung für die Klassifizierung „Behinderung“ nicht untersucht. Daher soll in dem Vortrag das Leistungsprinzip und seine Auswirkungen in Bezug auf das Themenfeld Behinderung und Studium dargestellt und diskutiert werden.

Zur Person:

Dipl. Soz.-Päd. Nicole Viktoria Przytulla. 1993-97 Studium der Sozialpädagogik (KFH Köln); langjährige Berufstätigkeit als Sozialpädagogin/ Leiterin von verschiedenen Projekten der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung behinderter Menschen; seit 2012 Wiss. Mitarbeiterin des Instituts für Public Health und Pflegeforschung (IPP) der Universität Bremen; Promotion zu dem Thema „Exzellent inklusiv – Deutsche Hochschulen zwischen meritokratischer Ideologie und inklusivem Anspruch“.

Das Video zum Vortrag finden Sie hier.

Teilhabe an der Forschung - inklusive Ansätze zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

12.01.2017

Mit Ratifizierung der UN-BRK hat sich Deutschland dazu verpflichtet, auch in den Bereichen Bildung und Erwerbsarbeit die Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu ermöglichen. Doch zeigen Daten der Bundesagentur für Arbeit, dass selbst HochschulabsolventInnen mit Behinderung trotz ihrer ausgezeichneten Qualifikation nicht gleichberechtigt am Erwerbsleben partizipieren. Hierbei spielen psychologische und bürokratische Barrieren, aber auch Hürden im gesamten Bildungssystem eine Rolle (Niehaus & Bauer, 2013).

Die berufliche Qualifizierung der Studierenden ist eine zentrale Aufgabe der Hochschulen; seit der Bologna-Reform werden sie verstärkt an der „employability“ ihrer AbsolventInnen gemessen. Gleichzeitig sind die Hochschulen auch Arbeitgeberinnen für wissenschaftliches und Verwaltungspersonal und auch hier zur Barrierefreiheit verpflichtet. Beim Thema Promotion vereinen sich häufig die berufsqualifizierende und die Arbeitgeberrolle der Hochschulen. Inwiefern die Hochschulen in beiden Rollen den Anforderungen der UN-BRK gerecht werden, bzw. wo diesbezüglich noch Handlungsbedarfe bestehen, ist Gegenstand des Vortrages.

Es wird deutlich, dass die Hochschulen noch weit von der inklusiven Hochschule entfernt sind. Im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses sind Menschen mit Behinderung unterrepräsentiert. Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen des vom BMAS geförderten Projektes „PROMI – Promotion Inklusive“ in den Jahren 2013 bis 2018 an kooperierenden Hochschulen deutschlandweit 45 Promotionsstellen für schwerbehinderte AkademikerInnen geschaffen. Bei den Promotionsstellen handelt es sich um 3-jährige sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Dadurch sind die Promovierenden finanziell abgesichert und es besteht ein Rechtsanspruch auf notwendige individuelle berufliche Reha-Leistungen. Außerdem wird die Chance zur nachhaltigen Weiterbeschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt erhöht. Das Projekt wird von der Universität zu Köln geleitet und prozessbegleitend systematisch evaluiert.

Auf Ebene der Universitäten strebt das Projekt an, nachhaltige Strukturen und neue Zugangsmöglichkeiten für schwerbehinderte Studierende und Mitarbeitende zu etablieren sowie bundesweite Netzwerke zu der Thematik zu bilden. Über die Evaluation des Projektes sollen Hürden identifiziert und Best-Practice-Beispiele gesammelt werden, auf deren Grundlage Handlungshilfen für AbsolventInnen und ArbeitgeberInnen erstellt werden. Auf gesellschaftlicher Ebene trägt das Projekt dazu bei, das Thema „Inklusive Hochschule“ voranzutreiben und dabei öffentliche Aufmerksamkeit für die Gruppe hochqualifizierter Menschen mit Behinderung herzustellen.

Die Referent*innen:

Univ.-Prof. Dr. Mathilde Niehaus
Professur für Arbeit und Berufliche Rehabilitation an der Universität zu Köln; forscht zum Übergang Schule-Beruf und Leichter Sprache, zur beruflichen Teilhabe von AkademikerInnen mit Behinderung (PROMI, AKTIF), zum Alternsmanagement in Unternehmen, zum Betrieblichem Gesundheitsmanagement und betrieblichen Interessenvertretungen.

Univ.-Prof. Dr. Thomas Kaul
Professur im Arbeitsbereich Pädagogik und Rehabilitation von Menschen mit Hörschädigung; seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der schulischen Förderung hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher sowie der beruflichen Teilhabe und der Versorgung gehörloser Menschen im Alter.

Modelle einer inklusiveren Universität: Hörsensible Uni Oldenburg

24.01.2017

Nicht Gehörtes kann nicht verstanden und gelernt werden, daher profitieren Lernende von hörsensiblen Umweltfaktoren, die einen höchst relevanten Beitrag zu Konzentration und Leistungsfähigkeit aller Beteiligten leisten. Insbesondere in inklusiven Settings ist das Verstehen von Sprache daher Bedingung für einen erfolgreichen Wissenstransfer.
Es gilt also ein „hörsensibles“ Umfeld zu schaffen in dem jede_r hören, verstehen und somit lernen kann. Im Fokus stehen dabei das Zusammenwirken von Aspekten bestimmter Diversitätsdimensionen, wie etwa Beeinträchtigungen im Hören oder anderen Muttersprachen als Deutsch, und dem Sprachverstehen. Welche Möglichkeiten und Maßnahmen es zur Verbesserung der Qualität von Studien- und Arbeitsbedingungen gibt, soll im Vortrag vorgestellt und diskutiert werden.

Die Referent*innen:

Mareike Grundmann
Audiologin und Rehabilitationspädagogin;  wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der C.v.O Universität Oldenburg; Promotion zum Thema „Messung der Ergebnisqualität (gesundheitsbezogene Lebensqualität) in der audiologischen Rehabilitation“

Martin Podszus
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg; Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt: „Studieren mit Beeinträchtigungen“; Promotion zum Thema „Studieren mit Beeinträchtigung im Kontext von E-Learning“; Beauftragter für die Belange Studierender mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen der Universität Oldenburg.

Das Video zum Vortrag finden Sie hier.

Behinderung und Geschlecht – eine intersektionale Perspektive

08.05.2017

Auch wenn im wissenschaftlichen Diskurs Geschlecht zunehmend „verflüssigt“ wird, werden Kinder doch immer noch in ein System der Zwangszweigeschlechtlichkeit hineingeboren. Die Zuordnung zu männlich/weiblich, die früher erst ab dem Zeitpunkt der Geburt stattfinden konnte, erfolgt im Zeitalter des hoch auflösenden Ultraschalls immer früher. Diese Zuordnung hat weitreichende Konsequenzen für Sozialisation.

Einige Mädchen_Jungen bzw. Frauen_Männer werden im Lauf ihres Lebens als „behindert“ bezeichnet, womit verdeutlicht wird, dass sie von der weiblichen_männlichen Normalität abweichen. Dies führt(e) bei den als „behindert“ bezeichneten Personen oftmals zu der Neutralisierung von Geschlecht, sie gehörten zur großen, ageschlechtlichen Gruppe „der Behinderten“.

Waren es zunächst Frauen mit Behinderung, die darauf hinwiesen, haben inzwischen auch Studien verdeutlicht, dass Behinderung kein geschlechtsneutraler „Zustand“ ist: Auch behinderte Mädchen_Jungen bzw. Frauen_Männer wachsen in geschlechtsstrukturierten Feldern einer zweigeschlechtlich organisierten Gesellschaft auf und müssen ihr Leben darin gestalten. Sowohl Nicht_Behinderung als auch Geschlecht sind Kategorien, die Gesellschaft strukturieren. Beide galten lange als naturgegeben und über alle Zeiten gleich; beide haben mit dem Körper, der Ungleichheit, der Identität und der Sexualität zu tun. Im Leben von Frauen_Männern mit Behinderung treffen diese beiden Kategorisierungen aufeinander - wie jedoch wirkt sich das Zusammenspiel von Behinderung und Geschlecht aus? Dies soll durch eine intersektionale Analyse gezeigt werden.

Zur Person:

Swantje Köbsell ist Professorin für Disability Studies an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin. Langjährig aktiv in der emanzipatorischen Behindertenbewegung, Koordinatorin der "Arbeitsgemeinschaft Disability Studies Deutschland" (www.disabilitystudies.de), Mitglied im wissenschaftlichen Beirat für den Teilhabebericht der Bundesregierung. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Themenkomplexe Eugenik/ Bioethik und ihre Bedeutung für Menschen mit Behinderungen, Lebenssituation behinderter Frauen, bzw. Behinderung und Geschlecht, Disability Studies.

Podiumsdiskussion: Inklusive Hochschule – Wie geht es weiter?

20.06.2017

Podiumsgäste:

Prof. Katja Nebe, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Dr. Joachim Steinbrück, Landesbehindertenbeauftragter der Freien Hansestadt Bremen
Prof. Eva-Maria Feichtner, Universität Bremen, Beauftragte für Inklusives Studieren
Prof. Yasemin Karakaşoğlu, Universität Bremen, Konrektorin für Internationalität und Diversität