Professor David May ist dem Ruf an die Universität Bremen gefolgt. Er lehrt und forscht künftig am Fachbereich 4. Als Kooperationsprofessor leitet er zudem das Faserinstitut Bremen e.V.; eine Airbus-Stiftungsprofessur ermöglicht ihm Forschungen zu nietfreien Montagetechnologien für Faserverbundwerkstoffe.
Das Fachgebiet Werkstofftechnik/Faserverbundwerkstoffe/Leichtbau ist eng mit dem Faserinstitut Bremen e.V. (FIBRE) verbunden. Das Institut entstand 1969 aus einem Baumwollprüflabor und ist heute spezialisiert auf Faser-Kunststoff-Verbunde sowie synthetische und natürliche Fasern für technische Textilien. Das Spektrum reicht von leichtgewichtigem Hochleistungs-Carbon für Flugzeuge und Weltraumraketen bis hin zu Spezialfasern für Violinsaiten.
Um diese Anwendungen zu entwickeln, wird für die Werkstoffklassen ein grundlegendes Materialverständnis aufgebaut und für die Entwicklung neuer Werkstoffe, Prozesstechnologien, (Leichtbau-)Designs sowie Simulations-, Prüf-, Mess- und Überwachungsmethoden genutzt. Hierfür kombiniert ein interdisziplinäres Team aus über 60 internationalen Mitarbeitenden vielfältiges Fachwissen in den Ingenieurswissenschaften mit Expertise in Chemie, Physik und Informatik. Besondere Forschungshighlights bilden aktuell das neue Prüflabor für die Untersuchung von Werkstoffverhalten bei kryogenen Temperaturen sowie das Thermoplast-Schweißlabor, welches im Rahmen einer Airbus-Stiftungsprofessur weiter ausgebaut wird.
FIBRE-Standorte in der Uni und am ECOMAT
Zur bestmöglichen Vernetzung mit Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Industrie sind Büros, Labore und Technika des FIBRE sowohl auf dem Campus der Universität Bremen (IW3) als auch im Bremer Forschungs- und Technologiezentrum ECOMAT (Airport-Stadt) beheimatet. Das Baumwollprüflabor befindet sich weiterhin an der Baumwollbörse (Naturfaserprüfung).
David May, geboren 1987 in Baden-Baden, ging nach seinem Grundwehrdienst bei der Luftwaffe nach Kaiserslautern, um dort an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau zu studieren. 2012 startete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) und promovierte dort im Juli 2015 im Bereich Verarbeitungstechnik mit einer Dissertation über das Imprägnierverhalten textiler Verstärkungsstrukturen.
Erfolg im BMBF-Nachwuchswettbewerb NanoMatFutur
Im Januar 2016 wurde er Leiter des Kompetenzfeldes „Imprägnier- und Preformtechnologien“ und Lehrbeauftragter der RPTU für „Integrierte Produktentwicklung mit Verbundwerkstoffen“. Nach einem Erfolg im BMBF-Nachwuchswettbewerb NanoMatFutur leitete er zusätzlich eine interdisziplinäre Forschungsgruppe zu Verbundwerkstoffen für Mobilität und Transport. Im Juni 2021 habilitierte er sich und erhielt die venia legendi „Prozesstechnik der Verbundwerkstoffe“. 2023 wurde er am IVW Technisch-Wissenschaftlicher Direktor der neu begründeten Abteilung Digitalisierung und legte seinen Schwerpunkt auf die digitalisiere Material- und Prozessentwicklung.
Das größte Interesse von David May gilt dem Verhalten von Werkstoffen und Halbzeugen bei der Verarbeitung zu Bauteilen. Ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das gerade im Bereich der Faser-Kunststoff-Verbunde sehr facettenreich ist: „Wir müssen die Prozessphysik verstehen und daraus herleiten, welche Halbzeugeigenschaften den Prozessverlauf beeinflussen. Dann entwickeln wir entsprechende Versuchsanordnungen, um genau diese Eigenschaft zu bestimmen, denn selbst für sehr kritische Eigenschaften sind wir hier von standardisierten Verfahren oft noch weit entfernt.“
Die Versuchsstände müssen wiederum mit Sensorik ausgestattet werden, die in eine Software eingebettet wird. Auf Basis der Ergebnisse können dann Materialmodelle erstellt werden, die Eingang in Prozesssimulationen finden. „Letztlich haben wir dann den Werkzeugkasten, den wir brauchen, um Material und Prozess optimal auf einander abzustimmen. An manchen Stellen arbeiten wir auch daran die Experimente zur Halbzeugcharakterisierung durch Werkstoffsimulationen zu ergänzen oder gar zu ersetzen, immer öfter unterstützt durch Methoden des Maschinellen Lernens“, so der Hochschullehrer.
Stiftungsprofessur zu thermoplastischen Schweißtechnologien
Um dieses Feld zu beforschen, brauche man unterschiedlichste Kompetenzen im Team, aber auch die richtigen Forschungspartner. „All das zusammenzubringen, macht für mich den großen Reiz aus. Die thermoplastischen Schweißtechnologien, die im Rahmen der Stiftungsprofessur im Vordergrund stehen, sind für uns also eine wunderbare Spielweise auf der wir genau diese methodischen Ansätze verfolgen können.“
In der Lehre ist es Professor May wichtig, den Studierenden die Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ob es um Verbrenner-Aus oder emissionsfreies Fliegen gehe: Die technischen Studiengänge der Universität vermitteln das Handwerkszeug, um diese Ziele wirklich Realität werden zu lassen. „Für mich steht dabei natürlich der Leichtbau mit Faser-Kunststoff-Verbunden im Vordergrund, der hier einen enormen Beitrag leisten kann, gerade in der Luftfahrt.“
David May hat sich für Bremen und die Universität Bremen entschieden, weil ihn der Standort in vielerlei Hinsicht hat überzeugt. „Für meine Forschung im Bereich der Faser-Kunststoff-Verbunde ist die lokal ansässige Industrie sehr spannend, natürlich die Luft- und Raumfahrt, aber auch darüber hinaus. Und hier auf dem Campus, schön nah beieinander, finden sich über die ganze Bandbreite meiner Forschung hinweg Lehrstühle und An-Institute der Universität Bremen.“ Hier sieht er Anknüpfungspunkte, oder es gebe sogar scjhon intensive Kooperationen mit seinem Institut.
„Ich konnte im Vorlauf zu meiner Entscheidung viele künftige Kolleginnen und Kollegen kennenlernen und hatte sofort ein gutes Gefühl. Die Stimmung ist gut, und alle schreiten gemeinsam voran. Am wichtigsten für meine Entscheidung waren aber der Enthusiasmus und die Freude am Forschen die ich direkt bei meinem künftigen Team am Faserinstitut wahrgenommen habe.“ Das Institut habe es immer wieder geschafft, mit großer Weitsicht in neue Themenfelder einzusteigen. Es verfüge über eine sehr attraktive Ausstattung. „Ein gutes Beispiel ist unser im Aufbau befindliches Kryo-Labor, mit dem wir Werkstoffe mittels flüssigem Stickstoff, Helium und bald auch Wasserstoff unter kryogenen Temperaturen prüfen können. Das Labor bauen wir teilweise gemeinsam mit Airbus direkt im ECOMAT-Technologiezentrum in der Airport-Stadt auf und teilweise am DLR auf dem Campus. Auch hier zeigen sich also wieder die tollen Kooperationsmöglichkeiten.“
Jenseits der Arbeit hat ihn auch die Stadt insgesamt überzeugt. Im Sommer sei die Stadt vielerorts wunderbar grün, der Verkehr ist fahrradfreundlich, und seine Kinder erfreuen sich an den Seen und Parks.
Bekannte Lösungsansätze, aber auch völlig neue Bereiche
Als neuer Institutsleiter des FIBRE hat Professor May direkten Einblick in die ganze Vielfalt der Forschung am Faserinstitut. „Viele der Themen, gerade im Bereich der Verbundwerkstoffe, sind mir aus meinem vorherigen Wirkungsbereich gut bekannt. Ich freue mich sehr darauf zu sehen, welche Lösungsansätze hier für ähnliche Problemstellungen entwickelt wurden – jedes Institut hat letztlich seine eigene Handschrift. Andere Bereiche, allen voran die Funktionsfasern sind für mich ziemlich neu. Da gibt es für mich also viel zu entdecken.“
Die Position bringe viele Gestaltungsmöglichkeiten mit sich. Die ersten Strategiegespräche im Team hat David May schon hinter sich, und die Entwicklung der Vision für die Zukunft des Instituts sowie die Umsetzung ist für ihn eine ganz besondere Freude. „Gerade die Implementierung der Inhalte der Airbus-Stiftungsprofessur, verbunden mit den geplanten Laborerweiterungen, lässt das Forscherherz natürlich höherschlagen.“
In der Lehre noch viele Ideen
Zu den Aufgaben von May als Institutsleiter gehört es auch, die Netzwerke des Instituts zu pflegen und zu erweitern. In den ersten Wochen sei schon viel passiert, und noch viel mehr stehe auf seiner ToDo-Liste. „Es ist hier einfach viel los, vom Forschungs- und Transferschwerpunkt Luft- und Raumfahrt bis hin zum MAPEX Center for Materials and Processes. Die Kolleginnen und Kollegen machen es mir bisher sehr leicht mich zu integrieren.“ Schließlich freue er sich nach einigen Monaten Pause, bald auch wieder in den Lehrbetrieb einzusteigen und in den Austausch mit den Studentinnen und Studenten zu gehen: „Wir haben in der Lehre noch viele Ideen!“