Im Bundesgesundheitsblatt ist aktuell die Publikation „DIVERGesTOOL – Entwicklung einer Toolbox zur Erfassung geschlechtlicher Vielfalt in der quantitativen Gesundheitsforschung“ erschienen, die federführend von Sophie Horstmann und Gabriele Bolte aus der Abteilung für Sozialepidemiologie des Instituts für Public Health und Pflegeforschung verfasst wurde. In dieser Publikation wird die anwendungsorientierte DIVERGesTOOL Toolbox zur Erfassung geschlechtlicher Vielfalt vorgestellt, die im Rahmen des Forschungsprojekts DIVERGesTOOL entwickelt wurde. Das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Projekt wurde von 2020 bis 2023 in Kooperation mit den Gender Studies der Humboldt-Universität zu Berlin und der Gendermedizin des Medical Centers der Radboud University in Nijmegen durchgeführt.
Bedarf der Berücksichtigung von geschlechtlicher Multidimensionalität und Variabilität
In der Gesundheitsforschung rückt zunehmend die Notwendigkeit, das Geschlecht der Untersuchten systematisch zu berücksichtigen, in das Bewusstsein von Forschenden, Entscheidungstragenden und Politik. Hierbei wird es bislang weitgehend routinemäßig über ein einziges, binäres Item erfasst, das ausschließlich zwischen den beiden distinkten Kategorien „Frau“ und „Mann“ unterscheidet. Ein Ansatz, der der großen Komplexität und Dynamik von Geschlecht nicht gerecht wird.
So wird durch die Erfassung von Geschlecht über ein einziges Item der Beitrag, den die einzelnen Geschlechterdimensionen auf das Auftreten gesundheitsbezogener Outcomes haben, verschleiert und potenzielle Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Dimensionen bleiben unentdeckt. Gleichzeitig ignoriert die binäre Unterteilung in Frau und Mann die Existenz von Personen, die sich außerhalb oder zwischen diesen Kategorien verorten.
Es zeigt sich somit die Notwendigkeit für komplexere, differenziertere, theoriebasierte und zugleich handhabbare Erhebungsinstrumente, um die unterschiedlichen Dimensionen von Geschlecht konsequenter in die Forschung zu integrieren. Hierauf bietet das Forschungsprojekt DIVERGesTOOL Antworten.
Entwicklung einer anwendungsorientierten Toolbox zur Erfassung geschlechtlicher Vielfalt
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes wurde eine anwendungsorientierte Toolbox zur Erfassung geschlechtlicher Vielfalt entwickelt. Der Entwicklungsprozess war partizipativ angelegt, Vertreter*innen großer epidemiologischer Studien in Deutschland wurden direkt einbezogen. Im Rahmen von vier gemeinsamen Workshops wurde eine Toolbox entwickelt, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt:
Die Basis-Items sind ein grundlegendes, allgemein nutzbares Set aus drei Fragen. Abgefragt werden das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht, das Vorliegen der Diagnose „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ und die Geschlechtsidentität. Zudem enthält die Toolbox Zusatz-Items mit beispielhaften Fragebogen-Items für spezifische Fragestellungen oder Studienpopulationen. Ergänzt wurden die Items um ausführliche Anwendungshinweise und Hintergrundinformationen.
Langfristig soll die DIVERGesTOOL-Toolbox Forschende dabei unterstützen, geschlechtliche Vielfalt in die eigene Forschung zu integrieren, und somit zu mehr Geschlechtersensibilität in der Gesundheitsforschung und validen Forschungsergebnissen beitragen.
Die Publikation ist ab sofort online verfügbar über die Website des Bundesgesundheitsblatts und wird zudem in gedruckter Form in der Septemberausgabe der Zeitschrift erscheinen.
https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-024-03915-4
Die Toolbox steht Interessierten online kostenlos über die Website des Projektes zur Verfügung (https://www.uni-bremen.de/divergestool-projekt/divergestool-toolbox).
Kontakt:
Sophie Horstmann
Abteilung Sozialepidemiologie
Institut für Public Health und Pflegeforschung
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