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Welche Rolle nahm die Mathematik im NS-Staat ein?

27. Januar 2014: Uni Bremen gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus

Nr. 022 / 21. Januar 2013

Nach der Machtübernahme im Januar 1933 zählte die Mathematik zu den Disziplinen, die von der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik stark betroffen waren. Massenentlassungen so genannter „Nichtarier“ und politisch Andersdenkender führten zum Exodus eines Drittels der habilitierten Mathematiker. Der Kriegsbeginn erwies sich dann als Zäsur für die Mathematik im NS-Wissenschaftssystem, da er die Instrumentalisierung der mathematischen Forschung und der Beteiligung von Mathematikern an der Kriegsforschung einläutete. Mit diesem Thema beschäftigt sich Dr. Ulf Hashagen in seinem Vortrag „Die Selbstmobilisierung und Instrumentalisierung der Angewandten Mathematik im NS-Staat“, der am 27. Januar 2014 anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in der Universität Bremen stattfindet. Der Vortrag findet um 16:00 Uhr im Hörsaalgebäude GW 1 (gegenüber Universum) statt. Die Bremer Öffentlichkeit ist dazu herzlich eingeladen.

„Unpolitische“ Mathematiker waren äußerst nützlich für die Kriegsforschung

In seinem Vortrag legt Ulf Hashagen anhand von Fallbeispielen dar, wie sich unter dem Anpassungsdruck des Nationalsozialismus und der Anpassungsbereitschaft der Wissenschaftler an das „Dritte Reich“ das mathematische Wissenschaftssystem in Deutschland grundlegend veränderte. Paradoxerweise erwiesen sich gerade die nach ihrem Selbstverständnis „unpolitischen“ Mathematiker durch ihre Forschungsbeiträge im Bereich der Angewandten Mathematik äußerst nützlich für die Kriegsforschung und für die Stabilität des NS-Regimes. Eine Folge war, dass auch Mathematiker, die sich in erster Linie ihrem Fachdenken verpflichtet fühlten, ihre Expertise für die Militärforschung des „Dritten Reiches“ zur Verfügung stellten und im Gegenzug Ressourcen des NS-Staates für ihre eigenen Forschungen erhielten. Einige führende Mathematiker und Physiker wurden durch ihre Arbeit in der Kriegsforschung in Vorhaben der SS verwickelt. Einige von ihnen setzten auch ausländische Wissenschaftlerkollegen als „Zwangsarbeiter für die mathematische Kriegsforschung“ ein.  

Dr. Ulf Hashagen ist Leiter des Forschungsinstituts für Technik- und Wissenschaftsgeschichte am Deutschen Museum. Außerdem lehrt er als Privatdozent für Wissenschafts- und Technikgeschichte an der LMU München. Er forscht vor allem zur Geschichte der Mathematik und Informatik im 19. und 20. Jahrhundert, aber auch zur Entwicklung des deutschen Wissenschaftssystems.

Achtung Redaktionen: Sie sind herzlich eingeladen, an der Veranstaltung zum Tag des Gedenkens am 27. Januar 2014, 16 Uhr, Hörsaalgebäude GW 1, teilzunehmen.



Weitere Veranstaltungen zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus:


Ebenfalls am 27. Januar gibt es bereits um 13 Uhr eine Ausstellungseröffnung im Foyer des MZH der Uni Bremen zum Thema „Die jüdische Berufsschule Masada in Darmstadt, 1947-48“. Die Schule bildete 45 Überlebende aus Deportationslagern als Tischler, Schlosser oder Schreiner für Aufbauarbeiten in Israel aus. Die Ausstellung wird bis zum 7. Februar 2014 gezeigt. Den Eröffnungsvortrag hält Professorin Heidi Schelhowe, Konrektorin für Lehre und Studium an der Uni Bremen.

Eine weitere Ausstellung zeigt die Staats- und Universitätsbibliothek in Kooperation mit der KulturAmbulanz Bremen vom 17. Januar bis 3. März 2014: „entwertet, ausgegrenzt, getötet – Medizinverbrechen an Kindern im Nationalsozialismus“. Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Verbrechen an Bremer Kindern und thematisiert „Euthanasie“. Ein Zeitzeugengespräch mit betroffenen Bremer Angehörigen findet am 5. Februar 2014 um 16 Uhr in der SuUB statt.

Ein weiteres Zeitzeugengespräch: Die Auschwitz-Überlebende Aleksandra Borisowa aus Belarus berichtet in Bremen über ihre Erinnerungen. Aleksandra Borisowa wurde als Siebenjährige zusammen mit ihren Eltern zuerst in das Lager Majdanek und später nach Auschwitz gebracht. Sie wird im Rahmen des internationalen Holocaust-Gedenktages in Schulen und an der Universität Bremen ihre Geschichte erzählen. Die Teilnahme ist kostenfrei, für Schulklassen ist eine Anmeldung erbeten unter idirolf@uni-bremen.de. Die öffentlichen Termine: 30. Januar 2014, 10 Uhr, Ort: Uni Bremen, GW 2, Raum B 2770; 31. Januar 2014, 18 Uhr, Ort: Kulturzentrum Paradox, Bernhardstraße 10-12.

Auch die Forschungsstelle Osteuropa an der Uni Bremen beteiligt sich: Zum einen gibt es am 3. Februar 2014, 19 Uhr eine Buchvorstellung mit Live-Klezmer-Musik. Das Werk „Klezmer‘s Afterlife“ untersucht die faszinierende Musikszene des Klezmer in Zentraleuropa. Die Veranstaltung verbindet ein moderiertes Gespräch mit der Autorin Magdalena Waligórska und ein Live-Konzert der bremischen Gruppe Klezgoyim. Die Veranstaltung findet mit Unterstützung der Hollweg Stiftung statt, der Eintritt ist frei. Ort: Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5.

Zum anderen zeigt die Forschungsstelle Osteuropa zusammen mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V. am 4. Februar um 20 Uhr im Kino City 46 (Birkenstr. 1) den Film “Der zerbrochene Klang“. Zum Inhalt: Bis Anfang des 20. Jahrhunderts lebten und musizierten jüdische und Roma-Musikerfamilien in Bessarabien gemeinsam. So entstand eine einzigartige Musikkultur, die durch den 2. Weltkrieg zerstört wurde. 70 Jahre später begeben sich 14 international bekannte Musiker aus aller Welt auf eine Reise in die Vergangenheit. Eintritt: sieben Euro, ermäßigt fünf Euro.