Auf dem Dach des Gebäudekomplexes Naturwissenschaften 1 an der Otto-Hahn-Allee entdeckt der aufmerksame Betrachter eine elegante weiße Kuppel. Was steckt da drin? Ein Planetarium, ein Teleskop oder andere geheimnisvolle astronomische Geräte?
„So spektakulär ist das nicht“, sagt Prof.Dr. Justus Notholt, Leiter der Arbeitsgruppe Erdfernerkundung des Instituts für Umweltphysik, und führt erst einmal auf eine Dachterrasse mit atemberaubendem Blick über Bremen. Dann geht es noch eine enge Wendeltreppe hinauf. Die Fernbedienung öffnet in der Kuppel eine Klappe wie bei einem UFO nach der Landung. Die Sonne kommt rein, oder das, was an diesem Morgen im milchigen Dunst über Bremen davon übrig ist. Ein weiterer Knopfdruck, und die Kuppel dreht sich um ihre eigene Achse, bis sie im richtigen Winkel steht.
Pingpongspiel mit dem Lichtstrahl
Die Umweltphysiker fangen hier die Sonnenstrahlung ein. Das Gerät mit Spiegeln wird Sonnenfolger genannt und wurde von den hauseigenen Technikern in der mechanischen Werkstatt angefertigt. „Wir haben lange an dem Zusammenspiel von Motoren und Spiegeln gebastelt“, sagt Notholt. Die spielen erst einmal Pingpong mit dem Lichtstrahl, ehe er durch einen Schlauch eine Etage tiefer ins Fourier Transform Infrared-Spektrometer (FTIR) geschickt wird. Dieses ist kein Eigenbau, sondern gekauft.
In der eckigen grauen Kiste des Spektrometers wird der Strahl geteilt. Für den physikalischen Effekt sind sieben Spiegel im Einsatz. Einer zuckt unruhig hin und her wie kurz vor einem Startschuss. Er justiert sich, um dann mit Schwung auf einer Schiene nach hinten zu sausen und zurückzuschnellen. Das Gerät muss ständig mit trockener Luft gespült, die Detektoren mit flüssigem Stickstoff befüllt werden. Dafür und für die Einstellungen des Sonnenfolgers haben Notholts Doktoranden „Kuppeldienst“.
Moleküle hinterlassen Fingerabdrücke
Das gemessene Spektrum wird dann auf dem Computerbildschirm als grafische Kurve sichtbar. Diese Kurve wäre glatt, wenn nicht die Atmosphäre, die das Sonnenlicht absorbiert, ihre Spuren eingeritzt hätte. Entstanden sind Risse und ein regelrechtes Linienstakkato wie auf einer Radierung. „Jedes Molekül hinterlässt seinen Fingerabdruck im Spektrum, hier sehen wir das CO2“, sagt der Umweltphysiker. 30 Spurengase können auf diese Art und Weise vermessen und berechnet werden. Die Reichweite umfasst bis zu 1000 Kilometer in Richtung der Sonne. Neben der Kuppel auf dem NW1-Gebäude betreibt die Arbeitsgruppe Erdfernerkundung weitere Spektrometer in Containern, um Spurengas- und Aerosolmessungen an anderen Punkten der Erde durchzuführen und in die Auswertung einfließen zu lassen. In Paramaribo, der Hauptstadt der südamerikanischen Republik Suriname, steht einer, ein weiterer in Bialystok in Polen. Gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven werden Messungen auf dem Forschungsschiff Polarstern und in NyAlesund auf Spitzbergen eingebracht.
Internationale Netzwerke, an die auch das Bremer Institut angeschlossen ist, speisen die Ergebnisse in große Datenbanken ein. Abnehmer sind unter anderen Wissenschaftler an Universitäten in Holland, Frankreich und den USA.
Experiment mit ungewissem Ausgang
Und was kommt bei den Messungen so raus? Der CO2-Gehalt in der Luft sei in der Erdgeschichte innerhalb der letzten 500.000 Jahre um maximal 1 ppm (parts per million) in 200 Jahren gestiegen, jetzt steige er 1 ppm pro Jahr. „Das ist 200-mal schneller als alles, was wir aus der Vergangenheit kennen. Wir machen mit unserem System Erde ein Experiment, dessen Ausgang ungewiss ist“, sagt Notholt. Und er sagt es ganz unspektakulär.