Abstracts

Renata Behrendt

Schreiben als Mittel der Reflexion. Spuren der reflection-in-action in schriftlichen Reflexionen der Unterrichtspraxis und ihr Potential für reflexive Professionalisierung im Lehramtsstudium (Vortrag)

In seiner Abhandlung zum Reflective Practitioner unterschiedet Donald A. Schön (1983) zwei Formen des reflexiven Denkens: reflection-in-action und reflection-on-action. Im Vortrag wird die erstgenannte Form fokussiert, die Schön mit den Worten „reshape what we are doing while we are doing” (Schön 1987, 26) charakterisiert. In der ersten Phase der Lehrkräftebildung wird der reflection-in-action eine geringe Relevanz zugesprochen (vgl. Leonhard/Abels 2017). Bei den Studierenden – so wird argumentiert – sei die Erfahrungsbasis als Lehrperson noch zu gering, als dass ein routiniertes knowing-in-action stattfinden würde (vgl. Dannemann et al. 2019, 24) oder Studierende hätten aufgrund der unzureichenden Praxiserfahrung noch nicht die notwendigen Handlungsroutinen entwickelt (vgl. Heinrich/Klewin/Lübeck 2019, 43f.). Zugleich finden sich aber Publikationen, in denen die reflection-in-action in den Praxisphasen des Studiums dokumentiert wird (vgl. Führer/Heller 2018, 122–125) wie auch solche, in denen die praktischen Erfahrungen als mögliche Grundlage für reflection-in-action professionstheoretisch begründet werden (vgl. Heinrich/Klewin/Lübeck 2019, 44).

Daran knüpft der Vortrag an und zeigt, dass die schriftlichen Reflexionen der Unterrichtspraxis Spuren von reflection-in-action enthalten. Diese werden inhaltsanalytisch aufgedeckt und anschließend auf die Reflexionstiefe (Bräuer 2014) und -breite (Leonhard et al. 2010 u. Hilzensauer 2017) analysiert. Die Grundlage der Untersuchung bildet ein Korpus von 54 schriftlichen Reflexionen der Lehramtsstudierenden des Faches Deutsch. Dieses Vorgehen ermöglicht es, das Schreiben von Reflexionen als einen Prozess offenzulegen, in dem aus praktischen Erfahrungen Wissen generiert wird. Die transformative Kraft des Schreibens wird im Vortrag anhand ausgewählter Beispiele aus der durchgeführten Analyse veranschaulicht.

Literatur

Behrendt, Renata (2023): Reflexives Schreiben zur Förderung der Reflexionskompetenz. Ein Lehrkonzept für die erste Phase der Ausbildung von Deutschlehrkräften. In: Lukas Mientus, Christiane Klempin & Anna Nowak (Hrsg.): Reflexion in der Lehrkräftebildung. Empirisch – Phasenübergreifend – Interdisziplinär. Universitätsverlag Potsdam, S. 371–377.

Bräuer, Gerd (2014): Das Portfolio als Reflexionsmedium für Lehrende und Studierende. Opladen/Toronto: Barbara Budrich (UTB 4141).

Dannemann, Sarah, Gillen, Julia, Krüger, Alexandra, Oldenburg, Maren & von Roux, Yvonne (2019): Zur Entwicklung des Leitbildes der Reflektierten Handlungsfähigkeit – Herausforderungen und Chancen für die erste Phase der Lehrer*innenbildung. In: Dannemann, Sarah, Gillen, Julia, Krüger, Alexandra & Roux von, Yvonne (Hrsg.): Reflektierte Handlungsfähigkeit in der Lehrer*innenbildung. Leitbild, Konzepte und Projekte. Berlin. Logos Verlag, S. 15–36.

Führer, Felician-Michael & Heller, Vivien (2018): Reflektieren als interaktive Praktik in Unterrichtsnachbesprechungen zwischen Mentoren und Deutsch-Studierenden im Praxissemester. In: Artmann, Michaela et al. (Hrsg): Professionalisierung in Praxisphasen der Lehrerbildung. Bad Heilbrunn: Julius Kinkhardt Verlag, S. 113–130.

Gillen, Julia (2007): Reflexion im beruflichen Handeln. Zur Funktion und Differenzierung des Reflexionsbegriffs. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 103. Band, Heft 4. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 525–537.

Heinrich, M., Klewin, G, & Lübeck, A. (2019). Reflektierte Handlungsfähigkeit in der Lehrer*innenbildung: Professionalisierungstheoretische Verortungen. In: Dannemann, S. et al. (Hg.): Reflektierte Handlungsfähigkeit in der Lehrer*innenbildung. Leitbild, Konzepte und Projekte, 37–49. Berlin. Logos Verlag.

Hilzensauer, Wolf (2017): Wie kommt die Reflexion in den Lehrberuf? Ein Lernangebot zur Förderung der Reflexionskompetenz bei Lehramtsstudierenden. Münster: Waxmann.

Kuckartz, u. & Rädiker, S. (52022): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computeruntersützung. Weinheim: Juventa.

Lahm, S. (2015): Schreiben als spreche man selbst. Lernen durch reflektierendes Schreiben in Lernveranstaltungen. In: Honegger, M. et al. (Hrsg.): Schreiben und Reflektieren. Denkspuren zwischen Lernweg und Leerlauf. Bern: hep verlag, S. 58–82.

Leonhard, T., Nagel, N., Rihm, T., Strittmatter-Haubold, V. & Wengert-Richter, P. (2010): Zur Entwicklung von Reflexionskompetenz bei Lehramtsstudierenden. In: Gehrmann, A., Hericks, U. & Lüders, M. (Hrsg.), Bildungsstandards und Kompetenzmodelle. Beiträge einer aktuellen Diskussion über Schule, Lehrerbildung und Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 111–127.

Leonhard, T & Abels, S (2017): Der „reflective practitioner“. Leitfigur oder Kategorienfehler einer reflexiven Lehrer*innen und Lehrerbildung? In: Berndt, C. / Häcker, T.H. & Leonhard, T. (Hrsg.): Reflexive Lehrerbildung revisited. Traditionen – Zugänge – Perspektiven. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 46–55.

Neuweg, G. H. (2021). Reflexivität. Über Wissen, Sinn und Grenzen eines Lehrerbildungsdidaktischen Leitbildes. Zeitschrift für Bildungsforschung 11, 459–474.

Paus, E. & Jucks, R. (2013). Reflexives Schreiben als Seminarkonzept in den Lehramtsstudiengängen. Zeitschrift für Hochschulentwicklung 8 (1), 124–133.

Sennewald, Nadja (2021): Schreiben, Reflektieren, Kommunizieren. Studie zur subjektiven Wahrnehmung von Schreibprozessen bei Studierenden. Bielefeld: wbv.

Schön, Donald A. (1983): The Reflective Practitioner: How Professionals Think in Action, New York, Basic Books or London: Maurice Temple Smith ltd.

Schön, Donald A. (1987): Educating the Reflective Practitioner. Toward a New Design for Teaching and Learning in the Professions. San Francisco: Jossey-Bass.

Störtländer, J.C., Fiedler-Ebke, W., Jürgens, E., Kindsvater, L., Klenner, D., Pieper,C. & Valdorf, N. (2020).

Kritisch-reflexive Professionalisierung in schulischen Praxisphasen. Fünf Reflexionsangebote und ihre wissenschaftliche Begleitung im Rahmen des bildungswissenschaftlichen Lehramtsstudiums an der Universität Bielefeld. Herausforderung Lehrer_innenbildung, 3(2), 399–435. doi.org/10.4119/hlz-2538

Wyss, C. & Mahler, S. (2021). Mythos Reflexion. Theoretische und praxisbezogene Erkenntnisse in der Lehrer*innenbildung. Journal für Lehrerbildung 1, 16–25.

Hannah Berner, Andreas Krafft

Die transformative Kraft des kreativen Schreibens an der Schnittstelle von Literatur- und Schreibdidaktik. Überlegungen zu Texten von Grundschulkindern aus dem jahrgangsübergreifenden Deutschunterricht. (Vortrag)

Das kreative Schreiben hat – auch aufgrund seines transformativen Potentials – im Deutschunterricht der Grundschule seit den 1990er Jahren einen hohen Stellenwert, ohne bisher systematisch und um- fassend hinsichtlich seiner Potentiale und Effekte erforscht worden zu sein (z. B. Hochstadt et al. 2022, 135 ff.).

Unter den Methodengruppen des kreativen Schreibens (Böttcher 2013, 25 ff.) bildet das ‚Schreiben zu und nach literarischen Texten‘ einen Ausgangspunkt für Verknüpfungen zwischen Schreib- und Literaturdidaktik, der bereits ab der Primarstufe Differenzierungsmöglichkeiten hinsichtlich der Lernausgangslagen und der angestrebten Kompetenzen eröffnet.

In unserer explorativen Studie zum Thema ‚Differenzierungspotenzial von Lyrik an der Schnittstelle von Literatur- und Schreibdidaktik‘ wird das transformative Potential kreativer Schreibprozesse in einem Schreibprojekt für eine jahrgangsübergreifende Lerngruppe einer Freiburger Grundschule ausgelotet. Im Zentrum steht die Frage, welche transformative Kraft das Schreiben zu Gedichten entfalten kann – abhängig davon, ob die Schreibaufgabe literaturdidaktisch (handlungs- und produktionsorientiert, s. Spinner 1999, 36 f.) oder schreibdidaktisch (Orientierung an der schreibenden Person, s. Fix 2008, 116) ausgerichtet wird. Ausgangspunkt ist die Idee, literaturdidaktische Schreibaufgaben mit handlungs- und produktionsorientierter Ausrichtung als Scaffolding (s. z. B. Kniffka/Siebert-Ott 2023, 107 ff.) für die Textproduktion zu nutzen.

Erste Ergebnisse zeigen, dass ungeübtere Schreiber:innen (Kl. 1–2) sich inhaltlich und formal noch eng am lyrischen Ausgangstext orientieren, was in schreibdidaktischer Hinsicht für eine produktorientierte Herangehensweise mit differenzierten Unterstützungsangeboten im Sinne des Scaffolding spricht. Hingegen lassen die umfangreicheren Textproduktionen geübterer Schreiber:innen (Kl. 3-4) Transformationen inhaltlicher und formaler Charakteristika des Ausgangstextes erkennen. Davon ausgehend soll im Vortrag gezeigt werden, wie Schreiben an der Schnittstelle von Literatur- und Schreibdidaktik unter produkt- und personorientierter Perspektive für Grundschulkinder transformatorisch wirksam werden kann.

Literatur

Böttcher, I. (82013): Methoden des kreativen Schreibens. In: Dies. (Hrsg.): Kreatives Schreiben. Grundlagen und Methoden. Beispiele, Vorschläge, Projekte. Ab Jahrgangsstufe 2. Berlin, S. 25–27.

Fix, M. (22008): Texte schreiben. Schreibprozesse im Deutschunterricht. Paderborn. Hochstadt, C./Krafft, A./Olsen, R. (32022): Deutschdidaktik. Konzeptionen für die Praxis. Tübingen.

Kniffka, G./Siebert-Ott, G. (42023): Deutsch als Zweitsprache: Lehren und Lernen. Paderborn.

Spinner, K. H. (1999): Produktive Verfahren im Literaturunterricht. In: Ders. (Hrsg.): Neue Wege im Literaturunterricht. Hannover, S. 33–41.

Gerd Bräuer

Überlegungen zum transformativen Potenzial des Schreibens (Vortrag)

Ich möchte meinen Vortrag einleitend als Anlass für eine Rückbesinnung auf meine erste Publikation zur amerikanischen Schreibwissenschaft (Bräuer 1996) nutzen und dabei vor allem auf die Aussagen von James Moffett (u.a. 1965 und 1968) zum transformativen Potenzial des Schreibens eingehen und an die sich anschließenden Meilensteine der frühen angloamerikanischen Composition Studies erinnern: James Britton (1971) und Janet Emig (1977) zum Kernstück schreibender Transformation, writing to learn; Lev S. Vygotsky (1978) zum zentralen schreibdidaktischen Tool für schreibende Transformation: scaffolding.

Im zweiten Teil meiner Ausführungen komme ich mit Moffett (1968) auf die curricularen (u.a. Genre-Bezug) bzw. institutionellen Rahmenbedingungen (u.a. Senior*innenstudium) bzw. Einflüsse (u.a. Schreibende im fortgeschrittenen Lebensalter) zu sprechen, welche die Entfaltung des Transformationspotenzials des (autobiografischen) Schreibens befördern oder aber auch behindern können.

Literatur

Bräuer, G. (1996). Warum Schreiben? New York u.a..: Peter Lang.

Britton, J. (1971). Language and learning. Coral Gables, FL: University of Miami Press.

Emig, J. (1977). Writing as a mode of learning. College Composition and Communication, 28, 122-128.

Moffett, J. (1965). I, You and It. College Composition and Communication, 16, 243-248.

Moffett, J. (1968). Teaching the universe of discourse. Boston, MA: Houghton Mifflin.

Vygotsky, L. S. (1978). Mind and society: The development of higher mental processes.

Cambridge, MA: Harvard University Press.

Prof. Dr. Ina Brendel-Kepser

Fanfiction: Kreative Fanpraxen als transformatives Schreiben in didaktischer Perspektive (Poster)

Als Fanfiction werden Texte bezeichnet, die Erzählungen aus populären Büchern, Filmen, Comics,Games, über Prominente usw. weiterschreiben, Welten miteinander vermischen und alternative Handlungen entwerfen. Das größte deutschsprachige Portal www.fanfiktion.de bietet Einblick in die Besonderheiten fankulturellen Lesens und Schreibens durch Kommunikation, Kooperation sowie Vernetzung und spezifische Textsorten der Fanfiction-Kultur.

Beim Schreiben in Fan-Communities nehmen die User:innen wechselseitig die Rolle von Lesenden und Schreibenden ein, um Feedback auszutauschen und reziprokes Handeln und Anerkennung im Sinne der Gift Culture zu gewährleisten. Fan-Communities repräsentieren nach Henry Jenkins eine Form der Partizipationskultur, die niedrigschwellige Zugänge zu künstlerischem Ausdruck ermöglicht, schöpferisches Tun unterstützt und soziale Beziehungen zwischen den Teilnehmer:innen stärkt.

Fanfiction stellt damit eine transformative kulturelle Praxis dar, deren kollaborative und interaktive Spezifika es zu bestimmen gilt, um entsprechende Potenziale für Lehren und Lernen beim Schreiben eigener Geschichten abzuleiten. Während die angloamerikanische Forschung die Potenziale von Fanfiction für Lernprozesse von Jugendlichen ausbuchstabiert, liegen in der deutschsprachigen Literatur-, Schreib- und Mediendidaktik, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bislang kaum Beiträge zu diesem Feld vor.

Mit dem Posterbeitrag sollen textuelle Bedingtheiten und fankulturelle Community-Praktiken, die das eigene Schreiben unterstützen, dargestellt werden. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass fankulturelle Wege Bildungswege (für alle) sind: Denn jede/r ist Fan von etwas und bringt dazu Interesse, Wissen und Expertise mit. Dass Fanfiction Schreibmotivation erzeugen kann, lässt sich anhand erster Explorationen im schulischen Feld belegt werden. Zudem werden Unterrichtsmodelle vorgestellt, die darauf abzielen, die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Fan-Seins anzuregen und über die (individuelle) Rezeption vorhandener Fanfiction im Netz zur Produktion eigener Fanfiction in der Community einer Schulklasse anzuleiten. Sie richten sich auf bestimmte Text- und Schreibformate von Fanfiction und/oder greifen konkrete Erzähl- und Textwelten der populären Medien auf, um Lernenden, die bislang vielleicht noch nie literarisch geschrieben haben, die besonderen Erfahrungen von Fanfiction-Autor:innen zugänglich zu machen.

Inga Buhrfeind, Andrea Karsten, Anja Voigt

Schreiben verändert? Eine interaktive Forschungswerkstatt zu Entwicklungs- und Transformationsräumen in Schreibprozessen. (Datensitzung)

Was kann das Schreiben denn verändern? Und vor allem, wie wird dies theoretisch und empirisch greifbar? In unserer interaktiven Forschungswerkstatt möchten wir gemeinsam mit den Teilnehmenden Materialauszüge aus drei verschiedenen qualitativen Forschungsprojekten im Hinblick auf die Fragen diskutieren, welche Entwicklungspotentiale das Schreiben im akademischen Kontext entfalten kann und wie Schreibende die durch das Schreiben erfahrenen Veränderungen wahrnehmen. Ausgehend von Gesprächstranskripten und Reflexionen aus drei Bereichen – einer kollektiven digitalen Schreibgruppe (Buhrfeind et al., 2022), einer lösungsorientierten Schreibberatung (Karsten, 2023; Lange & Wiethoff, 2014), und einem innovativen Schreiblehr-/Lernformat (Brommer et al., in Vorb.; Voigt & Schulz-Budick, 2020) – möchten wir Entwicklungsräume, die das Schreiben bereithält, ausloten. Wir gehen vor dem Hintergrund unserer drei Forschungsprojekte zum Sprechen, Schreiben und Reflektieren über das Schreiben davon aus, dass die Vielfalt und Komplexität von Schreibprozessen einen besonderen Raum für persönliche und soziale Transformation schaffen, den wir in unserer Sitzung ausleuchten wollen.

Konkret stellen wir den Teilnehmenden dazu drei ca. 1-seitige Materialauszüge zur Verfügung, die wir in Kleingruppen diskutieren. Ziel der interaktiven Forschungswerkstatt ist es, uns durch einen mikroanalytischen Blick auf das Forschungsmaterial der Vielfalt und Komplexität von Schreibprozessen in Entwicklungs- und Transformationsräumen analytisch zu nähern und einen ersten Einstieg zu Veränderungspotenzialen des Schreibens zu erfahren. Das Format eignet sich insofern für einen Tagungsauftakt, als dass Impulse für das Tagungsthema erarbeitet und diskutiert werden und dabei ebenso Gedanken für die eigene Forschungstätigkeit mitgenommen werden können.

Literatur

Buhrfeind, I., Neumann, A. & Wendt C. (2022). Räume für das Schreiben (er)schaffen – Ein reflektierender Erfahrungsbericht. Journal der Schreibwissenschaft, 13(24), 72–80.

Brommer, S., Fehling, J., Girgensohn, K., Kutzner, A., Lehmkuhl, J., Richter, V., Rödl, S., Schindler, K., Schulze, S.-C., Sennewald, N., Voigt, A. & Winkler, L.-L. (in Vorb.). Booksprints als schreibdidaktisches Lehr- und Lernformat in der Hochschullehre. Eine evaluationsbasierte Handreichung. Bielefeld: wbv.

Karsten, A. (2023). Wie hängen Schreiben und Identität zusammen? Schreibberatung als Raum für die Thematisierung und Entwicklung eines ‘Dialogical Self’. In Wetschanow, K., Unterpertinger, E., Kuntschner, E. & Huemer, B. (Hrsg.), Neue Perspektiven auf Schreibberatung (S. 141-158). Böhlau.

Schreiben verändert? Eine interaktive Forschungswerkstatt zu Entwicklungs- und Transformationsräumen in

Schreibprozessen. (Buhrfeind, I.; Karsten, A.; Voigt, A.)

Lange, U. & Wiethoff, M. (2014). Systemische Schreibberatung. In S. Dreyfürst & N. Sennewald (Hrsg.), Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung (S. 283-300). Barbara Budrich (UTB).

Voigt, A. & Schulz-Budick, D. (2020). Schreiben durch Forschendes Lernen fördern – ein Booksprint für Studierende. Working Paper der AG Forschendes Lernen in der dghd. uol.de/fileadmin/user_upload/lehre/flif/Homepage_neu/Working_Paper/WP-006_final.pdf

Dr. Vanessa Geuen

Ich schreibe mich um. Transformation durch autobiografisches Schreiben (Poster, Schreibexperiment)

WELCHE wissenschaftlichen Überlegungen stehen hinter meiner Idee?

Autobiografisch Schreibende verleihen dem eigenen Leben oder Teilbereichen davon Sinn und Ausdruck durch ihr Schreiben. In autobiografischen Genres geht es darum, „sich schreibend besser zu verstehen“ (Bräuer 2021, 100). So transformiert autobiografisches Schreiben die Schreibenden, weil sie ihre Emotionen, Wahrnehmungen und Gedanken umwandeln, umformen, umgestalten in Text. Es entsteht eine heilsame Wirkung (vgl. z.B. Heimes 2012; Petzold, Orth 2015) im Hinblick auf Gesundheit, Reflexionsprozesse, Sinnfindung oder „Gefühlstransformation[en]" (von Werder et al. 2011, 8). Dabei werden in Prosatexten Ereignisse in einer mehr oder weniger kohärenten Geschichte angeordnet, begründet, erklärt. In lyrischen Texten wird der Augenblick des gegenwärtigen Erlebens verdichtet und komprimiert.

WAS tun die Reisenden an der geplanten Station beim Markt der Möglichkeiten?

Der Schreibimpuls der Station ist: Wie mich mein Schreiben transformiert. Die Reisegruppen geben ihrer Schreibbiografie und der (Selbst-)Wirksamkeit ihres Schreibens Raum, indem sie kollaborativ oder einzeln lyrische Kurztexte (z.B. Vierzeiler, Haiku, Elfchen, freie Form) erstellen.

WARUM lyrische Kurztexte?

Zum einen haben die Gruppen wenig Zeit, zum anderen verdichten lyrische Texte auf Elementares.

WIE gestalten die Reisenden ihre Texte?

Ich stelle Postkarten bereit und Stempel. So können die Reisenden in kürzester Zeit ihre Texte intermedial gestalten und es entsteht eine Kartensammlung zum Leitthema der Tagung.

WORAUF ziele ich ab?

Die Reisenden erleben die transformative Kraft ihres Schreibens unmittelbar. Dadurch ergeben sich im besten Fall Ideen für kleine selbstreflexive Schreibinterventionen in Bildungs- und anderen Schreibkontexten. Darüber hinaus scheint die Verschränkung von Selbsterfahrungspraktiken und interdisziplinär verknüpften Theorien für die potenzielle weitere Erforschung autobiografischen Schreibens sinnvoll.

Ergänzung nach Friendly Feedback

Rückfrage war: Gibt es Möglichkeiten, Elemente im Nachgang der Tagung zu digitalisieren oder bereits während der Tagung auch online verfügbar zu machen, um das Experiment noch weiter im Kreis der schreibwissenschaftlich Interessierten zu teilen?

Antwort: Ich sehe zwei Möglichkeiten.

1. Man könnte im Nachgang bzw. während der Tagung die erstellten Karten fotografieren, um sie so digital verfügbar zu machen. Das Einverständnis der Reisenden müsste dafür sicherlich gewährleistet werden.

2. Während der Tagung könnte parallel ein Padlet aufgesetzt werden, in dem ebenfalls Karten (= Posts) erstellt werden mit lyrischen Texten. Hier würden die Stempel wegfallen, Posts können aber durch Fotos, Screenshots o.ä. ergänzt werden. Das Padlet müsste eine zweite Person mit betreuen, weil ich vermutlich nicht allein die analoge Station auf dem Markt der Möglichkeiten und das Padlet gut betreuen kann. Ggf. könnte ich dafür jemanden aus meinem Team im SchreibCenter der TU Darmstadt einbinden, der das ja von Darmstadt aus machen kann.

Literatur

Bräuer, Gerd: Schreibend sich als Schreibende Person besser verstehen lernen: anderen Schreibenden besser helfen können. In: Behrendt, Renata; David Kreitz (Hg.): Autobiografisches Schreiben in Bildungskontexten. Konzepte und Methoden. wbv: Bielefeld, S. 99-117.

Heimes, Silke (2012): Warum Schreiben hilft. Die Wirksamkeitsnachweise zur Poesietherapie. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen.

Petzold, Hilarion; Ilse Orth (2015): Poesie und Bibliotherapie. Entwicklung, Konzepte und Theorie – Methodik und Praxis des Integrativen Ansatzes. In: Dies. (Hg.): Poesie und Therapie. Über die Heilkraft der Sprache. Poesietherapie, Bibliotherapie, Literarische Werkstätten. Aisthesis Verlag: Bielefeld, S. 21-101.

Von Werder, Lutz; Barbara Schulte-Steinicke, Brigitte Schulte (2011): Die heilende Kraft des Schreibens. Patmos Verlag: Ostfildern.

Helena Grünebaum

Schreibkrise oder Krisen-Schreiben? Fanfiction als transformatives Medium. (Vortrag)

Schreiben verändert uns. Krisen verändern uns. Aber wie verändern Krisen das Schreiben? Und kann Schreiben auch eine Krise verändern? In meinem Beitrag reflektiere ich die wechselseitige Beeinflussung der Corona-Pandemie und des Schreibprozesses von Fanfiction-Autor*innen. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich Autor*innen dazu befragt, wie die Pandemie ihr Schreiben beeinflusst hat, aber auch, wie sich ihr Schreiben auf ihren Umgang mit der Krise ausgewirkt hat. Grundlage der Befragung waren unter anderem die Themenfelder Schreibroutinen, Schreibräume und die Community sowie Kommunikation zwischen Schreibenden und Lesenden. Schreibroutinen stellen einen essenziellen Teil des Schreibprozesses dar. Basierend auf Harpers (2013/2020) Annahmen bestehen diese sowohl aus zeitlichen, persönlichen aber auch Umweltfaktoren. Teil dieser Routine können Schreibräume sein. Wie Lehnen und Schindler (2019) zeigen, ist ein Schreibraum oft so viel mehr als ein Tisch und ein Computer. Außerdem muss sich ein Raum nicht ausschließlich auf physische Orte beziehen; auch das Internet stellt einen Schreibraum dar, in dem aus einer mutmaßlich einsamen eine kollaborative Handlung wird. In Fanfiction-Communities finden unterschiedlichste Formen der Zusammenarbeit statt, die von klassischen Kollaborationen (vgl. Lehnen 2014) über die Feedbackkultur des Beta-Lesens bis hin zu Schreibevents reichen.

Alle Teilnehmenden berichten über die oben genannten Faktoren, doch ihre Erfahrungen gehen, je nach individueller Lebenslage, stark auseinander. Anhand ausgewählter Interviews möchte ich die Schreib-, und Krisenprozesse einiger Autor*innen darstellen und zeigen, wie unterschiedlich ihr Schreiben durch die Corona-Pandemie beeinflusst wurde. Gleichzeitig möchte ich Fanfiction als transformatives Medium beleuchten, welches das Potenzial besitzt, den Umgang mit Krisensituationen positiv zu beeinflussen.

Literatur

Harper, Graeme (2013). “Creative Writing Habitats.” Key Issues in Creative Writing.Eds. Dianne Donnelly and Graeme Harper. Bristol i.a.: Multilingual Matters.

Harper, Graeme (2020). Discovering Creative Writing. New Writing Viewpoints, 17. Bristol: Multilingual Matters.

Lehnen, Katrin (2014). “Gemeinsames Schreiben.” Schriftlicher Sprachgebrauch – Texte verfassen. Deutschunterricht in Theorie und Praxis, 4. Eds. Helmuth Feilke and Thorsten Pohl. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren. 414-431.

Lehnen, Katrin/Schindler, Kirsten (2019). “Orte, Räume, Rituale. Erkundung von Schreibtischen und Arbeitsplätzen als Teil der Schreibforschung.“ Von (Erst- und Zweit-) Spracherwerb bis zu (ein- und mehrsprechigen) Textkompetenzen. KöBeS, 13. Eds. Lena Decker and Kirsten Schindler. Duisburg: Gilles & Francke. 225-247.

Christina Hollosi-Boiger, Panthea Baghbani, Katrin Miglar

Die Schreibtasche für Schreibdidaktik: Ein Blog zur Vernetzung, zum Austausch & zur Inspiration (Poster)

Die Schreibtasche ist ein Forum von Schreibdidaktiker*innen für Akteur*innen des wissenschaftlichen Schreibens, um sich über inhaltliche, didaktische sowie praktische Aspekte zum wissenschaftlichen Schreiben auszutauschen. Sie entstand im Rahmen einer Arbeitsgruppe der österreichischen Gesellschaft für wissenschaftliches Schreiben (gewisss.eu).

Während Vernetzung und inhaltlicher Austausch innerhalb der Scientific Community durch Tagungen, Netzwerktreffen bzw. Publikationen erfolgen, bleibt die Interaktion mit der Professional Community meist unidirektional: Zwar werden Erkenntnisse aus Schreibwissenschaft und -didaktik von Praktiker*innen und Professionals rezipiert/konsumiert, jedoch unterbleibt der Rückfluss von Erfahrungen und Praxiswissen.

Die Schreibtasche trägt dazu bei, diese Lücke zu schließen. Das Blogformat ermöglicht die direkte Interaktion – zeit- und orts-unabhängig: Beiträge können kommentiert, vorgeschlagen oder selbst verfasst werden. Die thematische Vielfalt der Schreibtasche spiegelt die schreibdidaktische Praxis wider; sie reicht von Schreibübungen bis zur Öffentlichkeitsarbeit von Schreibeinrichtungen, wie etwa:

  • Wie sind Schreibzentren institutionell verankert?
  • Wie/wodurch positionieren sich Schreibzentren an der Hochschule?
  • Welche Strategien wählen Schreibzentren im Umgang mit KI?
  • Welche OER-Materialien sind zur Anleitung von Schreiben und Lesen empfehlenswert?
  • Wie funktioniert Schreiblehre mit KI?
  • Welche Vernetzungsmöglichkeiten gibt es für Selbstständige (freie Schreibberater*innen)?

An diesem Marktstand lernen Sie die Schreibtasche kennen! Sie werden eingeladen, Beiträge zu kommentieren, mitzuschreiben und dadurch an einer anregend-angeregten Diskussion mitzuwirken.

Literatur

Bliss, Friederike R./Johanning, Anja/ Schicke, Hildegard (2006). Communities of Practice – Ein Zugang zu sozialer Wissensgenerierung (hrsg. vom Deutsches Institut für Erwachsenenbildung). www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2006/bliss06_01.pdf.

Hollosi-Boiger, Christina/Heller, Colin/Fischbacher, Rene (2022): Die GewissS-Schreibtasche. Austausch in und Partizipation an der Schreibcommunity. In: JoSch Online. Jg. 2022. DOI: 10.34895/fhcw.0004 bzw. www.josch-journal.de/2022/12/21/josch-online-die-gewisss-schreibtasche/

Iverson, Joel O. (2010). Knowledge, Belonging, and Communities of Practice. In H. E. Canary & R. D. McPhee (Hrsg.), Communication and Organizational Knowledge. Contemporary Issues for Theory and Practice (S. 57–74.) New York: Routledge.https://doi.org/10.4324/9780203874509-9

Hollosi-Boiger, Christina (19. April 2022). Wer sind die Akteur*innen der Schreibcommunity? Die Schreibtasche für Schreibdidaktik. Abgerufen am 6. September 2024 von doi.org/10.58079/twpi

Mayer, Brigitte (8. Oktober 2021). Die Schreibtasche für Schreibdidaktik. Die Schreibtasche für Schreibdidaktik. Abgerufen am 6. September 2024 von doi.org/10.58079/twph

North, Stephen. M. (1984). The Idea of a Writing Center. College English, 46(5), 433–446. doi.org/10.2307/377047

Stanislav Katanneck

Peer-Feedback vs. KI-basiertes Feedback: Ein Mixed-Methods-Design zur Untersuchung von Feedbackeffekten auf Textqualität und Selbstregulation (Datensitzung)

Feedback ist einer der stärksten Einflussfaktoren auf den Lernerfolg (vgl. Hattie & Timperley 2007). In der Schreibforschung stellt sich allerdings weiterhin die Frage, „unter welchen Bedingungen welche Feedbackarten wirksamer sind“ (Marx 2022: 91). Die Frage, in welcher Form und in welcher Abfolge Peer-Feedback und/oder KI-basiertes Feedback für die Verbesserung der Textqualität hilfreich sind, wird in der Schreibforschung weitestgehend vernachlässigt. Am Beispiel der Überarbeitung einer argumentativen Schreibaufgabe soll gezeigt werden, wie sich die Textqualität nach einem Peer- und KI-basiertem Feedback verbessert. Außerdem wird untersucht, inwieweit sich das Feedback auf die Selbstregulation und andere affektive Variablen wie Kognitives Engagement und Kognitive Belastung auswirkt. Im Fokus stehen deshalb die folgenden Forschungsfragen:

  1. Ist die Kombination von Peer- und KI-basiertem Feedback (insb. ChatGPT) effizienter als Peer- und KI-basiertes Feedback allein in Bezug auf die Textqualität?
  2. Hat die Reihenfolge in einem kombinierten Feedbacksystem (Peer-Feedback und KI-basiertes Feedback) einen Einfluss auf die Textqualität?
  3. Wie werden die Effekte des Feedbacks von kognitiven und affektiven Variablen moduliert?

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird eine empirische Studie mit einem Explanatory Sequential Mixed-Methods-Design (QUANT ® qual) durchgeführt, in der Deutschlernende aus zwei studienbegleitenden Sprachkursen auf den Niveaustufen B2.2 und C1.1 eine argumentative Schreibaufgabe bearbeiten. Der quantitative Teil umfasst die Analyse der Textproduktionen sowie die Auswertung von geschlossen Items in einem Fragebogen zur Analyse der Selbstregulation (adaptiert von Papi et al. 2019). Die qualitative Erhebung beinhaltet Interviews in Fokusgruppen, um ein ganzheitliches Bild der Feedbackprozesse zu erhalten. In der Datensitzung werden anhand von Leitfragen schwerpunktmäßig die quantitativen Daten beleuchtet und exemplarische Beispiele diskutiert, inwiefern verschiedene Formen des Feedbacks die Selbstregulation fördern und die Textqualität verbessern.

Literatur

Hattie, J., Timperley, H. (2007): The Power of Feedback. Review of Educational Research, 77 (1), 81–112. DOI: https://doi.org/10.3102/003465430298487

Marx, N. (2022): Keine Qual der Wahl. Zum Uptake von Feedback zu schriftlichen Texten. In: Burwitz-Melzer, Eva/ Riemer, Claudia/ Schmelter, Lars (Hrsg.): Feedback beim Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen. Arbeitspapiere der 42. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr, 89–100.

Papi, M., Rios, A., Pelt, H., & Ozdemir, E. (2019). Feedback-seeking behavior in language learning: Basic components and motivational antecedents. The Modern Language Journal, 103, 205–226.

Susanne Klug

Die Morgenseite als Mittel der Selbstreflexion und Selbsttranszendenz (Vortrag)

Julia Camerons Morgenseiten sind der Schreibwelt seit den 1990er Jahren als kreativitätsfördernde Technik bekannt. Von Forschungsinteresse ist nun, inwiefern sich dieses Format der umfassenden Selbstreflexion für die Schreibentwicklung von Studierenden im Zeitalter von Home- und Online-Learning zielgruppengerecht adaptieren lässt und wie die Studierenden dessen Wirksamkeit bewerten. Um dies herauszufinden, wurde die Morgenseite seit Pandemiebeginn 2020 im Rahmen einer asynchronen Lehrveranstaltung zum wissenschaftlichen Schreiben an der Universität Stuttgart erprobt und evaluiert. Das Konzept der Morgenseite soll zunächst ein lockeres Ins-Schreiben- Kommen im Home-Learning bewirken. Der Verzicht auf einen Qualitätsanspruch an das Textprodukt soll potentielle Schwellenängste vor dem Schreiben oder Schreibverkrampfungen lösen. Dabei galt es in Erfahrung zu bringen, ob den Studierenden das Schreiben der Morgenseite grundsätzlich leicht oder schwerfiel und ob innere Widerstände überwunden werden mussten. Zudem sollte eruiert werden, ob sich positive psychologische Effekte der Entlastung, der Selbststrukturierung und/oder unerwartete Kreativität einstellten. Die Evaluation wurde in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt, die unmittelbar nach dem Ausführen einer Übung zu bearbeiten war. In insgesamt drei Iterationen sollten die Studierenden allgemeine und spezifische Beobachtungen identifizieren und die Wirksamkeit der einzelnen Varianten der Morgenseite auf ihr persönliches Schreib- und Arbeitsverhalten sowie auf ihre emotionale Konstitution festhalten und miteinander vergleichen. Die Auswertung erfolgte nach der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse. Es wurde ein besonderes Augenmerk auf die Suche nach Formulierungen gelegt, die transformative Prozesse bis hin zur Selbsttranszendenz, anklingen lassen. Das Datenmaterial zeigte, bei einer sich majoritär aus MINT- Studierenden konstituierenden Proband*innen-Gruppe, ein überraschend positives Ergebnis.

Literatur

Cameron, Julia: The Artist’s Way. New York 1992.

Kuckartz, Udo; Rädiker, Stefan: Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim 2022.

Dagmar Knorr

Warum sind KI-generierte Texte sprachlich so überzeugend? Eine textlinguistische Analyse (Vortrag)

KI-generierte Texte erscheinen qualitativ sehr gut. Sie nehmen das Thema der Frage auf, sind gut verständlich und klar strukturiert. Selbst wenn Nutzende wissen, dass KI-Tools halluzinieren oder als stochastische Papageien agieren (vgl. Albrecht 2023), sind sie einer verführerischen Kraft ausgesetzt, Textteile aufgrund der sprachlichen Qualität zu übernehmen. Woran liegt das? Dieser Frage gehe ich in meinem Vortrag nach.

Zunächst wird ein kurzer Überblick über Verfahren der linguistischen Textanalyse gegeben. Ein kleines Korpus mit ChatGPT 3.5 KI-generierte Texte wird dann textlinguistisch nach dem Ansatz von Brinker (2005) auf Merkmale der Kohärenz und Kohäsion analysiert.

Aus den Analyseergebnisse werden Herausforderungen und Implikationen für die Institution Hochschule, die Gruppe der Lehrenden sowie die Gruppe der Studierenden abgeleitet, um das Potenzial des Schreibens als Lern- und Denkwerkzeug weiterhin nutzen zu können.

Literatur

Albrecht, Steffen (2023): ChatGPT und andere Computermodelle zur Sprachverarbeitung. Grundlagen, Anwendungs- potenziale und mögliche Auswirkungen [Hintergrundpapier; 26]. Berlin: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. https://www.bundestag.de/resource/blob/944148/30b0896f6e49908155fcd01d77f57922/20-18-109-%20Hintergrundpapier-data.pdf, (11.11.2023).

Brinker, Klaus (2005): Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt.

Kollektiv „Schreiben barrierefrei(er) gestalten“

Dijana Simić und Erika Unterpertinger in Zusammenarbeit mit Lisa Pfahl, Julia Ganterer, Andrea Urthaler und Stefanie Preiml

Schreiben zur Transformation – Schreiben in Transformation: Barrierefreiheit und Teilhabe als Grundlage einer inklusiven Schreibdidaktik (Poster)

In der universitären Lehre eignen sich Schreibübungen wie Freewriting oder Clustering, um Studierende auf die für viele mit Unsicherheiten verbundene Praxis des wissenschaftlichen Schreibens vorzubereiten. Diese Übungen sollen transformativ wirken. Selten wird aber berücksichtigt, dass sie auf ableistischen Vorannahmen fußen und gleichzeitig Barrieren aufbauen: Sie sind nämlich nicht für alle Teilnehmenden gleichermaßen durchführbar. Es ist daher notwendig, Schreibdidaktik inklusiver zu gestalten.

Das Thema „Barrierefreiheit und Teilhabe“ ist in der deutschsprachigen Schreibwissenschaft noch wenig beachtet. Erst allmählich werden von den USA ausgehend die Korrelationen zwischen Behinderung, psychischer Gesundheit und Schreiben beleuchtet. Dies nimmt das geplante Worldcafé zum Anlass, um Schreibwissenschaft und Disability Studies im Sinne einer inklusiven Schreibdidaktik zusammenzuführen sowie partizipativ ein Konzept des barrierefreie(re)n Schreibens zu erarbeiten.1

Zunächst schaffen wir ein Bewusstsein für die ableistischen Strukturen, die den Zugang zum Schreiben in schreibdidaktischen Anleitungen ebenso prägen wie den Schreibprozess als solchen und den Text als Schreibprodukt. Im zweiten Schritt dokumentieren und diskutieren wir die bisherigen Erfahrungen der Teilnehmenden mit Barrierefreiheit und Teilhabe, um schreibdidaktische Anleitungen samt Schreibprozessen in Anlehnung an Universal Design barrierefrei(er) zu gestalten. Schließlich beschäftigen wir uns am Beispiel der barrierefreien digitalen Bibliothek bidokbib damit, wie auch der Text als Schreibprodukt barrierefrei(er) gestaltet werden kann.

Im Zentrum des Wordcafés steht eine ableismuskritische Reflexion der Vermittlungspraktiken des wissenschaftlichen Schreibens, die eine nachhaltige Transformation der Schreibdidaktik im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) 4, 5, 10 und 17 und des damit zusammenhängenden Mottos “Leave no one behind!” anstrebt.

1 Wir danken unserer Innsbrucker Kollegin Julia Tschuggnall für das anregende Pausengespräch, aus dem der Begriff des barrierefrei(er)en Schreibens hervorgegangen ist. Besonderer Dank gebührt den Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien, die mit ihrer Frage nach barrierefrei(er)en Schreibübungen dieses Projekt angeregt haben.

Sigrun Meinig

Writing On: Prompting, Metacognition and the Question of the Transformation of Writing (Vortrag)

In the pervasive discussion of generative AI tools, prompting has often been identified as a decisive skill for producing successful texts. The Hochschulforum Digitalisierung, for example, offered a three-module Prompt Labor with detailed workbooks, asking participants to create a prompt database. Many websites on Academic Writing with AI Tools begin with hints for prompting like the comprehensive Writing Center website of the University of North Carolina. Yet, the use of prompts has been ubiquitous in Writing Studies as a title such as Prompt: A Journal of Academic Writing Assignments indicates. Traditionally, however, writers receive the prompts and do not create them. This paper will explore this contrast to show that writing will most likely not change as fundamentally as has been suggested. Instead, the strengths of writing and writing pedagogy (Buck and Limburg) with its existing strategies will support and guide writers working with generative AI tools in higher education.

Successful prompting is hard for writers who are not AI experts (Zamfirescu-Pereira et. al.). Dagmar Knorr also points out that working with AI tools “mirrors” the writers’ skills (Habilitation Presentation Hildesheim, May 2024). This is arguably especially revelatory where metacognitive skills are concerned: “What strategies do they currently use and what actions can they take to change their practice?” (Santelman 112 and Teng). This paper will focus on one central area in Academic Writing – finding a topic resp. developing a research question and the formulation of a thesis statement – and explore how strategies from research on writing and metacognition allow student writers to develop and utilise their awareness of the different, usually earlier timing of the AI tool prompts that demands stronger metacognitive skills. This includes a discussion of how the iterative refinement that is necessary for AI tool prompting (Ekin) is central to the teaching of the writing process (Limburg) and its metacognitive dimension.

Literatur

Buck, Isabell and Annika Limburg (2023). “Hochschulbildung vor dem Hintergrund von Natural Language Processing (KI-Schreibtools).” In: die hochschullehre, 9:6, 70-84.

Ekin, Sabit. (2023). Prompt Engineering For ChatGPT: A Quick Guide To Techniques, Tips, And Best Practices. 10.36227/techrxiv.22683919.

Limburg, Annika (2022). “Mikroskopisch, zyklisch und kooperativ: Schreibgedanken zur Reflexivität einer Schreibwissenschaft.” In Haacke-Werron, Stefanie, Andrea Karsten and Ingrid Scharlau (eds.), Reflexive Schreibwissenschaft. Disziplinäre und praktische Perspektiven, 133–137.

Santelmann, Lynn M., Danelle D. Stevens and Staci B. Martin (2018). “Fostering Master’s Students’ Metacognition and Self-regulation Practices for Research Writing.” In: College Teaching, 66(3), 111–123.

Teng, Mark Feng (2021). “Effects of Individual and Group Metacognitive Prompts on Tertiary- Level Students’ Metacognitive Awareness and Writing Outcomes.” In: Asian-Pacific Education Researcher, 31:5, 601-612.

Zamfirescu-Pereira, J. D. et. al. (2023). “Why Johnny Can't Prompt: How Non-AI Experts Try (and Fail) to Design LLM Prompts.” In: Proceedings of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI '23), April 23–28, 2023, Hamburg, Germany. doi.org/10.1145/3544548.3581388

Katrin Miglar

Transformiertes und transgressives Schreiben. Die Adaption von bell hooks‘ pädagogischen Konzepten für die Schreibdidaktik (Vortrag)

Der Call for Participation geht davon aus, dass sich die Kulturtechnik Schreiben in einer transformativen Phase befindet. Transformation wird in verschiedenen Disziplinen wie Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Politikwissenschaft, Medien- oder Bildungswissenschaften diskutiert und steht für eine grundlegende Neuordnungen und einen Systemwechsel. In meinem Vortrag möchte ich dem Begriff der Transformationen jenen der Transgression zur Seite stellen beziehungsweise diese miteinander in Beziehung setzen. Während ‚transformieren‘ von lat. trānsformāre ‚formen, gestalten, bilden‘ eine Veränderung beziehungsweise Umwandlung beschreibt, bezeichnet Transgression die Überschreitung von Grenzen. Der Begriff Transgression wurzelt unter anderem in philosophischen Konzepten wie jenen von Michel Foucault und steht für die Überschreitung von (sozialen) Normen und Grenzen. Damit sollen die aktuellen Veränderungen im Kontext von textgenerierenden KI-Tools nicht nur als tiefgreifender Strukturwandel betrachtet, sondern auch dessen Potentiale und Risiken für eine kritische Unterrichtspraxis beleuchtet werden. Dazu möchte ich konkret die pädagogischen Ansätze von bell hooks aus Teaching to Transgress. Education as Practice of Freedom (1994) auf die Schreibdidaktik übertragen und für diese fruchtbar machen. Wie können individuelle Grenzen von Wissen, Erfahrung und Identität thematisiert werden? Wie kann Schreiblehre gestaltet sein, damit alle gleichermaßen zum Lernen befähigt, gar dazu angeregt werden? Im Vortrag soll analysiert werden, wie das Konzept der transgressiven Pädagogik für die Schreibdidaktik adaptiert werden könnte – vor allem unter postkolonialen, gesellschafts- und sozialpolitischen sowie feministischen Gesichtspunkten. Dadurch soll die Diskussion rund um die Transformation des Schreibens um den Begriff der Transgression erweitert werden.

Literatur

bell hooks (2009). Teaching Critical Thinking. Practical Wisdom. New York: Routledge.

bell hooks (2003). Teaching Community. A Pedagogy of Hope. New York: Routledge.

bell hooks (1994). Teaching to Transgress. Education as the Practice of Freedom. New York: Routledge.

Eckert, L. & Martin, S. (Hrsg.). (2016). Schöner Lehren – gegendert und gequeert. Marburg: Schüren.

Foucault, M. (2003). Vorrede zur Überschreitung. In D. Defert (Hrsg.), Michel Foucault. Schriften zur Literatur (S. 64–85), Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Margret Mundorf

Warum Automatisieren? Lesen, Schreiben, Daten verarbeiten und die transformative Kraft der Algorithmen. Ein empirischer Blick auf textbasierte Fachdomänen (Vortrag)

Gründe, um Lesen und Schreiben zu automatisieren, gibt es zuhauf. In der Arbeitswelt evozieren große Sprachmodelle (LLMs) mit ihrem Automatisierungspotenzial teils immense Erwartungen an Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen, häufig verbunden mit zweckrationalen ebenso wie skeptischen Erwägungen. Generative KI hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Schreiben sowie den Umgang mit Daten und Wissen. Betroffen scheinen nahezu alle Domänen und im Unterschied zu früheren technologischen Innovationswellen gerade Hochqualifizierte und Beschäftigte, die vornehmlich mit Text und Wissen arbeiten (z. B. McKinsey Global Institute MGI 2023, vgl. Grienberger et al. 2024; Hartwig et al. 2023).

In meinem Vortrag konzentriere ich mich auf KI-Anwendungen für fachliches Schreiben am Beispiel der traditionell textbasierten Domäne des Rechts: Juristisches Handeln bedeutet im wesentlich Spracharbeit (Wimmer 2009) und Textarbeit (Müller 1994, Busse 1992, 2017). Es liegt nahe, dass der Einsatz von algorithmischen und KI-Systemen zum Schreiben nicht ohne Folgen für berufliches Handeln bleibt und – in einer Gesellschaft, die als „verrechtlicht“ gelten kann (Felder/Vogel 2017: XVIII) – auch nicht folgenlos für letztere insgesamt. Anhand zweier kleinerer Teilkorpora bestehend aus Websites zu KI-Anwendungen im Recht gehe ich aus linguistischer und schreibdidaktischer Perspektive der Frage nach dem „Warum“ des Automatisierens und (noch) Schreibens nach. Meine Analyse umfasst a) Produktdarstellung und Werbekommunikation von Anbieterwebsites und b) Projektseiten von Modell- und Forschungsprojekten, die den Einsatz von KI-Technologien in Institutionen des Rechts zum Gegenstand haben. Dabei leiten mich zwei Fragenkomplexe: Erstens: Was gibt es und wofür? Für welche Aufgaben, Funktionen und Ziele werden Automatisierungen und generative KI (etwa in der Rechtsanwendung und -verwaltung oder für den Rechtszugang) eingesetzt? Zweitens: Mit welchen sprachlichen Mitteln wird über automatisierte Sprach- und Textverarbeitung kommuniziert? Wie werden Schreiben und Lesen auf den Websites sprachlich, meist multimodal, konzeptualisiert?

Ziel des Vortrags mit seinem doppelten Zugriff auf sich abzeichnende Umbrüche (und ggf. Kontinuitätslinien) ist es, schreibwissenschaftliche Implikationen für fachliches und berufliches Schreiben abzuleiten und nach interdisziplinären Antworten zu suchen.

Literatur

Busse, Dietrich (1992): Recht als Text. Linguistische Untersuchungen zur Arbeit mit Sprache in einer gesellschaftlichen Institution. Tübingen: Max Niemeyer.

Busse, Dietrich (2017): Ungeschriebenes (im) Recht – über die Rolle des ‚zwischen-den-Zeilen-Lesens‘. In: Friedemann Vogel (Hrsg.), Recht ist kein Text. Studien zur Sprachlosigkeit im verfassten Rechtsstaat. Berlin: Duncker & Humblot, 25-41.

Coendet, Thomas (2024): The Legal Knowledge of Artificial Intelligence. In: Katja Leyhausen-Seibert, Anna Menzel und Friedemann Vogel (Hg.): Wissen in Recht und Sprache - viele Stimmen, vage Grenzen. Berlin: Duncker & Humblot (Sprache und Medialität des Rechts - Language and Media of Law, 7), S. 247–256.

Felder, Ekkehard; Vogel, Friedemann (2017): Einleitung. In: Ekkehard Felder und Friedemann Vogel (Hg.): Handbuch Sprache im Recht. Berlin, Boston: de Gruyter (Handbücher Sprachwissen, 12), S. IX–XIX.

Grienberger, Katharina; Matthes, Britt; Paulus, Wiebke (2024): Vor allem Hochqualifizierte bekommen die Digitalisierung verstärkt zu spüren. IAB-Kurzbericht. Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 5/2024. Online verfügbar unter doku.iab.de/kurzber/2024/kb2024-05.pdf.

Hartwig, Matthias; Tegtmeier, Patricia; Kirchhoff, Britta; Adolph, Lars; Meyer, Sophie-Charlotte; Tisch, Anita; Wischniewski, Sascha (2023): Schreiben von Texten durch künstliche Intelligenz. Mögliche Auswirkungen für betroffene Beschäftigten¬gruppen mit Schreib¬tätigkeiten. in: baua: Bericht kompakt.  Dortmund:  Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,  DOI: 10.21934/baua:berichtkompakt20230301

McKinsey & Company (2023): The economic potential of generative AI. The next productivity frontier. Online verfügbar unter www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/news/presse/2023/2023-06-14%20mgi%20genai%20report%2023/the-economic-potential-of-generative-ai-the-next-productivity-frontier-vf.pdf  

Müller, Friedrich (1994): Strukturierende Rechtslehre. 2., vollst. neu bearb. und auf neuestem Stand erg. Aufl. Berlin: Duncker & Humblot.

Mundorf, Margret (2024): Legal Linguistic Memos mit Large Language Models. Automatisierte Erfassung und Klassifizierung von Sachverhaltsbeschreibungen im Familienrecht. (Wissenschaftliches Poster: Best-Poster-Award der 3. Text+ Plenary zum Thema „Große Sprachmodelle (LLMs) und deren Nutzung“, 9.–11.10.2024 Mannheim). Online verfügbar unter events.gwdg.de/event/638/contributions/2744, zuletzt geprüft am 10.10.2024.

Mundorf, Margret (2024): Recht vermitteln. Perspektivität in der Vermittlung juristischen Wissens in Fort- und Weiterbildung. In: Katja Leyhausen-Seibert, Anna Menzel und Friedemann Vogel (Hg.): Wissen in Recht und Sprache - viele Stimmen, vage Grenzen. Berlin: Duncker & Humblot (Sprache und Medialität des Rechts - Language and Media of Law, 7), S. 257–285.

Schulz, Wolfgang; Schmees, Johannes (2022): Möglichkeiten und Grenzen der Künstlichen Intelligenz in der Rechtsanwendung. In: Ino Augsberg und Gunnar Folke Schuppert (Hg.): Wissen und Recht. Baden-Baden: Nomos (Interdisziplinäre Studien zur Wissensgesellschaft, Band 1), S. 561–593.

Wimmer, Rainer (2009): Zur Verflechtung von Spracharbeit und Rechtsarbeit in der EU. In: Muttersprache. 3/2009, 234-239.

Nora Peters, Jana Zegenhagen

Sich liebevoll selbst begegnen in Self Love Letters (Schreibexperiment)

An unserer Station stellen wir kurz unser eigenes Schreibexperiment vor und laden die Teilnehmenden dazu ein, sich selbst einen Self Love Letter zu schreiben.

Dazu erklären wir, warum es sich lohnt, sich selbst einen solchen Liebesbrief zu schreiben und welche Regeln und Tipps sich bei unserer Praxis bewährt und durch die wissenschaftliche Reflexion bestätigt haben. Die Teilnehmenden dürfen aber in erster Linie selbst erfahren, wie sich dieses Schreiben auf sie auswirkt. Eine Reflexion und ein Austausch über Transfermöglichkeiten auf andere schreibdidaktische, therapeutische und pädagogische Settings wird an einer Pinnwand angeregt.

In dem Liebesbrief an sich selbst verbinden sich das Briefeschreiben und das Tagebuchschreiben mit Selbstwertschätzung und Selbstliebe. Im Mittelpunkt steht man selbst als Mensch mit all seiner bedingungslosen Liebenswürdigkeit. Die schreibende Person kann sich die Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe schenken, der sie bedarf. Aus der Schreibforschung wissen wir, dass sich im Akt des Schreibens und sich selbst Lesens ein Raum öffnet für die Begegnung mit sich und für liebevolle Transformation. Aus Befunden der Positiven Psychologie schlussfolgern wir, dass selbst aktiv zu sein, mit sich in Kontakt zu sein, sich seiner Werte und Überzeugungen bewusst zu sein und positive Gefühle (wieder) zu erleben, die Denk- und Handlungsspielräume erweitern und das Wohlbefinden positiv beeinflussen kann.

Nora Peters, Jana Zegenhagen

Stärkung des Selbst-Bewusstsein mit Self Love Letters (Vortrag)

In einem Selbstexperiment haben wir 31 Tage lang Self Love Letters geschrieben, in denen sich das Briefeschreiben und das Tagebuchschreiben mit Selbstwertschätzung und Selbstliebe verbanden. Diese Schreibpraxis haben wir als intensive Reflexions- und Glückstechnik wahrgenommen und Elemente davon in unsere schreibdidaktische Praxis an Hochschulen und in Kreativworkshops integriert.

Unsere Erfahrung haben wir wissenschaftlich reflektiert unter den Fragen: Mithilfe welcher Befunde aus der Schreibforschung und der Positiven Psychologie lässt sich unsere gefühlte Transformation wissenschaftlich erklären? Welche Bedingungen sind für eine solche Transformation durch Selbstliebesbriefe förderlich? Welche Hypothesen lassen sich ableiten?

Um Effekte auf die mentale Stärke sowie förderliche Rahmenbedingungen hinsichtlich Textformen, Schreibdauer und Frequenz schreibwissenschaftlich zu erfassen, haben wir Ergebnisse herangezogen aus der Tagebuchforschung (Jakob 2017, Raffelsiefer 2003, Schreiber 2022, Unterholzer 2017, Wilz u.a. 2017) und der Forschung zum Expressiven Schreiben (Heimes 2012, Pennebaker 1986, Unterholzer 2017, Winnewisser 2010).

Psychologisch nachvollziehen lassen sich die Steigerung des Wohlbefindens und die Stärkung eines positiven Selbstbildes mithilfe des Fordyce Happiness Program (2000) und des Sustainable Happiness Modell (Lyubomirsky 2018). Mit der Broaden-and-Build-Theory (Fredrickson 2001, 2003, 2004) konnten wir weitere Effekte identifizieren: Positive Gefühle stärken kognitive, psychologische, soziale sowie physische Ressourcen und fördern dadurch die mentale Gesundheit.

In unserem Vortrag stellen wir wissenschaftliche Befunde vor, mit denen wir identifizieren konnten, welche Faktoren und Bedingungen zu dieser Transformation beigetragen haben mögen. Wir diskutieren Transfermöglichkeiten auf schreibdidaktische, therapeutische und pädagogische Settings.

Literatur

Fordyce M. W. (2000): Human Happiness. Its Nature and Its Attainment. Volume II: The Attainment of Happiness. Chapter 3, 12, 14. 2000 Edition online (erstmals 1981): web.archive.org/web/20070113074358/http://www.gethappy.net/bookhm.htm;

Fredrickson, B. L. (2001): The Role of Positive Emotions in Positive Psychology. The Broaden-and-Build Theory of Positive Emotions. In: American Psychologist. 56(3), S. 218-226 (DOI: 10.1037//0003-066X.56.3.218) [https://psycnet.apa.org/record/2001-00465-003 ]

Fredrickson, B. L. (2003): Die Macht der guten Gefühle. In: Gehirn & Geist. 6/2003, S. 38-42. (original: The value of positive emotions. The emerging science of positive psychology is coming to understand why it’s good to feel good. In: American Scientist, 91(4), S. 330-335. (DOI: 10.1511/2003.26.330). [URL: www.americanscientist.org/article/the-value-of-positive-emotions ]

Fredrickson, B. L. (2004): The broaden–and–build theory of positive emotions. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B: Biological Sciences, 359(1449), 1367-1377.

Heimes, S. (2014): Schreiben als Selbstcoaching. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht.

Heimes, S. (2012): Warum Schreiben hilft. Die Wirksamkeitsnachweise zur Poesietherapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Jakob, R. (2017): Poesie ist Lebenstanz. Warum es sich lohnt, Gedichte zu schreiben. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Lyubomirsky, S./Sheldon, K.M./Schkade, D. (2005): Pursuing Happiness: The Architecture of Sustainable Change. In: Review of General Psychology. 9(2), S. 111-131. (DOI: 10.1037/1089-2680.9.2.111 )

Marcinkowski, N. (2019): Was glückliche Menschen anders machen: Dein Begleiter auf dem Weg zum Glück. Stuttgart: Trias.

Raffelsiefer, G. (2003): Zwischen den Zeilen - im Schreiben sich selbst entdecken. Frankfurt am Main: Peter Lang.

Schreiber, B. (2022): Schreiben zur Selbsthilfe. Weil Worte wirken: Glück erleben - gesund sein. Berlin: Springer.

Unterholzer, C. C. (2017): Es lohnt sich einen Stift zu haben. Schreiben in der Therapie und Beratung. Heidelberg: Carl Auer.

Wilz, Gabriele/Risch, Anne Katrin/ Töpfer, Nils F. (2017): Das Ressourcentagebuch. Eine ressourcenaktivierende Schreibintervention für Therapie und Beratung. Berlin: Springer.

Winnewisser, S. (2010): Einfach die Seele frei schreiben. Wie sich therapeutisches Schreiben auf die Psyche auswirkt. Hannover: Humboldt.

Rosalie Schneegaß

Schreibstrategien im Wandel: Eine Untersuchung zur Eignung von Schreibstrategiemodellen für KIgestütztes wissenschaftliches Schreiben (Vortrag)

Seit der Veröffentlichung von ChatGPT im Jahr 2022 wird in der wissenschaftlichen Gemeinschaft intensiv über die Frage diskutiert, wie Künstliche Intelligenz (KI) Schreibprozesse und -praktiken beeinflusst (z.B. Steinhoff 2023, Limburg et al. 2023, Limburg/Buck 2024, Meyer/Weßels 2023). Allerdings lassen sich aufgrund der Heterogenität der verwendeten Tools, Funktionen und Anwendungspraktiken nicht nur eine, sondern viele verschiedene Antworten auf diese Frage finden. Im Rahmen einer Erhebung und qualitativen Auswertung von KI-gestützten Schreibprozessen von 20 Studierenden der Universität Bremen beim Verfassen wissenschaftlicher Kurztexte konnte eine große Zahl verschiedener Nutzungsarten beobachtet werden. Diese variierten etwa in der Anzahl und Art der Tools, dem Zusammenspiel von KI mit weiteren Tools sowie der Verortung und Nutzung von KI im Schreibprozessablauf (Schneegaß i.V.).

Schreibstrategiemodelle bieten Lösungen an, um individuelle und situative Unterschiede in Schreibprozessen beschreiben und analysieren zu können. Schreibstrategien werden als mentale Programme (Bräuer 2009), Verfahren (Molitor 1985) oder Ablauf- und Organisationsschemata (Sennewald 2014) definiert, die Schreibende anwenden, um Schreibprozesse auf der Makro- und Mesoebene zu steuern (Dengscherz 2019). Bekannte Modelle – etwa von Bräuer (2007), Chandler (1995), Keseling (2004) oder Ortner (2000) – bestimmen typische Schreibstrategien in Form von personen- oder prozessgebundenen (Proto-)Typen, Merkmalskombinationen oder Skalen.

Der Vortrag widmet sich der Frage, welche Rolle bestehende Schreibstrategiemodelle bei der Analyse von KI-gestütztem wissenschaftlichen Schreiben spielen können. Dafür untersuche ich zunächst theoretisch, ob die beschriebenen Strategien auf Schreibprozesse, bei denen Zwischenschritte der Textproduktion automatisiert oder ganze Texte/Textteile generiert werden,

übertragen werden können. In einem zweiten Schritt wende ich die Schreibprozessdaten aus der oben beschriebenen Erhebung auf die Modelle an und schlage auf Basis der Ergebnisse ein Skalenmodell nach Vorbild von Keseling (2004) vor, um Schreibstrategien mit KI sinnvoll abbilden zu können.

Literatur

Bräuer, Gerd (Hg.) (2009): Scriptorium: ways of interacting with writers and readers; a professional development program. Freiburg im Breisgau: Fillibach-Verl.

Chandler, Daniel (1995): The act of writing: a media theory approach. Aberystwyth: Prifysgol Cymru.

Keseling, Gisbert (2004): Die Einsamkeit des Schreibers. Wiesbaden: Springer VS.

Limburg, Anika et al. (2023): Zehn Thesen zur Zukunft des Schreibens in der Wissenschaft. Hochschulforum Digitalisierung. Online unter: hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/HFD_DP_23_Zukunft_Schreiben_Wissenschaft.pdf.

Limburg, Anika/Buck, Isabella (2024): KI und Kognition im Schreibprozess: Prototypen und Implikationen.

Meyer, Eike/Weßels, Doris (2023): Natural Language Processing im akademischen Schreibprozess - mehr Motivation durch Inspiration?: Positionspapier basierend auf einer Fallstudie an der Fachhochschule Kiel. In: Schmohl, Tobias/Watanabe, Alice/Schelling, Kathrin (Hg.): Hochschulbildung: Lehre und Forschung. Bielefeld: transcript Verlag. S. 227–252.

Molitor, Sylvie (1985): Personen- und aufgabenspezifische Schreibstrategien. Fünf Fallstudien. In: Unterrichtswissenschaft 13, S. 334–345.

Ortner, Hanspeter (2000): Schreiben und Denken. Tübingen: Niemeyer. (= Reihe Germanistische Linguistik 214).

Schneegaß, Rosalie (i.V.): Schreibprozesse im Wandel. Eine Untersuchung der Auswirkungen von KI auf digitale Schreibprozesse und -praktiken von Studierenden beim wissenschaftlichen Schreiben.

Steinhoff, Torsten (2023): Künstliche Intelligenz als Ghostwriter, Writing Tutor und Writing Partner. Zur Modellierung und Förderung von Schreibkompetenzen im Zeichen der Automatisierung und Hybridisierung der Kommunikation am Beispiel des Schreibens mit ChatGPT in einer 8. Klasse. In: Albrecht, Christian (Hg.): Personale und funktionale Bildung im Deutschunterricht. Theoretische, empirische und praxisbezogene Perspektiven. Stuttgart: Metzler.

Nadja Sennewald

Der Schreibprozess als kreativer Prozess – eine vergleichende Diskussion (Vortrag)

Sowohl Schreibprozessmodelle als auch zahlreiche Modelle des kreativen Prozesses haben einen gemeinsamen Ursprung in den Kognitionswissenschaften, da sie zunächst als kognitive Problemlösungsprozesse modelliert wurden. In den letzten Jahrzehnten haben sich jedoch beide Bereiche getrennt voneinander weiterentwickelt. Der Vortrag hat zum Ziel, theoretische Modellierungen des Schreibprozesses und Modellierungen des kreativen Prozesses vergleichend zu diskutieren und wieder zusammenzuführen. An ausgewählten Modellen sollen Überschneidungen und Unterschiede offengelegt und Vorschläge erarbeitet werden, welche Erkenntnisse zum kreativen Prozess eine Erweiterung der theoretischen Konzeption des Schreibprozesses anregen könnten.

Exemplarisch soll ein Modell des kreativen Problemlösens vorgestellt (Mumford et al. 1991, 2012, 2018) und mit Schreibprozessmodellen verglichen werden (z. B. Flower und Hayes 1981, Hayes 1996). Abschließend soll thesenartig skizziert werden, inwiefern komplexe Schreibprozesse mit unklar definierten Problemstellungen als kreative Prozesse verstanden werden können.

Literatur

Flower, Linda; Hayes, John R. (1981): A Cognitive Process Theory of Writing. In: College Composition and Communication 32 (4), S. 365–387.

Hayes, John R. (1996): A New Framework for Understanding Cognition and Affect in Writing. In: C. Michael Levy und Sarah E. Ransdell (Hg.): The science of writing. Theories, methods, individual differences, and applications. Mahwah, N.J.: L. Erlbaum, S. 1–27.

Mumford, Michael D.; Martin, Robert; Elliok, Samantha; McIntosh, Tristan (2018): Creative Thinking in the Real World. Processing in Context. In: Robert J. Sternberg, James C. Kaufmann, and James C. Kaufman (Hg.): The Nature of Human Creativity. Cambridge, United Kingdom, New York, USA,

Melbourne, Australia, New Delhi, India, Singapore: Cambridge University Press, S. 147–165.

Mumford, Michael D.; Medeiras, Kelsey E.; Partlow, Paul J. (2012): Creative Thinking. Processes, Strategies, and Knowledge. In: The Journal of Creative Behavior 46 (1), S. 30–47.

Mumford, Michael D.; Mobley, Michele I.; Reiter-Palmon, Roni; Uhlman, Charles E.; Doares, Lesli M. (1991): Process analytic models of creative capacities. In: Creativity Research Journal 2 (4), S. 91–122.

Voigt, Julius, Girgensohn, Katrin; Gholiagha, Sassan; Fröhlich, Bernd; Kiesel, Dora; Neyer, Jürgen; López García, Irene; Riehmann, Patrick; Sienknecht, Mitja; Stein, Benno; Wiegmann, Matti; Wolska, Magdalena Anna

KI-écriture – Reflexionsschreiben zwischen KI, Forschendem Lernen, Kritischem Denken und Politikwissenschaft. (Datensitzung)

Die Daten für diese Sitzung stammen aus dem Projekt SKILL (Sozialwissenschaftliches KI-Labor für Forschendes Lernen; Europa-Universität Viadrina / Bauhaus Uni Weimar). Sie wurden erhoben in zwei Seminaren, in denen Studierende im Rahmen des Forschenden Lernens (Huber, Reinmann, 2019) aktiv mit verschiedenen KI-Modellen interagierten und dazu wöchentlich schriftliche Reflexionen verfassten. Diese unterziehen wir im Projekt einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018), um ein differenzierteres Verständnis der Auswirkungen von KI auf die Lern- und Schreiberfahrungen der Studierenden zu gewinnen. Da derzeit häufig ein „kritischer“ Umgang mit KI-Werkzeugen gefordert wird, steht für uns dabei die Frage im Fokus, wie sich kritisches Denken (Kruse 2017) in den Reflexionen zeigt, in welchem Verhältnis es zur KI-Nutzung, zum Forschenden Lernen, zum Schreiben (z.B. von Seminararbeiten) steht und was sich daraus für einen kritischen Umgang mit KI sowie für das Schreiben mit und ohne KI in der Hochschullehre ergibt.

In der Datensitzung stellen wir zunächst kurz das Projekt und die ersten Ergebnisse der o.g. Inhaltsanalyse vor. Dann richten wir den Fokus gemeinsam erstens auf die Frage, inwiefern die KI-Nutzung die Schreib- und Forschungsprozesse der Studierenden transformiert: Wie können KI-unterstützte oder KI-lose Schreibprozesse im Kontext studentischer Forschung ablaufen und unter welchen Umständen kann hier von einer Transformation des jeweiligen Schreibens gesprochen werden? Was ergibt sich daraus für die Hochschullehre und das Lehren und Lernen von Schreiben? Zweitens möchten wir anhand der Daten ergründen, inwiefern das Schreiben von Reflexionen (mit und ohne KI) selbst ein Weg ist, die Transformation des Schreibens schreibdidaktisch sinnvoll zu begleiten und zu lenken. Die Teilnehmenden werden dafür in Kleingruppen Ausschnitte aus den Reflexionen der Studierenden anhand von Leitfragen analysieren und diskutieren.

Literatur

Girgensohn Katrin; Mundorf, Margret; Gholiagha, Sassan; Voigt, Julius; Fröhlich, Bernd; Kiesel, Dora; Neyer, Jürgen; López García, Irene; Riehmann, Patrick; Sienknecht, Mitja; Stein, Benno; Wiegmann, Matti; Wolska, Magdalena Anna (2023): Research Based Learning with AI at the Social Science AI-Lab for Research Based Learning (SKILL), 1148 KB / Forschung zu Wissenserwerb und Lehr-/Lernprozessen; 3. DOI: 10.11584/opus4-1326.

Huber, Ludwig; Reinmann, Gabi (2019): Vom forschungsnahen zum forschenden Lernen an Hochschulen. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Kruse, Otto (2017): Kritisches Denken und Argumentieren. Konstanz: Huther & Roth.

Kuckartz, Udo (2018): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung, 4. Auflage, Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

Charlotte Wendt, Pia Kampmann

Textfeedback der Zukunft? Vergleiche zwischen KI-gestütztem und traditionellem Lehrer*innenfeedback in der Mittelstufe (Poster)

Textfeedback ist zentral für den Schreibentwicklungsprozess von Schüler*innen (Phillipp 2024). Insbesondere der Einfluss formativer Textbeurteilung auf die Schreibentwicklung spielt laut

Studien eine entscheidende Rolle für die Lernleistung (Parr & Timperley 2010; Graham et al. 2012).

Hattie und Timperley (2007) differenzieren Feedback in drei Kernbereiche: Feed up, Feedback und Feed Forward. Black und Wiliam (2012) erweitern diese Perspektive um eine vierte Dimension,

welche die beteiligten Akteure im Bewertungs- und Feedbackprozess – Lernende, Lehrkräfte und Peers – in den Fokus rückt. Betont wird speziell die Rolle der Lehrkräfte beim Feedback geben und der Fokus auf klar definierten Schreibziele. Dabei sollen die nächsten Lernschritte festlegt und entsprechende Unterstützung identifiziert werden. Jedoch stellt bei komplexen Aufgaben wie dem Schreiben von längeren Texten die Erstellung individuellen Feedbacks Lehrer*innen vor zeitliche Herausforderung (Hahn et al., 2021; Zhu et al., 2020).

Mit dem Aufkommen von KI-gestütztem Schreiben erweitert sich das Spektrum der Feedbackquellen und kann potentiell Entlastungen für Lehrer*innen schaffen. Studien legen bereits nahe, dass KI-generiertes Textfeedback im Vergleich zu keinem Feedback motivierend wirkt und zu verbesserten Ergebnissen führen kann (Meyer et al. 2024). Ungeklärt bleibt jedoch, inwiefern sich dieses Textfeedback von dem Feedback der Lehrkräfte unterscheidet und ob automatisierte Bewertungen das Schreiben an sich in Richtung eines reinen „teaching to the test“ und damit einer Uniformierung von Aufsatzprodukten verändern könnten (Schneider & Zweig, 2022).

Unser Beitrag widmet sich dieser Fragestellung durch den analytischen Vergleich des Feedbacks von fünf Lehrkräften gegenüber der KI „Fiete.ai“. Grundlage für das Feedback sind zwei argumentative Texten von Schüler*innen der 8. Klasse. Durch die Gegenüberstellung der Feedbackstrategien sollen tiefere Einblicke in die Potenziale und Grenzen KI-gestützten Feedbacks im Bereich des schulischen Schreibens gewonnen werden.

Literatur

Black, P. & Wiliam, D. (2012). Assessment and Classroom Learning. Assessment in Education: Principles, Policy & Practice, 5(1), 7–74. doi.org/10.1080/0969595980050102

Graham, S., McKeown, D., Kiuhara, S. & Harris, K. R. (2012). A meta-analysis of writing instruction for students in the elementary grades. Journal of Educational Psychology, 104(4), 879–

896. doi.org/10.1037/a0029185

Hahn, M. G., Navarro, S. M. B., La Fuente Valentin, L. de & Burgos, D. (2021). A Systematic Review of the Effects of Automatic Scoring and Automatic Feedback in Educational Settings. IEEE Access, 9, 108190–108198. doi.org/10.1109/ACCESS.2021.3100890

Hattie, J. & Timperley, H. (2007). The Power of Feedback. Review of Educational Research, 77(1), 81–112. doi.org/10.3102/003465430298487

Matsumura, L. C., Patthey-Chavez, G. G., Valdés, R. & Garnier, H. (2002). Teacher Feedback, Writing Assignment Quality, and Third-Grade Students' Revision in Lower-And Higher-

Achieving Urban Schools. The Elementary School Journal, 103(1), 3–25. doi.org/10.1086/499713

Meyer, J., Jansen, T., Schiller, R., Liebenow, L. W., Steinbach, M., Horbach, A. & Fleckenstein, J. (2024). Using LLMs to bring evidence-based feedback into the classroom: AI-generated

feedback increases secondary students’ text revision, motivation, and positive emotions. Computers and Education: Artificial Intelligence, 6, 100199. doi.org/10.1016/j.caeai.2023.100199

Parr, J. M. & Timperley, H. S. (2010). Feedback to writing, assessment for teaching and learning and student progress. Assessing Writing, 15(2), 68–85. doi.org/10.1016/j.asw.2010.05.004

Philipp, M. (2024). Formatives Feedback aus Sicht des selbstregulierten Lernens. ide - Information für Deutschdidaktik, 8–17.

Schneider, J. G. & Zweig, K. A. (2022). Ohne Sinn. Zu Anspruch und Wirklichkeit automatisierter Aufsatzbewertung. In S. Brommer, K. S. Roth, & J. Spitzmüller (Eds.), Brückenschläge.

Linguistik an den Schnittstellen (Tübinger Beiträge zur Linguistik, Band 583, pp. 271–294). Narr Francke Attempto.