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Plastisphäre: Bremer Forschungsprojekt unter „Originalitätsverdacht“

Nr. 066 / 10. März 2016 SC

Mit Originalität zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen: So lässt sich das Ziel des Förderprogramms „Originalitätsverdacht? – neue Optionen für die Geistes- und Kulturwissenschaften" der VolkswagenStiftung beschreiben. Auch ein Förderantrag aus der Universität Bremen war in der ersten Bewilligungsrunde erfolgreich. Mit seiner Projektidee „Plastik als neue Lebensform“ setzte sich Dr. Sven Bergmann vom Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Uni Bremen unter 388 Konkurrenzanträgen durch und gehört zu den 17 von der VolkswagenStiftung geförderten Projekten unter „Originalitätsverdacht“. Der Bremer Kulturanthropologe wird in den kommenden zwölf Monaten mit der Summe von 80.000 Euro unterstützt, um seine Forschungsidee weiter zu entwickeln und in einem Essayband zu publizieren. Ihm geht es darum, sich dem ständig wachsenden Plastikmüll in den Ozeanen zu stellen und sich zu fragen, inwieweit hier neue ökologische und soziokulturelle Realitäten entstehen.

Plastisphäre: Ökosysteme siedeln auf Plastik in den Meeren

Plastik in den Weltmeeren ist zu einem der größten ökologischen Problemen unserer Zeit geworden. Durch die wachsende Kunststoffproduktion landet ständig neues Plastik im Meer und wird dort häufig zur Gefahr für Lebewesen, die sich darin verheddern oder es mit Nahrung verwechseln. Plastik zerfällt zwar irgendwann zu Mikroplastik, aber zersetzt sich nie komplett. Deshalb wird davon ausgegangen, dass alle Plastikteile, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts in die Welt gekommen sind, auch immer noch in dieser zu finden sind – davon eben viele im Ozean, in dem sie mittlerweile Teil von neuen Lebensformen zwischen Natur und Kultur geworden sind. 2013 prägten Meeresforscherinnen und -forscher dafür den Begriff „Plastisphere“. Damit werden neue Ökosysteme und Habitate von Lebewesen (Algen, Muscheln oder auch Kolonien von Bakterien) bezeichnet, die auf treibendem Plastik in den Ozeanen siedeln.

Plastik – Naturen – Kulturen

Wenn menschliche Hinterlassenschaften wie Kunststoffe dazu führen, dass in den Ozeanen durch und mit Plastik neue Ökosysteme und Lebensformen entstehen, stellt dies die Kategorien und die Unterscheidung von Natur und Kultur infrage. Es fordert die Sozial- und Kulturwissenschaften dazu heraus, einen neuen analytischen Umgang mit diesen hybriden Gegenständen zu finden. Genau dieser Fragestellung geht Sven Bergmann ethnografisch nach.

Dabei ist er skeptisch, ob diesen modernen Problemen mit modernen Lösungen beizukommen ist. Ideen der Reinigung sind immer davon geleitet, zwischen Sphären wie Natur und Kultur sauber trennen zu können – dabei wird vernachlässigt, wie weit eben lebendige und synthetische Lebensformen miteinander verwoben sind. Vielleicht ist unsere soziale Realität schon längst Teil der Plastisphäre. Denn Kunststoffe sind allgegenwärtig: als wichtiger Teil von Infrastrukturen (Rohre und Kabelisolierung), als Dämmmaterial von Häusern, als Behältnisse, um Essen zu lagern und zu transportieren, als Spielzeug, aber auch als Teil von Körpern in Form von Zahnfüllungen, Prothesen oder Herzschrittmachern.

Achtung Redaktionen: In der Uni-Pressestelle (Tel. 0421 218-60150 oder E-Mail presse@uni-bremen.de) kann ein Foto von Sven Bergmann angefordert werden.

Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Kulturwissenschaften
Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft
Dr. Sven Bergmann
Tel.: 030-69515626
E-Mail: s.bergmannprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

Mann steht auf dem Rasen
Dr. Sven Bergmann