Geschichte und Film

Audiovisuelle Medien können als historische Quellen betrachtet werden, da sie bedeutend für die Erinnerung sind, sich in ihnen aber auch der Geist ihres Entstehungszeitpunktes widerspiegelt. Aufgrund der maßgeblichen Prägung der Vorstellung von historischen Ereignissen, gehört das Schnittfeld Geschichte und Film zu einem der Forschungsschwerpunkte der Geschichte Lateinamerikas. Auf dieser Seite erfahren Sie mehr über aktuelle Forschungsprojekte, das Lehrvideoprojekt "hislatina",  die Arbeit in dem ZeMKI-Lab „Audio-visuelle Medien und Geschichtsschreibung“ sowie den Workshop „Social Policies and the Media“. 

1968 und 1969 als Epochenjahre. Zur Geschichte und Ästhetik argentinischer und mexikanischer Dokumentarfilme als Teil von sozialen Bewegungen

Promotionsprojekt von Mara Josepha Fritzsche

„The camera is the inexhaustible expropriator of image-weapons; the projector, a gun that can shoot 24 frames per second.“

Die 1960er sind nicht nur in Lateinamerika als Jahre der sogenannten Sozialen Bewegungen und des politischen Kampfes linker Gruppierungen in die Geschichte eingegangen. Es ging um politische Teilhabe und Bürgerrechte, aber auch um soziale Gerechtigkeit. In europäischen und westlichen Staaten haben sich ebenso wie in Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ die oben skizzierten Ideen entfaltet und Menschen dazu motiviert, politisch Stellung zu beziehen. Dabei spielten Kundgebungen und Texte eine bedeutende Rolle, aber auch Filme, was von der Forschung sehr lange übersehen worden ist. Im Dissertationsvorhaben von Mara Fritzsche stehen die Teilnahme argentinischer und mexikanischer Filmschaffender an den Protesten gegen Ende der 1960er Jahre und ihre Beteiligung an den Sozialen Bewegungen ihrer Länder im Mittelpunkt. Dabei erweisen sich die Jahre 1968 und 1969 als besonders bedeutsam.
Die Ursprünge dieser Bewegungen reicht bis in die 1950er Jahre zurück: Inspiriert von der Kubanischen Revolution 1959 verbreitete sich der Gedanke revolutionärer Veränderungen in Lateinamerika, das durch extreme Ungleichheit gekennzeichnet war. Soziale Missstände aufzudecken bzw. im wortwörtlichen Sinne sichtbar zu machen, wurde zunehmend auch ein Anliegen lateinamerikanischer Filmschaffender, die sich als Akteure im politischen Kampf begriffen und einen eigenen Beitrag zu sozialer Transformationen leisteten.
In der Dissertation stehen die Studentenproteste Mexikos, die am 2. Oktober 1968 mit den Ereignissen rund um das „Massaker von Tlatelolco“ ihren Höhepunkt fanden, aber auch die Arbeiter- und Studentenproteste, die 1969 in Córdoba in Argentinien stattfanden, im Mittelpunkt. Sie werden hier als Kernereignisse sozialer Mobilisierung der Länder betrachtet und die bislang übersehene Rolle von Filmemachern dabei untersucht. Hier ist von Bedeutung, dass die Studentenproteste Mexikos von Filmstudierenden der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) begleitet wurden. Aus diesem Material wurde u.a. der Film El Grito (1968) von Leobardo López Arretche geschnitten. Auch rund um den Cordobazo entstanden Filme so u.a. Argentina, mayo de 1969: los caminos de la liberación (1969) der Grupo Realizadores de Mayo, die als Kollektiv auftraten.

Referenzen:
Encuentro con Fernando Birri, aus: John Hay Library, Brown University, Fernando Birri Archive, Box 1/Folder 3.
Getino, Octavio/ Solanas, Fernando E.: Towards a Third Cinema [erstmals erschienen auf Spanisch „Hacia un tercer cine“, in Tricontinental (Kuba) 13 (1969], in: MacKenzie, Scott (Hrsg.): Film Manifestos Global Cinema Cultures, University of California Press, California 2014.
Schroeder Rodríguez, Paul A.: Latin American Cinema. A Comparative History, University of California Press 2016.
Almeida, Paul: The Social Movements. Structure of Collective Mobilization, University of California Press, California 2019.

Filmgeschichte, Lateinamerika und transatlantische Wissenszirkulation: Das internationale Netzwerk von Paulo Emílio Salles Gomes

Postdoc Projekt von Dr. Ricardo Borrmann

Gefördert durch den Zentralen Forschungsbereich (ZF) der Universität Bremen
Laufzeit: 2019-2022

Dieses Projekt untersucht die Rolle lateinamerikanischer Intellektueller und transatlantischer Wissenszirkulation in der Filmgeschichte anhand der Rekonstruktion des internationalen Netzwerks des brasilianischen Filmkritikers Paulo Emílio Salles Gomes (1916-1977). Es problematisiert somit fixe Vorstellungen in der Kulturgeschichte wie etwa „Transfer“ und „Einfluss“.
Ausgehend vom transnationalen Netzwerk von Salles Gomes wird in diesem Projekt die Zirkulation von Filmbeständen und -wissen durch die Wirkungskraft lateinamerikanischer Intellektueller und ihrer Netzwerke in der Filmgeschichte untersucht, insbesondere bei der Entwicklung von Filmotheken und Filmarchiven als Orte der Bewahrung und Vermittlung des Filmgedächtnisses.
Wie eifrig engagierten sich LateinamerikanerInnen aus seinem Kreis in den transatlantischen Debatten, die zur Verbreitung der Filmkultur im 20. Jahrhundert führten? Wie weitreichend war Salles Gomes internationales Netzwerk? Welchen Einfluss übten solche intellektuellen Netzwerke wiederum auf seine Arbeit als Filmkritiker aus? Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen soll die Filmgeschichte aus einem transatlantischen Blickwinkel erfasst und eine neue Sicht auf die Kulturgeschichte Lateinamerikas entwickelt werden, die auf Kritiker, Austausch von Filmbeständen und internationalen Netzwerken fokussiert ist.
Vor diesem Hintergrund lautet die Hypothese, dass lateinamerikanische Filmkritiker sich nicht nur aktiv an den transnationalen Debatten beteiligten, die zur weltweiten Verbreitung einer neuen Filmkultur mit eigenen Institutionen wie etwa Museen und Archiven führte, sondern dass sie an deren Verlauf maßgeblichen Anteil hatten. Das Netzwerk von Salles Gomes wird hier als paradigmatischer Fall zur Beobachtung dieser transatlantischen Film- und Wissenszirkulation in der Filmgeschichte analysiert.
Das Projekt setzt eine enge Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Geschichte Lateinamerikas und Filmwissenschaften voraus, die durch die Kooperation zwischen Prof. Dr. González de Reufels und Prof. Dr. Winfried Pauleit im Rahmen des ZeMKI gegeben ist. Vor diesem Hintergrund kann dieses Projekt von bereits bestehenden Kooperationen profitieren und zugleich zum Ausbau der Forschung im Bereich der lateinamerikanischen Kultur- und Filmgeschichte bzw. der Brasilien-Studien beitragen.

Lehrvideoprojekt zur Einführung in die Geschichte Lateinamerikas

Im Jahr 2019 hat Prof. Dr. Delia González de Reufels zur Einführung in die Geschichte Lateinamerikas das Lehrvideoprojekt „hislatina“ ins Leben gerufen. Mit kurzen Erklärvideos werden Grundkenntnisse zu den Hauptepochen der lateinamerikanischen Geschichte vermittelt, zu denen die Altamerikanischen Kulturen, Kolonisierung, Unabhängigkeitsprozesse, Nationalstaaten und Zeitgeschichte gehören. Die Website ist als interaktives Projekt angelegt und wird um Textproduktionen der Studierenden erweitert. 

Die Website des Projekts findet sich hier: https://blogs.uni-bremen.de/hislatina/  

Social Policies and the Media

The Creation and Circulation of Images of State Intervention in the 20th Century.

Am 27. November 2018 durften wir zu unserem Workshop  „Social Policies and the Media: The Creation and Circulation of Images of State Intervention in the 20th Century" einladen, der von Prof. Dr. Delia González de Reufels organisiert wurde. Dr. Ricardo Borrmann und Dr. Teresa Huhle haben Panels des Workshops moderiert. 

Hier finden Sie als Rückblick das Programm des Workshops

Research in Film and History

Seit 2018 gibt es die von Prof. Dr. Delia González de Reufels, Prof. Dr. Winfried Pauleit und Dr. Rasmus Greiner herausgegebene online Zeitschrift "Research in Film and History". 

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ZeMKI-Lab "Audio-visuelle Medien und Geschichtsschreibung"

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Aktualisiert von: M.Fritzsche