Seit langem gibt es Spekulationen über weitere Lebensformen in unserem Sonnensystem. Unter den dicken Eispanzern einiger Monde liegen flüssige Ozeane, die Aufschluss darüber geben könnten. Dazu benötigen die Wissenschaftler saubere Wasserproben. Besonderes Interesse weckt hier der kleine Saturnmond Enceladus, der aus Spalten an seinem Südpol Wasserpartikel in den Weltraum spuckt. Erste NASA-Untersuchen konnten einfache organische Verbindungen nachweisen. Eine Landemission zur Entnahme von Wasserproben stellt jedoch technisch eine große Herausforderung da. Das Institut „Kognitive Neuroinformatik“ der Universität Bremen nun hat an der Entwicklung einer wesentlichen Schlüsselkomponente für eine solche mögliche Expedition mitgearbeitet.
Feldversuch in der Antarktis
Das Vorhaben Enceladus Explorer (EnEx) schafft erste Voraussetzungen für eine zukünftige Raumfahrtmission. Auf Initiative und Förderung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben sich Ingenieure und Wissenschaftler von sechs deutschen Hochschulen zu einem Forschungsverbund zusammengeschlossen. Ziel des Verbundprojekts EnEx war die Entwicklung von Schlüsseltechnologien für die Entnahme einer unkontaminierten also nicht durch mitgebrachte Mikroorganismen verschmutzte Wasserprobe auf Enceladus, die Untersuchung von Missionsszenarien sowie ein möglichst realitätsnaher Test der entwickelten Technologien auf der Erde. Dieser Feldtest sollte im Rahmen einer Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschaftlern erfolgen, deren Projekt MIDGE (Minimally Invasive Direct Glacial Exploration) parallel von der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) gefördert wurde. Ziel des gemeinsamen MIDGE/EnEx-Projektes war es, erstmals eine unkontaminierte, unter dem Eis befindliche Wasserprobe aus den "Blood Falls"in der Antarktis zu nehmen.
Ein unverzichtbares Instrument für eine solche Mission ist eine frei durch das Eis steuer- und navigierbare Einschmelzsonde, die vor sich in das Eis „sehen“ kann und ihre Position darin genau kennt. Die dafür notwendigen Navigationstechnologien wurden in den letzten drei Jahren von Ingenieuren und Wissenschaftlern an der FH Aachen, an der RWTH Aachen, an der TU Braunschweig, an der Universität Bremen, an der Universität der Bundeswehr München und an der Universität Wuppertal entwickelt und in eine am Fachbereich für Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen entwickelte Einschmelzsonde, genannt EnEx-IceMole (EnEx-Eismaulwurf), integriert.
Nun gelang es dem MIDGE/EnEx-Team vor kurzem erstmals, an den Blood Falls minimal-invasiv eine unkontaminierte, subglaziale Wasserprobe aus einer Eistieftiefe von 16 Metern zu entnehmen. Die amerikanischen Kollegen analysieren nun die vermutlich über eine Million Jahre von der Außenwelt abgeschlossene Wasserprobe mit den darin enthaltenen an die extremen Bedingungen angepassten Mikroorganismen. Eine große Herausforderung für die Entnahme der Probe lag in der Klassifizierung des Feldtestgebietes als international besonders geschütztes Gebiet (ASPA, Antarctic Specially Protected Area), was mit sehr strengen Auflagen verbunden war und eine mehrfache schrittweise Sterilisierung der Sonde erforderte. Diese wäre natürlich auch für den extraterrestrischen Einsatz unbedingt notwendig, um nicht den Eismond mit irdischen Mikroorganismen zu verseuchen. Mit der erfolgreichen Probenentnahme konnten die EnEx-Verbundpartner erfolgreich zeigen, dass die entwickelten Technologien grundsätzlich funktionieren und potenziell auch auf Enceladus eingesetzt werden könnten.
Universität Bremen entwickelt Navigationssoftware der Sonde
Seitens der Universität Bremen ist das Institut „Kognitive Neuroinformatik“ an dem Projekt beteiligt. Unter Leitung von Professorin Kerstin Schill entwickelten Bremer Wissenschaftler Verfahren, welche die Position der Sonde im Eis berechnen und die Umgebung kartieren. Die Herausforderung bei der Navigation im Eis besteht darin, dass oberirdisch eingesetzte Technologien wie Satelliten-Navigation oder optische Ortungsverfahren nicht verwendet werden können. Außerdem ist im Vorfeld nicht bekannt, wo und welche Hindernisse sich im Eis befinden. Die Sonde musste daher ausschließlich mit der an Bord befindlichen Sensorik sowie einem externen System zur akustischen Ortung navigiert werden. Die Daten aller Sensoren fließen in der Software der Universität Bremen zusammen, welche damit die Position der Sonde auf wenige Zentimeter genau bestimmt. Gleichzeitig wird aus erkannten Strukturen im Eis, wie Steinen, Lufteinschlüssen und Spalten, eine dreidimensionale Karte der Umgebung erstellt. Anschließend werden die Navigationsdaten für den Operator der Sonde aufbereitet und grafisch dargestellt, damit dieser die Sonde sicher durch das Eis steuern kann.
Nach dem Abschluss dieses erfolgreichen Projektes soll die Forschung im Rahmen der „EnEx – Enceladus Explorer“-Initiative des DLR fortgeführt werden. Der Fokus liegt dabei auf der Weiterentwicklung der eingesetzten Verfahren zu einem autonom agierenden System, welche die Sonde selbstständig durch das Eis navigieren und steuern kann und eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Weltraummissionen darstellt.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Mathematik / Informatik
Institut Kognitive Neuroinformatik
Joachim Clemens
Tel. +49 421 218 64218
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