KI hat aus Sicht von Prof. Karin Wolf-Ostermann vom Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP) an der Universität Bremen das Potenzial, die Qualität der Pflege zu erhöhen, Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und Menschen mit Pflegebedarf sowie Ausbildung, Wissenstransfer und die Kompetenzentwicklung von Personen zu unterstützen. „Aus der Praxis werden als wichtige Ziele der Anwendung eine verbesserte Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten gesehen sowie eine Entlastung von Gesundheitsfachkräften“, sagte Wolf-Ostermann. Beschäftigte im Gesundheitswesen seien grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber dem Einsatz von KI und sähen diesen auch als entlastend an, sagte sie.
Wo wird KI in der Pflege eingesetzt? Die internationale Literatur zu Anwendungsszenarien von KI in der Pflege zeige, dass in der Pflege bisher überwiegend Methoden des maschinellen Lernens eingesetzt würden. Am häufigsten werde KI im Krankenhaus angewendet, ambulante Settings seien eher selten, Pflegebildung oder Tagespflege kaum vertreten. „Der überwiegend beschriebene Anwendungszweck liegt im Tracking, im Monitoring, und in der Klassifizierung von Aktivität und Gesundheit, gefolgt von Anwendungen zur Koordination und Kommunikation sowie Sturzerkennung, Sturzvermeidung, Sturzrisikoklassifikation“, sagte Wolf-Ostermann. Insgesamt sei die Studienlage sehr dünn.
Am Bedarf vorbei: Häufig würden Technologien entwickelt, die im Pflegealltag keinen konkreten Nutzen entfalteten. Zudem gelte es noch viele Hürden zu nehmen, bevor KI in der Pflege wirklich Arbeit abnehmen könne: „Zunächst einmal braucht es als Voraussetzungen für einen gelingenden KI-Einsatz in der Pflege die passenden technischen Voraussetzungen“, sagte Wolf-Ostermann. Das heiße: ausreichende und qualitative Daten, um die KI zu füttern, die digitale Infrastruktur, um sie einzusetzen und Unterstützung beim Kompetenzerwerb, um mit der KI umzugehen. Außerdem müsse die Anschaffung und der Erhalt von Technologie sowie die Erprobung unter Alltagsbedingungen ausreichend finanziert werden.
Faktor Mensch: „Wir sollten immer in den Vordergrund stellen, dass digitale Anwendungen als ein Hilfsmittel unter anderen zu verstehen sind, sie können und sollen persönliche Zuwendung nicht ersetzen“, sagte Wolf-Ostermann. „Es muss deshalb immer sichergestellt sein, dass die menschliche Komponente einbezogen bleibt und ethische und soziale Fragestellungen ausreichend diskutiert werden.“ Zudem stelle sich die Frage, ob vorhandene Ungleichheiten durch den unterschiedlichen Zugang zu digitalen Pflegetechnologien noch verstärkt würden.