Kanada hat rund 35 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, darunter viele Einwanderer aus allen Teilen der Welt und die Ureinwohner, die First Nations oder Premières Nations. Aus dem Land, wo ihre Vorfahren die ersten Siedler aus Europa landen sahen, ist heute eine eigenständige und geschichtsbewusste Provinz geworden: das frankophone Québec inmitten des anglophonen Kanadas. Hier spricht man Französisch, lebt eine spezifische Kultur und verfügt sogar über eigene Vertretungen im Ausland. Wie funktionieren diese Vielfalt und die Integration der verschiedenen Kulturen in Kanada und in Québec? Wie ergeht es den jeweiligen Minderheiten? Wie wird sich der Klimawandel auf das Leben der Inuit in der Arktis auswirken? Fragen wie diesen widmet sich das Bremer Institut für Kanada- und Québec-Studien (BIKQS) der Universität Bremen.
Einziges Institut für Kanada- und Québec-Studien
Die 2008 gegründete Einrichtung zeichnet sich gegenüber anderen Kanada- und Québec-Zentren durch zwei Besonderheiten aus: Die Gleichberechtigung beider Sprachen und Kulturen – dem Englischen und dem Französischen – sowie eine weit über den Bereich der Geisteswissenschaften hinausgehende Interdisziplinarität.
Internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Forschungsfeldern – zum Beispiel aus der Soziologie, Politikwissenschaft, Linguistik, aber auch aus der Biologie und den Geowissenschaften kombinieren ihre Ansätze, um neue Perspektiven zu entwickeln. So arbeiten etwa das MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im internationalen Forschungsprojekt ArcTrain unter anderem mit den Québecer Universitäten Université du Québec à Montréal, Mc Gill University und Université du Québec à Rimouski zusammen. Das BIKQS macht die Erkenntnisse der unterschiedlichen Kooperationen und Disziplinen durch Tagungen und E-Learning-Angebote einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Ein Beispiel: Die trilinguale Tagung „Der Hohe Norden – The Far North – Le Grand North“, die die kulturellen, politischen und ökologischen Folgen des Klimawandels in der Arktis behandelte, ist als sogenannte „Mobile Lecture“ inklusive Präsentationen öffentlich zugänglich.
Neben der Förderung der Kanada-Studien in Lehre und Forschung an der Universität, der Vermittlung von Wissenschaft und Kultur in der regionalen Öffentlichkeit und der Organisation von Lehrerfortbildungen in verschiedenen Städten in Deutschland und Österreich, empfängt das Institut regelmäßig Gastprofessoren und entsendet BIKQS-Mitglieder an Universitäten in Kanada und Québec. Ein intensiver Studierendenaustausch besteht mit den Universitäten Ottawa, Montréal und Guelph. Über den Dachverband GKS (Gesellschaft für Kanada-Studien in den deutschsprachigen Ländern) pflegt das BIKQS nationale und internationale Verbindungen innerhalb der Kanada-Studien. Erst unlängst wurde das BIKQS-Mitglied Professorin Kerstin Knopf zur Präsidentin der GKS gewählt.
Québec-Studien bleiben der Universität erhalten
Bislang haben die Bremer Québec-Studien die Franko-Romanistin Professorin Helga Bories-Sawala und der Anglist Professor Norbert Schaffeld als Doppelspitze geführt. Auch nach ihrer Pensionierung engagiert sich Helga Bories-Sawala weiter für das BIKQS: Sie bleibt weiterhin assoziierte Professorin an der Université de Montréal, forscht derzeit in einem Forschungsprojekt mit Professor Thibault Martin von der Université du Québec en Outaouais zum Stellenwert der Indigenen im Geschichtsunterricht Québecs und plant eine Fortbildung zu „Québec im Französischunterricht“ in München im Juli.
In der Bremer Romanistik werden die Québec-Studien von Dr. Katrin Mutz engagiert weitergeführt, die mit Professor Manuel Meune von der Université de Montréal zum Thema „Das Sprachverhalten von Kreolophonen und Italophonen in Montréal“ kooperiert. Die Nachwuchswissenschaftlerin Meike Hethey bezieht sich in ihrem Promotionsprojekt zur „Förderung des Literarischen Lesens durch den Einsatz frankophoner Jugendliteratur“ auch auf Beispiele aus Québec. Ob und wie es zukünftig gelingen kann, die Präsenz der Québec-Studien auch im Vorstand des BIKQS wieder abzubilden, soll noch geklärt werden.
Hoher Besuch aus Québec
Von der erfolgreichen Arbeit des BIKQS in Forschung und Wissenschaftskommunikation überzeugte sich kürzlich auch der Vertreter der Regierung von Québec in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Claude Trudelle, bei seinem Besuch im Bremer Institut für Kanada- und Québec-Studien. „Ich bin sehr erfreut, dass die Québec-Studien auch weiterhin an der Universität Bremen in guten Händen sind“, sagte Trudelle. Er werde sich bei der Regierung Québecs für eine weitere Förderung des BIKQS einsetzen.
Der nächste Besuch des Québecer Generaldelegierten ist bereits in Planung: Bei der Führung durch das MARUM-Bohrkernlager, das unter anderem jahrtausendealte Bohrkerne aus dem kanadischen Meeresboden beherbergt, entstanden erste Ideen für ein größeres Treffen zum 10. Geburtstag des BIKQS im Sommer 2018.