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Elektronenstrahlen: von Strahlenschäden zur Kontrolle chemischer Synthesen

Bremer Chemikern gelingt kontrollierte chemische Synthese durch Elektronenstrahlen

Nr. 039 / 29. Januar 2013 SC

Röntgenstrahlung kann lebende Organismen schädigen, weil sie deren molekulare Bausteine zersetzt. Genauso verhält es sich im technischen Bereich mit Elektronenstrahlen, die oft zur Untersuchung der Oberfläche von Materialien eingesetzt werden, so zum Beispiel bei der Elektronenmikroskopie. Diese Strahlenschäden erschweren oft die Anwendung solcher Methoden, da sie die Probe während der Untersuchung verändern, wobei sich diese zerstörerische Wirkung aber auch zum Einbrennen feiner Strukturen an Oberflächen nutzen lässt. Dass Elektronenstrahlen allerdings auch ein Werkzeug sind, um neue Materialien gezielt aufzubauen, haben jetzt Forscherinnen und Forscher am Institut für Angewandte und Physikalische Chemie der Universität Bremen herausgefunden. Die Arbeitsgruppe von Professorin Petra Swiderek konnte nachweisen, dass sich auch chemische Synthesen, also der Aufbau von Molekülen, durch Elektronenstrahlen auslösen und kontrollieren lassen.

Elektronenstrahlen können damit - ähnlich wie Laser - eingesetzt werden, um beispielsweise gezielt die Oberfläche von Materialien chemisch zu verändern. Besonders interessant wird eine solche Technik, wenn sich die Verknüpfung zweier Ausgangsmoleküle so steuern lässt, dass alle enthaltenen Atome auch in das Produkt eingebaut werden. Im Sinne einer Atom-effizienten Synthese wird also kein Material verschwendet.

Wie kommt diese Synthese zustande?

Eine solche Synthese gelingt mit Elektronenstrahlen, wenn die Elektronen eine so niedrige Energie haben, dass sie gerade in der Lage sind, ein weiteres Elektron aus einem Molekül herauszuschlagen, aber das Molekül dabei noch nicht weiter zerfällt. Dann entsteht ein positiv geladenes Molekülion, das aufgrund seiner Ladung stark anziehend auf Reaktionspartner wirkt. Damit wird eine Synthese eingeleitet, wie sie sonst nur unter Zuhilfenahme spezieller Katalysatoren zu erzielen ist. Die Arbeitsgruppe Swiderek konnte kürzlich erste Beispiele solcher durch Elektronenstrahlen kontrollierter Synthesen nicht nur nachweisen, sondern auch nutzen. Die Bremer Chemiker knüpften Ammoniak-Moleküle an eine dünne Kohlenwasserstoff-Schicht an und konnten so die Oberfläche mit neuen Funktionalitäten ausstatten.

Die Ergebnisse dieser Forschung wurden in den Zeitschriften „Angewandte Chemie“ und „Langmuir“ publiziert. Auch die von der Gesellschaft Deutscher Chemiker herausgegebenen „Nachrichten aus der Chemie“ widmeten sich dem Thema. Die Arbeiten auf diesem Gebiet werden seit einiger Zeit durch die DFG gefördert. Nun wurde erneut ein Projekt im Umfang von fast 250.000 Euro für das Institut für Angewandte und Physikalische Chemie bewilligt. Das Vorhaben beschäftigt sich damit, die chemische Synthese durch Einsatz von Elektronenstrahlen in größerem Umfang zu untersuchen und so weitere Substanzklassen auf diesem Weg zugänglich zu machen. Derartige Synthesen sind nicht nur für die Funktionalisierung von Oberflächen von Bedeutung. Sie können möglicherweise auch zur Erklärung der strahleninduzierten Bildung von größeren Molekülen beitragen, wie sie beispielsweise im Zusammenhang mit der Astrochemie, das heißt der Entstehung komplexerer Moleküle in kosmischem Eis, vermutet wird.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Fachbereich Biologie / Chemie
Institut für Angewandte und Physikalische Chemie
Prof.Dr. Petra Swiderek
Tel. 0421 218 63200
E-Mail: swiderekprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de