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„Wer das Recht einfordert, gehört zu werden, muss dies auch anderen zugestehen.“

Wie kann Verständigung in Zeiten von Ungleichheit und Populismus noch gelingen? Politikwissenschaftler Professor Martin Nonhoff plädiert dafür, niemanden aus der gesellschaftlichen Debatte auszuschließen. Anlässlich der 31. Bremer Universitäts-Gespräche gibt er einen Einblick in das weite Feld.

Herr Professor Nonhoff, in der Podiumsdiskussion steht die Frage im Mittelpunkt, ob wir noch miteinander reden können. Was meinen Sie?

Na, das hoffe ich doch! Demokratische Politik kann nämlich nur funktionieren, wenn der Austausch von Argumenten auch über die verschiedenen Lager hinweg möglich bleibt. Dazu gehört zu akzeptieren, dass die andere Person das Recht hat, ihre Meinung zu verteidigen – gerade im Angesicht von Meinungsverschiedenheiten. Wer das Recht einfordert, gehört zu werden, muss dies auch anderen zugestehen. Das verbietet pauschale Ausschlüsse vom Diskurs ebenso wie ein Diskussionsverhalten, das im Wesentlichen aus Fehlinformationen, Vorhaltungen und Konfrontation besteht oder sich weigert, die Argumente des anderen ernst zu nehmen.

Welche Bedeutung hat in dieser Problematik der zunehmende Populismus?

Wenn wir mit Populismus den sich ausbreitenden Rechtspopulismus meinen, dann ist eines seiner wesentlichen Elemente die Zuspitzung einiger weniger Themen auf sehr vereinfachende Weise. Klassischerweise richtet er sich gegen bestimmte Gruppen – etwa gegen Ausländerinnen und Ausländer, religiöse oder sexuelle Minderheiten. Er gibt vor, im Namen eines klar definierbaren „Volkes“ oder eines einheitlichen „Gemeinwohls“ zu sprechen. Allerdings sind moderne Demokratien nicht so einfach. Ihr Kennzeichen ist eine grundlegende Unsicherheit: Wer zum Volk gehört und wie genau wir das Gemeinwohl verstehen, kann nur aus unserer gemeinsamen, komplexen demokratischen Praxis resultieren. Dazu brauchen wir zuallererst den pluralistischen und offenen Input aller Betroffenen, nicht populistische Momente der Exklusion, die vom vermeintlich einheitlichen Volk phantasieren.

Sehen Sie in unserer derzeitigen gesellschaftlichen Situation Parallelen zur Weimarer Republik?

Das wäre dann doch zu weit hergeholt. Zum einen sind die meisten Parteien republiktreu und sehnen sich kein anderes „System“ herbei. Zum anderen sind, anders als in der späten Weimarer Republik, auf unseren Straßen uniformierte demokratiefeindliche Stoßtrupps nicht die Normalität. Allerdings gibt es natürlich konkrete, politisch bedingte Gefährdungen von Menschen, etwa aufgrund von deren Religion oder Hautfarbe. Und es gibt politische Diskurse, die solche Gefährdungen legitimieren oder Gewalt normalisieren. Hier gilt es, im demokratischen Diskurs dagegenzuhalten, auf der moralischen Gleichheit aller Menschen zu beharren, gefährdete Menschen zu verteidigen und so zu verhindern, dass es zuerst zur Entmenschlichung von Minderheiten kommt und dann zu zunehmender Gewalt.

Wie kann Verständigung noch gelingen angesichts gravierender Ungleichheiten und Konflikte?

Demokratien können nur Bestand haben, wenn sich ihre Bürgerinnen und Bürger gegenseitig als Freie und Gleiche wahrnehmen können. Dazu ist es nicht erforderlich, dass Menschen in völliger materieller Gleichheit leben – ein Zustand, der den meisten auch nicht erstrebenswert erscheint, weil es verschiedene Bedürfnisse gibt. Aber die Unterschiede dürfen nicht dazu führen, dass wir einander nicht länger erhobenen Hauptes als freie Bürgerinnen und Bürger begegnen können. Sobald Parallelgesellschaften von Superreichen ohne jeden Kontakt zu den Alltagsproblemen der Mehrheitsgesellschaften entstehen und zugleich aber dieser Reichtum Einfluss auf die Politik nimmt – wie wir das stark in den USA sehen –, wird es schwerer, uns noch als Freie und Gleiche wahrzunehmen. Dadurch kann auch die Zustimmung zu populistischen Tribunen steigen. Deswegen ist die steuer- und sozialpolitische Verhinderung von zu sehr ausgreifender Ungleichheit stets auch eine Politik zur Verteidigung der Demokratie.
 

Weitere Informationen:

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Fragen beantworten:

Prof. Dr. Martin Nonhoff
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