Beratungsräume anbieten
Neben der Vermittlung von Inhalten ist auch die (beratende) Begleitung der Studierenden bei den individuellen Lernprozessen eine wichtige Aufgabe für Lehrende.
Beratung
Ziel einer Beratung - Hilfe zur Selbsthilfe
Das Ziel von Beratung im Hochschulkontext ist es, die Studierenden bei den Herausforderungen ihres Studiums zu unterstützen. Das zentrale Stichwort im Beratungskontext an Hochschulen lautet dabei Hilfe zur Selbsthilfe. Die Studierenden sollen keine fertigen Lösungen für ihre Anliegen erhalten, sie sollen vielmehr in Beratungs- und Begleitprozessen lernen, sich selbst stetig zu reflektieren, um eigenständig mit den Studienanforderungen umgehen zu können. Studierende sind im Kontext des Begleitprozesses nicht nur Empfänger von Informationen, sie sollen aktiv in den Gestaltungsprozess einbezogen werden (Macke, Hanke, Viehmann & Raether, 2016).
Beratungstypen
Im Kontext der hochschulischen Beratung lassen sich allgemein drei Typen von Beratungssituationen unterscheiden (Wieandt, 2007):
1. Die informative Beratung, die zumeist eher zu Beginn des Studiums vorkommt und hier die allgemeine Beratung beispielsweise zur Auswahl eines geeigneten Studiengangs meint.
2. Die situative Beratung konzentriert sich auf eine bestimmte Situation bzw. Phase der Studierenden. Die Studierenden suchen dabei zumeist den Rat von Lehrenden zur Bewältigung von bestimmten Herausforderungen ihres Studiums.
3. Die biografieorientierte Beratung differenziert nicht mehr eindeutig zwischen biografischen Hintergründen und der Bewältigung von Lernsituationen. Hier muss der/die Lehrende entscheiden, inwieweit diese Anfrage in seinen/ihren Kompetenzbereich fällt und ggf. auf andere Beratungsstellen verweisen.
Der Studienverlauf eines Studierenden lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Diese werden im Student-Life-Cycle abgebildet.
Varianten der Beratung
Die persönliche Sprechstunde
Auch wenn Studierende beispielsweise vor oder nach einer Veranstaltung zu Ihnen kommen oder Sie per Telefon, E-Mail oder Messenger kontaktieren, stellt die Sprechstunde das zentrale Beratungstool im Hochschulkontext dar (Brauer, Fausel, & Ahrens, 2014; Thomann & Pawelleck, 2013).
Sprechstunden finden meistens zu festgelegten Zeiten statt, die die Studierenden mit oder ohne Anmeldung besuchen können. Eine Sprechstunde, zu der sich die Studierenden vorher anmelden müssen hat folgende Vorteile:
- Die Termine können besser geplant werden, es müssen keine Studierenden weggeschickt werden.
- Die Namen der Studierenden liegen vor, sodass diese beim Gespräch direkt angesprochen werden können.
- Die Studierenden können bei der Vorbereitung mit einbezogen werden, indem das Anliegen der Ratsuchenden im Vorfeld erfragt wird.
Zwar kann die Vor- und Nachbereitung einer Sprechstunde aufwendiger sein, als ein kurzes Gespräch nach der Veranstaltung, aber dafür bietet die Sprechstunde einen eigenen Rahmen für die Kommunikation und einige Anliegen können so einfacher geklärt werden.
Warum ist die Sprechstunde wichtig?
Sprechstunden fördern den intensiven Kontakt und Austausch mit Ihren Studierenden und tragen so zu einer guten Beziehungsgestaltung zwischen Lehrenden und Lernenden bei. Sie dienen als wichtige Informationsquelle für die Studierenden. In der Sprechstunde können sie in einem Vier-Augen-Gespräch auf einer vertrauensvollen Basis ihre Anliegen mit Ihnen besprechen. Dadurch entsteht eine vollwertige Kommunikation, bei der beide Seiten aktiv werden. Sie erfahren außerdem, was in Ihrer Lehrveranstaltung evtl. unklar geblieben ist und können entsprechend reagieren.
Planen Sie also Ihre Sprechzeiten bei der Veranstaltungsvorbereitung direkt mit ein und vermerken Sie sie in Ihrer Zeitplanung!
Beratung mit digitalen Medien
Durch die zunehmende Nutzung digitaler Medien im Lehr-Lern-Kontext gibt es mittlerweile zunehmend auch virtuelle Räume, in denen Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden stattfinden kann. Denn es kann sein, dass Sie aufgrund von anderen Verpflichtungen neben Ihren offiziellen Sprechstundenzeiten keine weiteren Termine anbieten können, um alle Fragen zu beantworten. Hier können digitale Medien unterstützend fungieren. Im Folgenden sind einige Vorschläge für digitale Kommunikationsformen aufgeführt. Die Liste ist nicht erschöpfend und es eignen sich sicher auch noch andere digitale Kommunikationsmittel für den Austausch mit Studierenden.
Praxistipps
Sprechstunde etablieren
Möchten Sie eine Sprechstunde etablieren oder eine bereits etablierte Sprechstunde weiterentwickeln, können folgende Hinweise hilfreich sein:
- Überlegen Sie sich, wann eine Sprechstunde zeitlich am besten in Ihren Arbeitsalltag passt. Weitere Fragen sind, wie häufig Sie diese anbieten möchten/können, wie lange sie jeweils gehen soll und wie lange ein einzelnes Beratungsgespräch dauern kann.
- Transparenz schaffen: Nennen Sie direkt zu Beginn Ihrer Veranstaltung den Ort und Zeitpunkt Ihrer Sprechstunde und zeigen Sie auf, wie sich Interessierte ggf. für Ihre Sprechstunde anmelden oder Termine vereinbaren können.
- Wenn Studierende Ihren Sprechstundentermin aus zeitlichen oder anderen Gründen nicht wahrnehmen können, können Sie auch Alternativen zur Sprechstunde anbieten. Gibt es beispielsweise die Möglichkeit, Zusatztermine anzubieten oder können die Fragen evtl. in einem Telefongespräch oder online in Adobe Connect erörtert werden?
- Sie können den Studierenden weiterhin mitteilen, mit welchen Anliegen sie zu Ihnen kommen können. Zum Beispiel fachliche Fragen zum Inhalt der Veranstaltung, Informationen zum Studium, berufliche Perspektiven, Probleme bei der Anfertigung von Leistungsnachweisen etc.
- Sie schaffen eine offene Atmosphäre, indem Sie den Studierenden vermitteln, dass sie sich über Anmeldungen zu Ihrer Sprechstunde freuen.
Eine Checkliste mit nützlichen Tipps zur Gestaltung von Sprechstunden können Sie hier herunterladen.
Beratungsgespräche
Sprechstundengespräche laufen für beide Seiten zufriedenstellend ab, wenn Sie sowohl bei der Vor- und Nachbereitung, als auch während des Gespräches einige Dinge beachten (Macke et al., 2016; Thomann & Pawelleck, 2013).
Vorbereitung auf ein Beratungsgespräch
Durch eine passende Vorbereitung können das Anliegen und die Erwartungen im Vorfeld geklärt und der Verlauf des Gespräches somit besser geplant werden.
Folgende Fragen können Sie sich bzw. dem Ratsuchenden im Vorfeld eines Beratungsgesprächs stellen:
- Welches Anliegen haben Sie?
- Bin ich die richtige Ansprechperson?
- Kann das Anliegen in x Minuten bearbeitet werden oder braucht es eine Terminvereinbarung?
- Was erwarten Sie von mir?
- Kann/muss ich mich inhaltlich auf das Gespräch vorbereiten?
Die Komplexität der Anliegen der Ratsuchenden kann sich deutlich unterscheiden. Jede Situation ist anders und die Anliegen können dabei von der einfach zu beantwortenden Frage zur bevorstehenden Klausur bis hin zu biografieorientierten Aspekten, wie „Soll ich mein Studium abbrechen?“, alles umfassen. Allgemeine Informationen zur Interaktion mit Studierenden können Sie im Abschnitt Mit Studierenden interagieren nachlesen.
Die Gesprächsatmosphäre
Auch die Atmosphäre eines Beratungsgespräches kann ein wichtiger Faktor sein. Wenn Studierende sich willkommen fühlen und die Kommunikation offen und wertschätzend abläuft, kann dies den Gesprächsverlauf positiv beeinflussen. Denn die Beziehungsgestaltung ist in Beratungssituationen mitverantwortlich für deren Erfolg.
Eine weitere Möglichkeit für eine willkommene Atmosphäre ist die Gestaltung des Raumes für die Sprechstunde. Es kann sinnvoll sein, einen Tisch mit zwei Sitzgelegenheiten bereitzustellen, auf dem nur die für das Gespräch notwendigen Unterlagen platziert sind.
Durchfühung eines Beratungsgesprächs
Angelehnt an den didaktischen Dreischritt lässt sich auch ein Beratungsgespräch in drei Phasen einteilen: Einstieg, die Arbeitsphase und die Abschlussphase (Macke et al., 2016). Dies hilft das Gespräch zu strukturieren und eine angenehme und professionelle Atmosphäre zu schaffen. Die Ausgestaltung der einzelnen Phasen sollte dem Gesprächsanlass angepasst werden. Eine ausführliche Beschreibung der drei Phasen eines Beratungsgesprächs finden Sie hier als PDF-Dokument zum Herunterladen.
Die drei Phasen des Beratungsgesprächs
Einstieg in das Gespräch
- Begrüßen Sie die Anwesenden am besten mit ihrem Namen.
- Beginnen Sie das Gespräch möglichst mit etwas Auflockerndem, um ein positives Kima zu schaffen.
- Anschließend können die Rahmenbedingungen für das Gespräch geklärt werden.
Arbeitsphase des Geprächs
- Lassen Sie die Studierenden ihr Anliegen schildern.
- Hören Sie dabei möglichst aktiv zu, indem Sie das Anliegen in Ihren Worten zusammenfassen und Verständnisfragen stellen.
- Klären Sie, ob Sie die richtige Ansprechperson sind.
- Klären Sie bisherige Lösungsversuche ab.
- Bearbeiten Sie das Anliegen gemeinsam und erarbeiten Sie Strategien zur Problemlösung.
- Einigen Sie sich über das weitere Vorgehen und treffen Sie Zielvereinbarungen.
- Sichern Sie die Ergebnisse der Beratung (ggf.. in Form von Beratungsnotizen).
Mögliche Fragen für die Arbeitsphase
- Erzählen Sie bitte kurz, worum es genau geht.
- Habe ich Sie richtig verstanden, dass…?
- Was haben Sie schon selber unternommen?
- Was wäre hilfreich? Wo liegt die Schwierigkeit?
- Gab es schon ähnliche Situationen? Wie sind Sie da vorgegangen?
- Was spricht für x, y und z und was dagegen?
- Was machen Sie mit den Informationen, was benötigen Sie noch von mir?
- Was sind die nächsten Schritte?
- Welches Ziel nehmen Sie sich vor? Soll ich dabei involviert sein?
- Falls ja, z.B.: Senden Sie mir weitere Informationen/Fragestellungen zu dem Thema bis tt.mm.jj
- Wir haben uns auf folgendes geeinigt…
Abschluss des Gesprächs
- Nennen Sie die verbleibende Zeit, damit Zeit für letzte Fragen bleibt.
- Bitten Sie ggf.. die Studierenden um ein Feedback zur Beratung.
- Verabschieden Sie sich.
Mögliche Fragen für die Abschlussphase
- Benötigen wir ein weiteres Gespräch?
- Sollten Sie noch weitere Fragen haben, können Sie sich per Mail an mich wenden.
Nachbereitung eines Beratungsgesprächs
Bei einem komplizierten Sachverhalt oder einem Beratungsprozess, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, kann es helfen, sich die Ergebnisse sowie das weitere geplante Vorgehen zu notieren. Dafür eignen sich entweder kurze Notizen zum Gespräch (wer, wann, was und Vereinbarungen) oder das Anfertigen eines Gesprächsprotokolls mit Hilfe einer Vorlage für Beratungsnotizen, welche Ihnen hier als Download zur Verfügung steht.
Auch der Verlauf des Gesprächs kann im Nachhinein reflektiert werden. Hierfür können Sie notieren, was gut gelaufen ist und was vielleicht nicht so gut gelungen ist. Dabei können auch Vorüberlegungen zum Gespräch mit dem tatsächlichen Gesprächsverlauf abgeglichen werden.
Mögliche Fragen für die Nachbereitung:
- Welche Fragen konnten geklärt werden? Was blieb offen?
- Welche Schwierigkeiten gab es? Was könnte das nächste Mal anders/besser laufen?
- Gibt es einen neuen Termin?
Quellen, Downloads und Autorinnen
Quellen
Brauer, M., Fausel, A. & Ahrens, R. (2014). An der Hochschule lehren: Praktische Ratschläge, Tricks und Lehrmethoden. Berlin u.a.: Springer VS.
Macke, G., Hanke, U., Viehmann, P. & Raether, W. (2016). Kompetenzorientierte Hochschuldidaktik: lehren – vortragen – prüfen – beraten. Weinheim Basel: Beltz.
Thomann, G. & Pawelleck, A. (2013). Studierende beraten. Opladen Toronto: Verlag Barbara Budrich.
Wieandt, M. (2007). Beratungsbedarf und Beratungsprozessverläufe bei Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften. Abgerufen am 29. Juli 2020 von https://www.die-bonn.de/doks/wieandt0701.pdf
Autorinnen
Maren Praß, Yvonne Diekmann