Hörgeräte verbessern das Hörvermögen – aber in den kleinen Apparaten steckt viel mehr: als Gesundheitszentrale am Ohr können sie zukünftig vielfältige Aufgaben übernehmen. Konkrete Ansätze verfolgen in den kommenden fünf Jahren die Universitäten Oldenburg und Bremen. Gemeinsam werden die Forschenden Hörgeräte mit zusätzlichen Funktionen ausstatten, die rechtzeitig vor einer Sturzgefahr warnen, kognitive Veränderungen erkennen oder den Verlauf einer Parkinson-Erkrankung dokumentieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert mit rund 6,5 Millionen Euro das Graduiertenkolleg HEARAZ (Hearable-zentrierte Assistenz: Vom Sensor zur Teilhabe), das von beiden Universitäten gemeinsam beantragt wurde. In der ersten Förderphase wird insgesamt 15 Forschenden die Möglichkeit zur Promotion gegeben. Dazu kombinieren sie ihre Kompetenzen und Labore: Oldenburg verfügt über langjährige Erfahrungen in der Hörgeräteforschung und bietet medizinische Fachdisziplinen an, während Bremen die Expertise der Biosignal- und Sprachverarbeitung sowie pflegewissenschaftliche Kompetenzen liefert. An der mitantragstellenden Universität Bremen sind mit der Co-Sprecherin von HEARAZ, Tanja Schultz, Professorin für Kognitive Systeme und Karin Wolf-Ostermann, Professorin für Pflegewissenschaftliche Versorgungsforschung vom Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP) zugleich die Co-Sprecherinnen der Wissenschaftsschwerpunkte "Minds, Media, Machines" und „Gesundheitswissenschaften“ sowie Haizhou Li, Professor für Informatik und U Bremen Excellence Chair des Wissenschaftsschwerpunktes "Minds, Media, Machines" in HEARAZ eingebunden. HEARAZ bringt Forschende unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen, darunter Promovierende aus der Informatik, Physik, Medizin und Pflegewissenschaft, den Neurowissenschaften, Versorgungswissenschaften sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Im Fokus stehen unterschiedliche Ansätze, Hörgeräte zu sogenannten Hearables weiterzuentwickeln, die Träger:innen als Gesundheitsassistenz durch den Alltag begleiten. Am Ohr aufgezeichnete Gehirnströme können Auskunft über die Aufmerksamkeit geben. Biosignale wie Blutdruck und Puls lassen sich ebenso messen wie die Bewegungen einer Person. Die Mikrofone eines Hearables können neben Sprechweisen und Körpergeräuschen auch Umgebungsgeräusche registrieren. So möchten die Forschenden beispielsweise Sprachmerkmale der Hörgeräte-Tragenden auswerten, denn kognitive Veränderungen, wie sie bei Demenzen auftreten, haben einen Einfluss auf die Sprechweise. Neben den medizinischen und technischen Faktoren untersucht das Forschungsteam auch die sozialen und ethischen Fragen, die mit einer Gesundheitszentrale am Ohr einhergehen.
Aus pflegewissenschaftlicher Perspektive wird Karin Wolf-Ostermann unter anderem ein Projekt betreuen, welches der Frage nachgeht, wie sich Hearables auf die Gesundheit und soziale Teilhabe von Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf auswirken. Dabei soll evaluiert werden, ob ein solches Gerät beispielsweise die Lebensqualität der Nutzenden erhöhen und die Belastung der Pflegenden verringern kann.
„Das Graduiertenkolleg HEARAZ ist ein hervorragendes Beispiel für die erfolgreiche Forschungskooperation mit der Universität Oldenburg und erweitert diese um eine völlig neue Perspektive“, sagt Prof. Dr. Jutta Günther, Rektorin der Universität Bremen. Neben der interuniversitären Kooperation zwischen Oldenburg und Bremen stärkt das Graduiertenkolleg auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Universität Bremen: „Mit HEARAZ etablieren wir ein weiteres Projekt an der Schnittstelle der beiden Wissenschaftsschwerpunkte ‚Gesundheitswissenschaften‘ und ‚Minds, Media, Machines‘. Diese Verknüpfung der Expertisen aus Informatik und Gesundheitswissenschaften ist essentiell für zukunftsweisende Innovationen im Bereich der Gesundheit“, sagt Karin Wolf-Ostermann.