Lehr-Lern-Format auswählen
Die Auswahl eines geeigneten Lehr-Lern-Formates trägt maßgeblich zum Lernerfolg Ihrer Studierenden bei und sollte immer in das Gesamtkonstrukt des Moduls passen (Lernergebnisse, Inhalt, Zielgruppe).
Lehr-Lern-Formate
Arten der Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden
Betrachtet man Lehr-Lern-Formate hinsichtlich ihrer Art der Interaktion lassen sie sich grob in drei unterschiedliche Kategorien einordnen (Winteler, 2011):
1. Lehrende vermitteln Inhalte
Vorlesung
In dieser Interaktionsform trägt die Dozentin/der Dozent vor und vermittelt die Inhalte, während die Studierenden zuhören und die Inhalte nachvollziehen.
Möglichkeiten der Flexibilisierung:
- Die klassische Form der Vorlesung kann durch Videoaufzeichnungen raum-zeitlich flexibler gestaltet werden.
- Sind in der Vorlesung auch Nachfragen oder Diskussionen vorgesehen, eröffnet das Format des „Inverted Classroom“ (oder auch „Flipped Classroom“) neue flexible Möglichkeiten.
2. Lehrende und Studierende erarbeiten Inhalte im Diskurs
Seminar und Übungen
Die Erarbeitung von Inhalten im persönlichen Diskurs zwischen dem/der Lehrenden und den Studierenden sowie unter den Studierenden erfolgt üblicherweise in Seminaren. Diese finden meistens im wöchentlichem Rhythmus statt.
Unterschiedliche Impulse, wie ein vorbereitender Text oder ein Thesenpapier, aber auch Referete der Studierenden, können die Diskussion in der Lerngruppe anstoßen.
Möglichkeiten der Flexibilisierung:
Diese Möglichkeiten der Flexibilisierung können auch in (Labor-) Übungen, Tutorien und in Verbindung mit Exkursionen eingesetzt werden.
3. Studierenden erarbeiten Inhalte selbstständig
Fragend-entdeckende Lehr-Lern-Formate, bei denen sich Studierende Inhalte im angeleiteten Selbststudium erarbeiten, sind per se raum-zeitlich flexibler als klassische Vorlesungen oder Seminare.
Formate für nicht festgelegte Themen und Ergebnisse:
Formate für festgelegte Fragestellung und Ergebnisse:
Einige Module (z.B. Hospitationen, Praktikums- und Praxisphasen), die außerhalb des Campus stattfinden, können nur schwer in Form von regelmäßigen Präsenzterminen angeboten werden. Hierfür eignet sich:
Unter "Präsenzlehre flexibilisieren" finden Sie weitere Informationen zu den einzelnen Lehr-Lern-Formaten.
Flexibilisierung von Lehr-Lern-Formaten
Die hier dargestellten Formate lassen sich in Präsenzform durchführen. Jedoch hat eine zunehmende Zahl an Studierenden außeruniversitäre Verpflichtungen, wodurch sich die Anforderungen an das Format einer Lehrveranstaltung verändert haben. Die Digitalisierung bietet zahlreiche Möglichkeiten, das Lehr-Lern-Format zu flexibilisieren und dadurch dem unterschiedlichen Bedarf gerecht zu werden.
Eine Übersicht klassischer Lehr-Lern-Formate an Hochschulen liefert Ihnen hier eine kurze Beschreibung, was unter den einzelnen eher klassischen Formaten verstanden wird.
Eine Übersicht innovativer und flexibler Lehr-Lern-Formate an Hochschulen zeigt Ihnen hier unterschiedliche Formate auf, die nicht an Ort und Zeit gebunden sind. Die Übersicht ist hier nicht erschöpfend. Zudem können unterschiedliche Szenarien auch in einer Lehrveranstaltung kombiniert werden.
Unterstützende Materialien für die Auswahl eines geeigneten Formats sowie konkrete Beispiele für die hier beschriebenen Formate finden Sie in den Praxistipps.
Einflussfaktoren bei der Auswahl des Lehr-Lern-Formats
Meist ist das Format durch die Struktur (Modulbeschreibung) der jeweiligen Hochschule bereits vorgegeben (siehe Thema definieren und Inhalte eingrenzen). Bei der Entwicklung neuer Module steht die Entscheidung im Mittelpunkt, wie viele Lehrveranstaltungen es geben soll und in welchen Formaten diese durchgeführt werden sollen.
Das Format wird maßgeblich durch die Zielsetzung und die damit verbundenen Lernergebnisse bestimmt (siehe Lernergebnisse formulieren, Constructive Alignment). Je nachdem, welche Kompetenzen innerhalb bzw. durch eine Veranstaltung erworben und ausgebaut werden sollen, sind einige Formate besser- und andere weniger gut geeignet.
Dennoch spielt auch der äußere Rahmen mit seinen organisatorischen, zeitlichen, räumlichen und medialen Voraussetzungen eine Rolle (siehe Curricularen Rahmen berücksichtigen). Hinzukommen Ihre eigenen Handlungsvoraussetzungen, d.h. Ihr Rollenverständnis, Ihre Lehrerfahrungen, Ihr Fachverständnis und Ihre Erwartungen an die Lernenden (siehe Eigene Rolle reflektieren).
Hier finden Sie eine Checkliste zum Herunterladen, die Ihnen bei der Auswahl des Lehr-Lern-Formats hilfreich sein kann.
Praxistipps
Lernergebnis-Niveaustufen und geeignete Lehr-Lern-Formate
Die folgende Tabelle zeigt, welche Formate für das Erreichen von Lernergebnisse unterschiedlicher Niveaustufen geeignet sind. Die Niveaustufen entstammen der Taxonomie kognitiver Lernergebnisse (HRK - Nexus, 2013) (siehe Lernergebnisse formulieren). Die linke Spalte bildet die Niveaustufen ab, denen in der mittleren Spalte geeignete Lehr-Lern-Formate zugeordnet sind. In der dritten Spalte sehen Sie Beispiele, wie Sie Ihre Veranstaltung flexibilisieren können z. B. durch den unterstützenden Einsatz digitaler Medien.
Lernergebnis-Niveaustufe | Lehr-Lern-Format | Flexibilisierte Szenarien |
Erinnern reproduzieren, wissen, benennen… | (klassische) Vorlesung | |
Verstehen erklären, darstellen, reorganisieren… | (klassische) Übung, (klassisches) Seminar | |
Anwenden | Projektbasiertes Lernen, Forschungswerkstatt | Forschendes Lernen, z. B. Forschungswerkstatt |
Analysieren untersuchen, testen, vergleichen… | Projektbasiertes Lernen, Forschungswerkstatt | Forschendes Lernen, z. B. Forschungswerkstatt |
Beurteilen bewerten, begründen, evaluieren… | Planspiele, Problembasiertes Lernen, Bearbeiten von Fallstudien | |
(Er-)Schaffen entwerfen, konzipieren, planen… | Independent Studies |
Merke: Durch vorhandene Prüfungsordnungen und Modulbeschreibungen stehen die Lernergebnisse und das Format Ihrer Veranstaltung oftmals schon fest.
Lernergebnisse passen nicht zum Veranstaltungsformat
Oftmals sind Lernergebnisse auf einem Niveau (siehe Lernergebnisse formulieren: Taxonomie kognitiver Lernergebnisse) beschrieben, welches durch das vorgeschriebene Veranstaltungsformat so nicht oder nur schwer zu erreichen ist.
Beispiel:
Lernergebnis: „Die/der Lernende ist in der Lage, ihre/seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Problemlösung auch in neuen und unvertrauten Situationen anzuwenden."
Veranstaltungsformat: klassische Vorlesung
In einer klassischen Vorlesung können in der Regel ausschließlich Lernergebnisse auf den ersten beiden Niveaustufen erreicht werden (1. Erinnern/Wissen und 2. Verstehen). Durch reinen fachlichen Input in Vortragsform ist es nicht möglich, Handlungskompetenzen bei Studierenden zu fördern. Durch Zuhören, Mitschreiben und Verständnisfragen kann es Studierenden nur schwer gelingen, Problemlösekompetenzen zu entwickeln oder auszubauen, um auch in unbekannten Situationen das gelernte anzuwenden.
In so einem Fall haben Sie drei Möglichkeiten:
Umformulierung der bestehenden Lernergebnisse
Vorteile
Die geplante Lehrveranstaltung kann wie gewohnt ablaufen und bedarf keinerlei Anpassung oder Umgestaltung des Formats.
Die Gestaltung des Prüfungsformats wird ebenfalls einfacher, da standardisierte Prüfungen eher bei niedrigeren Niveaustufen einsetzbar sind.
Nachteile
Die Lernergebnisse würden hier auf eine niedrigere Niveaustufe gestellt werden, was nur selten im Interesse des Studiengangs bzw. in Ihrem Interesse ist.
Mitunter sind die Abstimmungsprozesse langwierig, und behindern eine kurzfristige Veränderung der Modulbeschreibung.
Veränderung des Formats Ihrer Lehrveranstaltung
Vorteile
Sie können Ihre Lehrveranstaltung neu gestalten und möglicherweise ein innovatives Format ausprobieren und durchführen.
Nachteile
Der Zeitpunkt der Formatauswahl und Ihr Arbeitsalltag müssen Ihnen ausreichend Vorbereitungszeit bis zum Beginn der Lehrveranstaltung ermöglichen.
Anzahl der Studierenden und der Zugang zu geeigneten Räumen schränken Möglichkeiten häufig ein.
Interaktivität (Lehrende/Studierende - Studierende/Studierende) erhöhen
Vorteile
Der zeitliche Aufwand ist überschaubarer und die Umsetzbarkeit kurzfristig und zeitnah möglich.
Nachteile
Anzahl der Studierenden und Zugang zu geeigneten Räumen schränken Möglichkeiten häufig ein.
Welche Lehr-Lern-Methoden sich eignen, erfahren Sie in Phase II – Vorbereitung von Lehrveranstaltungen im Kapitel Methoden erschließen.
Flexible Formate - flexible Raumnutzung
Viele der zuvor beschriebenen Lehr-Lern-Formate erfordern eine flexiblere Raumnutzung als es an den meisten Hochschulen derzeit möglich ist (Ulrich, 2016). Die einzige Möglichkeit ist meist die wöchentliche Buchung eines Raums für 90 Minuten.
Sie benötigen für Ihr Format und die darin enthaltenen Präsenzzeiten einen Raum in größeren zeitlichen Abständen? Und zusätzlich für größere Zeitfenster?
Tipp:
Tun Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen zusammen und prüfen Sie, ob die Möglichkeit besteht, gemeinsam einen für alle geeigneten Raum sowie Zeitfenster zu erhalten. Die Terminplanung untereinander muss dann selbstverständlich gemeinsam abgestimmt werden.
Beispiel
Seminarraum 101, montags 14-18 Uhr
Drei Lehrende teilen sich diese Veranstaltungszeit:
Lehrender A benötigt 4 Präsenzen (1., 4., 8. und 12. Woche), zwischendurch Online- oder Gruppenphasen
Lehrender B benötigt 3 Präsenzen (2., 5. und 13. Woche), zwischendurch Online- oder Gruppenphasen
Lehrender C benötigt 7 Präsenzen (3., 6., 7., 9., 10., 11. und 14. Woche), keine weiteren Aufgaben in der Zwischenzeit, da immer 4 Stündige Termine
Quellen, Downloads und Autorinnen
Quellen
HRK - Nexus (Hrsg.). (2013). Nexus - Impulse für die Praxis Nr.2/2013 - Lernergebnisse praktisch formulieren. Abgerufen am 29. Juli 2020 von http://www.hrk-nexus.de/fileadmin/redaktion/hrk-nexus/07-Downloads/07-02-Publikationen/nexus-Impuls-2-Lernergebnisse.pdf
Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM). (2017). Lehrszenarien [Page]. Abgerufen am 29. Juli 2020 von https://www.e-teaching.org/lehrszenarien
Ulrich, I. (2016). Gute Lehre in der Hochschule: Praxistipps zur Planung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen. Wiesbaden: Springer.
Winteler, A. (2011). Professionell lehren und lernen: ein Praxisbuch. Darmstadt: WBG (Wiss. Buchges.).