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Artenvielfalt in Norddeutschland: Auf den Spuren der Knicks

Jeder hat sie schon mal gesehen: Die Wallhecken, die jenseits der Stadtgrenzen Felder und Wiesen einrahmen. Es gibt sie dicht bewachsen, spärlich besiedelt, mal auf hohem oder weniger hohem Wall. Eins haben die sogenannten „Knicks“ gemeinsam: Sie schützen Felder vor Erosion und bieten Lebensraum für…

Wer glaubt, Bebauungs- und Pflanzvorschriften der Gemeinden wären eine Erfindung der modernen Bürokratie, der irrt: Bereits im 18. Jahrhundert gab es Verordnungen, die Bauern die Errichtung der Knicks vorschrieben. Mit ihnen sollten wartungsintensive Holzzäune ersetzt werden, die zuvor die Felder eines Bauern von seinem Nachbarn trennten. Im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts verloren Knicks an Bedeutung, da sie in Zeiten von Elektrozäunen und Stacheldraht nicht mehr für die Abgrenzung von Ländereien gebraucht wurden. Das hätte das Ende der Knicks sein können.

Wer braucht heute noch Knicks?

„Knicks sind lebende Zäune“, sagt Kathrin Litza, die für ihre Doktorarbeit an den Wallhecken forscht. Die Knicks sind heute, wo immer mehr Fläche bebaut und für die Landwirtschaft genutzt wird, ein Ersatzlebensraum für Pflanze und Tier. Wie wichtig sie auch für den Menschen sind, ist jedoch nicht überall bekannt. „Der Sinn und Nutzen eines Knicks wird den meisten erst bewusst, wenn er fehlt“, berichtet Kathrin Litza. In Ostdeutschland gibt es bereits stark erodierte Gebiete, die dem Wetter ohne Wallhecken schutzlos ausgeliefert sind. Seit 1935 stehen Knicks unter Naturschutz und müssen erhalten werden. Für viele Landwirte eine lästige Pflicht, denn die Pflege ist aufwendig. Im Mittelpunkt steht das „Knicken“: Die vorhandenen Sträucher werden alle 10 bis 15 Jahre heruntergeschnitten, um einen dichten und niedrigen Wuchs zu fördern. Werden die Sträucher zu groß, werden die Knicks winddurchlässig und werfen zu viel Schatten auf die umliegenden Felder. Selbst wenn moderne hydraulische Knickscheren genutzt werden, muss der Nachschnitt mit der Motorsäge erledigt werden. Aus dem Verschnitt werden beispielsweise Hackschnitzel hergestellt.

Damals und heute: Vergleich mit den 1960ern

Kathrin Litza hat anhand alter Aufzeichnungen die Veränderungen der Knicks untersucht. „Die Beschaffung der Unterlagen war abenteuerlich. Ein Teil der Dokumente galt als verloren. Letztlich habe ich eine Lose-Blatt-Sammlung im Kieler Uni-Archiv gefunden – das war der Schlüssel zum alten Kartenmaterial“, so Kathrin Litza. Sie übersetzte die Aufzeichnungen in neue Karten und lokalisierte die Hecken per GPS. Mit den alten Aufzeichnungen gelang es ihr, einen Großteil der ehemals untersuchten Knicks in Schlewsig-Holstein zu identifizieren. Allerdings waren von ehemals 286 untersuchten Knicks nur noch 66 auffindbar, davon nur 51 für die Analyse geeignet. Die Landwirte, deren Land sie für ihre Forschung betreten wollte, reagierten ganz unterschiedlich: „Einige befürchteten gleich, dass ich vom Amt wäre und ihre Knickpflege überprüfen wolle“, lacht Katrin Litza. „Die meisten waren aber sehr interessiert an den Ergebnissen. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Knicks für die Landwirtschaft wächst“.

Knicks erhalten Arten in waldarmen Gebieten

Für die Analyse der Knicks lief Kathrin Litza jeweils 70 Meter auf beiden Seiten der Wallhecken ab. Dabei sammelte sie Daten zu Anzahl, Dichte und Art der vorhandenen Pflanzen. Im Anschluss verglich sie die ursprünglichen Daten mit den neuen Angaben. Das Ergebnis: Viele Knicks waren kaum wieder zu erkennen. Ihr Artenbestand hat sich stark verändert: Pflanzen wie zum Beispiel der Schwarze Holunder oder Glatthafer, die sich den veränderten Begebenheiten – mehr Nährstoffe durch Düngemittel, mehr Schadstoffe aus der Luft – anpassen konnten, haben sich stark vermehrt. Dafür gehen andere Arten wie zum Beispiel das Hain-Veilchen zurück. „Grundsätzlich ist der Knick-Bestand noch recht gut erhalten“, sagt Kathrin Litza. „Jedoch wurde er während der Flurbereinigung stark dezimiert und leidet unter der heutigen Überdüngung und Vernachlässigung der Knickpflege. Schleswig-Holstein ist eines der waldärmsten Bundesländer. Knicks bieten durch ihre waldähnlichen Bedingungen für viele Pflanzen und Tiere einen wichtigen Lebensraum in dieser Region – ohne die Hecken würden viele Arten auf Dauer sehr wahrscheinlich gänzlich verschwinden“.

Die Ergebnisse der Untersuchung sind im Magazin “Biological Conservation” erschienen und bis zum 24. März 2017 unter https://authors.elsevier.com/a/1UUhz1R~e3EJ7 frei verfügbar.

Kontakt:

Universität Bremen
Fachbereich Biologie/Chemie
Institut für Ökologie, AG Vegetationsökologie und Naturschutzbiologie
Kathrin Litza
Tel.: 0421/218-62915

Landschaft mit Wiesen und Feldern
Ausblick über die schleswig-holsteinische Landschaft
Frau sitzt zwischen Pflanzen
Feldforschung: Die Ökologin Kathrin Litza sammelt Daten auf einem Knick.
Frisch geschnittene Pflanzen auf einer Wallhecke
"Anemone nemorosa" auf einem frisch geknicktem Knick
Hainbuche auf einem Wall
Eine häufig geknickte und dadurch breit gewachsene Hainbuche