Detailansicht

Bremer Experimente zu Feuersicherheit im Weltall

Im Oktober 2016 dockte der Raumtransporter CYGNUS der US-amerikanischen Firma Orbital ATK an die internationale Raumstation ISS an. Mit an Bord: der internationale Versuchsaufbau SAFIRE II, an dem das Zentrum für angewandt Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen mit einer großen Materialprobe beteiligt ist. SAFFIRE II ist ein Experiment eines internationalen Wissenschaftsteams aus den USA, Russland, Japan und Europa.

Neue Erkenntnisse zu Feuer auf bemannten Raumfahrzeugen

 Sie bemühen sich um ein besseres Verständnis der Verbrennung fester Materialien in der Schwerelosigkeit. Die ZARM-Wissenschaftler fokussieren sich dabei auf die Frage nach der Feuersicherheit auf bemannten Raumfahrzeugen. Derzeitige Prüfmethoden zur Qualifizierung von Materialien zum Bau von Raumfahrzeugen finden in einem Labor auf der Erde statt. Jedoch sind diese Ergebnisse nicht 1:1 auf die Gegebenheiten einer Raumstation im Weltall zu übertragen. Ein Feuer an Bord einer Raumstation brennt deutlich schwächer und breitet sich viel langsamer aus als auf der Erde. Dafür wird es viel heißer, da in der Schwerelosigkeit der Auftrieb fehlt, der auf der Erde die heißen Abgase nicht von der Brandstelle fortträgt. So kann es sein, dass ein Material im Erdlabor von selbst verlischt, auf einer Raumstation im All aber weiterbrennt.

Experiment und erste Ergebnisse

In der Nacht vom 21. November 2016 wurde der Raumtransporter mit dem SAFFIRE II-Versuch an Bord von der ISS abgekoppelt. Das Experiment konnte starten. Als die ersten Bilder des Versuchs zur Verbrennung einer Plexiglasprobe des ZARM der Universität Bremen erreichen, macht sich große Erleichterung breit. Der Versuchsaufbau im Weltraum hat funktioniert: Die Luftströmung setzte zum richtigen Zeitpunkt ein, der Heizdraht hat geschaltet und die Probe entzündet. Nach dem Ausschalten des Zündungsvorgangs brannte die Probe zunächst nur sehr schwach weiter, erholte sich dann jedoch und entwickelte sich zu dem Feuer, dass es jetzt zu untersuchen gilt.

Erste Auswertungen

Bereits die ersten Bewertungen der ZARM-Wissenschaftler zeigen große Unterschiede zu den Ergebnissen, die mit gleichen Materialproben im Labor unter terrestrischen Bedingungen erzielt wurden. Während bei einem Feuer am Boden scharf konturierte, kontrastreiche und stark züngelnde Flammen zu erkennen sind, sieht es bei SAFFIRE II wie durch eine Milchglasscheibe betrachtet aus – die Flammen sind kaum strukturiert, mit samtigen Übergängen und in ihren Bewegungen deutlich verlangsamt. Schnell werden aber noch wichtigere Unterschiede sichtbar: So breitet sich das Feuer an Bord von CYGNUS rund 10 Mal langsamer aus als im Versuchslabor auf der Erde, und während Plexiglas am Boden sehr raucharm verbrennt, entwickelt es in der Schwerelosigkeit enorm viel Rauch – ein Aspekt, der naheliegend nicht nur sicherheitsrelevant ist, sondern jetzt auch die Auswertung von SAFFIRE II für die Wissenschaftler erschwert. Denn im Unterschied zu einem Bodenversuch, bei dem die aufsteigende, sichtbare Flamme die darunter liegende Zone der Ausgasung brennbaren Pyrolysegases verdeckt, ist die Flamme unter Schwerelosigkeit jetzt nicht nur sehr viel kürzer, auch die Pyrolysezone breitet sich weit vor der Flamme aus.

Genau dies liefert einen wichtigen Hinweis auf die Problematik von Bränden im Weltraum: Durch die langsamere Ausbreitung und die schwächere Turbulenz des Feuers, beides Effekte, die durch die fehlende Auftriebskonvektion in der Schwerelosigkeit begründet sind, wird der Materialprobenbereich unter der Flamme und auch weit vor der Flamme wesentlich stärker erhitzt als am Boden. Hierdurch dringt ein Feuer nicht nur tiefer in das Material ein, die stärkere Aufheizung kann auch die Einstufung der Materialeigenschaft von „selbstverlöschend“ nach „brennbar“ verschieben. Ein solches Feuer in einer Raumstation würde sich selbst somit deutlich stärker erhitzen und länger brennen.
Diese stärkere Aufheizung macht sich bei SAFFIRE II auch in einer Verformung der Materialprobe bemerkbar. Die eingebrachten Strukturen in der Oberfläche deformieren sich bereits in einem Bereich, der viel weiter vor der Flamme liegt als dies im Bodenversuch der Fall ist.

Große Freude in Bremen über erfolgreiches Experiment

Dass eine erste Einschätzung der Ergebnisse schon nach wenigen Stunden möglich ist, freut das ZARM-Team sehr. Die während des 11 Minuten dauernden Weltraum-Experiments generierten Daten aus Sensormessungen – wie Anströmgeschwindigkeit und -temperatur des Luftstroms, Sauerstoffkonzentration, Druck, Luftfeuchtigkeit und Strahlungsdichte – sowie die rund 20.000 Einzelfotos erfordern nun jedoch einen längeren Auswertungsprozess. Einmal abgeschlossen und in einer wissenschaftlichen Studie veröffentlicht, wird dieser in die Konzeption des Folge-Experiments SAFFIRE V einfließen, um schließlich essentielle Hinweise für die Brandsicherheit auf bemannten Raumfahrzeugen zu liefern.

Ansprechpartner für inhaltliche Fragen:
Christian Eigenbrod
Leitung der Forschungsgruppe „Aerospace Combustion Engineering“
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, Universität Bremen
christian.eigenbrodprotect me ?!zarm.uni-bremenprotect me ?!.de
Tel.: +49 421 218-57780

Ansprechpartnerin für allgemeine Presseanfragen:
Dr. Lucie-Patrizia Arndt
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, Universität Bremen
lucie-patrizia.arndtprotect me ?!zarm.uni-bremenprotect me ?!.de
Tel.: +49 421 218-57817

Raumtransporter kurz vor dem Ankoppeln an die ISS
Aufnahmen vom Abdockmanöver des Raumtransporters CYGNUS von der internationalen Raumstation ISS am 21. November 2016Der CYGNUS-Raumtransporter Orb 6 mit dem Vorgänger-Experiment SAFFIRE I kurz vor dem Ankoppeln an die ISS im März 2016.