Für seine Forschungen hat sich Serge Yowa, der in seinem Heimatland an der Universität Yaounde studiert hat, ein Thema gewählt, das angesichts der Flüchtlingsströme aktuelle politische Brisanz besitzt. „Diskurse über Ankunftsland und Herkunftsland interessieren mich“, sagt er. „Viele Migranten glauben, Europa sei das Paradies, besser in allen Bereichen. So zumindest ist das Bild, das propagiert wird. Aber stimmt das? Wie erleben Migrantinnen und Migranten ihre neue Heimat? Relativieren sie ihre ursprünglichen Vorstellungen?“ Antworten auf diese und ähnliche Fragen will der Wissenschaftler in der Literatur finden. Professor Axel Dunker, Leiter des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien, weist darauf hin, dass auch das Bild der Deutschen von Afrika häufig eine Konstruktion sei. „Sie geht auf Erfahrungen aus der Kolonialzeit zurück.“ Der genaue Titel von Dr. Yowas Arbeit lautet: „Texturen der Räumlichkeit: Gedächtnis, Formen und Funktionen der Raumkonfigurationen in der deutschsprachigen Migrationsliteratur“.
Doktortitel in Paderborn erworben
Dr. Yowa, der in seinem Heimatland Germanistik, Psychologie, Soziologie, Deutsch als Fremdsprache und ihre Didaktik studiert hat, spricht ausgezeichnet Deutsch. Übrigens auch noch fließend Englisch, Französisch und drei der in die Hunderte gehenden Regionalsprachen in Kamerun. Der Gast hat bereits Deutschlanderfahrungen. Mit einem DAAD-Promotionsstipendium hat er von 2009 bis 2014 seinen Doktortitel in Paderborn erworben. Professor Michael Hofmann, Leiter des Instituts für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft, war sein Betreuer, der wiederum kooperiert häufig mit Professor Axel Dunker. So kam die Verbindung zustande. Serge Yowa habe schon für seine Doktorarbeit ein ungewöhnliches Thema gewählt, unterstreicht Dunker. „Autobiographie und Shoa“, das sei für einen Afrikaner nicht unbedingt naheliegend.
Internationale Autorenliste
Nun ist der sympathische Wissenschaftler aus Kamerun bereits zum zweiten Mal für längere Zeit in Deutschland. „Wir brauchen sehr oft Hilfe von außen“, erklärt er seine Wahl und berichtet, dass es in seiner Heimat schwer sei, Fachbücher und Dokumente zu beschaffen und vor allem die eigene Forschung zu finanzieren. „Unsere Bibliotheken sind nicht immer gut bestückt.“ Für seine Bremer Recherchen hat sich der weitgereiste Germanist eine ungewöhnliche Literaturliste zusammengestellt. „Ich will nicht ausschließlich deutschsprachige Romane, die von Afrikanern verfasst wurden, betrachten, sondern den Radius erweitern“, sagt er. Und so stehen auf seiner Autorinnen- und Autorenliste Emine Sevgi Özdamar, eine deutschtürkische Schriftstellerin und Ingeborg Bachmann-Preisträgerin, der Syrer Rafik Schami, der Russe Wladimir Kaminer und Jones Kwesi Evans aus Ghana.
Anregungen im Kolloquium
Serge Yowa ist erst seit wenigen Wochen auf dem hiesigen Campus und hat sich gerade mal sein Büro eingerichtet. Und doch ist er schon dankbar für Anregungen. „Ich hatte das Glück, an Professor Dunkers Doktorandenkolloquium teilnehmen zu können“, strahlt er. Dort hat er den Bremer Kolleginnen und Kollegen sein Thema und sein Vorhaben vorgestellt. „Ich habe sehr gute Literaturtipps bekommen.“ Dazu zählt der jüngst erschienene Roman „Herkunft“ des bosnischen Autors Saša Stanišič. Den nimmt er jetzt in seinen Korpus auf.
Überrascht von der Straßenbahn
Von Bremen ist der Gast begeistert. „Ich hatte erst gedacht, es sei eine kleine Stadt, vergleichbar etwa mit Paderborn“, sagt er. Doch als er aus dem Flughafen kam und die Straßenbahn sah, war er hin und weg. „Ich habe gestaunt, was für eine lebendige Großstadt Bremen doch ist“, sagt er über seine Wahlheimat auf Zeit.
Kinder aufwachsen sehen
Zwei Jahre will der 43-Jährige an der Universität Bremen forschen. Seine Familie ist in Kamerun geblieben. Er hat fünf Kinder: drei Mädchen und zwei Jungen. „Die möchte ich gern aufwachsen sehen.“ Seine Frau ist mittlerweile als Pharmaberaterin tätig, und er überlegt sich noch, ob die Familie später nach Deutschland kommt oder ob er zwischendrin nach Hause reist. Nach getaner Forschungsarbeit will der Humboldt-Stipendiat zurück in seine Heimat gehen. „Ich möchte zur Entwicklung meines Landes beitragen. Ich bin schließlich Lehrer“, sagt Serge Yowa.
Fragen beantwortet:
Dr. Serge Yowa
Institut für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien (ifkud)
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften
Universität Bremen
Tel.: +49 421 218-68252
E-Mail: sergeyowa@gmail.com