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Bremer Meeresbiologen sind dem Riff-Paradoxon auf der Spur

Tropische Korallenriffe sind die artenreichsten Lebensräume auf unserem Planeten. Gleichzeitig sind sie auch sehr produktiv, obwohl sie in extrem nährstoffarmen Meeresgebieten beheimatet sind. Dieses sogenannte Riff-Paradoxon beschäftigt bis heute die Wissenschaft. Bremer Meeresbiologen liefern jetzt in einer internationalen Fachzeitschrift eine plausible Erklärung.

Die internationale Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Christian Wild aus dem Studiengang Biologie der Universität Bremen hat bei ihren Forschungen folgendes herausgefunden: Die Umwandlung von Stickstoff – die Stickstofffixierung – durch Mikroorganismen, die mit Korallen assoziiert sind, unterstützt offensichtlich die Umwandlung von Kohlenstoff – die Kohlenstofffixierung – durch Mikroalgen im Korallengewebe. Diese Haupterkenntnis der Bremer Studie ist jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society" veröffentlicht worden. Den Artikel finden Sie hier.

Korallen-Holobionten

Korallen sind zwar Tiere, sogenannte Nesseltiere, aber in ihrem Gewebe leben so viele Mikroalgen und andere Mikroorganismen wie Bakterien, dass sie eigene Mikro-Ökosysteme, sogenannte Holobionten, darstellen. Mit Hilfe ihrer kleinen Mitbewohner sind Korallen-Holobionten in der Lage, einige Prozesse durchzuführen, die für Tiere völlig untypisch sind. Besonders wichtig für die Produktivität von Korallen ist die Kohlenstofffixierung über die Photosynthese der Mikroalgen: Hier wird Kohlendioxid mit Hilfe von Lichtenergie umgewandelt in organisches Material. Durch diesen Prozess sind Korallen in der Lage, extrem hohe Wachstumsraten zu erreichen und nicht nur Lebensräume sondern auch Nahrung für andere Organismen zu schaffen. Korallen-Holobionten führen die Kohlenstofffixierung in einer außergewöhnlichen Intensität durch, und das, obwohl sie fast keinen Stickstoff zur Verfügung haben, um daraus Biomasse zu bilden.

Wie kommt das Paradoxon zustande?

Können gleichzeitig stattfindende Prozesse, vor allem Stickstofffixierung durch Bakterien und Kohlenstofffixierung durch Mikroalgen, eine Rolle gespielt haben? Genau diese unorthodoxe Fragestellung beschäftigt den Bremer Meeresökologen Professor Christian Wild seit langer Zeit. Mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erforschte er gemeinsam mit mehreren Doktoranden – v.a. dem italienischen Nachwuchswissenschaftler Ulisse Cardini als Erstautor der Studie – und Kollegen den Zusammenhang zwischen Kohlenstoff- und Stickstofffixierung durch Korallen.

Das Team untersuchte diese Prozesse an allen dominanten Steinkorallen aus einem Korallenriff des nördlichen Roten Meers in Jordanien während mehrerer langer Expeditionen in allen Jahreszeiten des Jahres 2013. Das Besondere am Untersuchungsstandort war die hohe Saisonalität, das heißt eine starke natürliche Schwankung der Nährstoffkonzentrationen im Wasser zwischen den Jahreszeiten. Überraschenderweise war aber die Kohlenstofffixierung aller Korallen über das gesamte Jahr sehr konstant. Das galt sogar für den Sommer, wenn die Nährstoffkonzentrationen besonders niedrig waren. Der Schlüssel für diesen Befund lag offensichtlich in der Stickstofffixierung der Mikroorganismen. Diese war, das ergab eine Vielzahl von Messungen, im Sommer ungefähr um das Zehnfache erhöht im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten.

Die Befunde der Studie in ihrer Gesamtheit deuten darauf hin, dass durch die Stickstofffixierung der Mikroorganismen die im Sommer vorherrschende extreme Stickstoff-Limitierung überwunden wurde. Prozesse durch Bakterien unterstützen also Prozesse durch Mikroalgen im Korallengewebe, so dass letztendlich nicht nur das Tier, sondern auch das ganze Riff, davon profitiert. Insofern betritt die Publikation von Cardini et al. in mehrfacher Hinsicht wissenschaftliches Neuland. Es wird klar, wie die einzelnen Prozesse der unterschiedlichen Korallenbewohner miteinander verzahnt sind. Und es deutet sich weiterhin an, dass die wichtige Rolle von Mikroorganismen in diesem Zusammenhang bisher unterschätzt wurde. Die Erkenntnisse des internationalen Forscherteams um den Bremer Professor Christian Wild und seinen Mitarbeiter Dr. Ulisse Cardini liefern eine neue wichtige Erklärung für das Darwinsche Riffparadoxon.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Fachbereich Biologie / Chemie
Marine Ökologie
Prof.Dr. Christian Wild
Tel. 0421 218 63367
E-Mail: Christian.Wildprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de 



Korallen-Fragmente
Hälterung von Steinkorallen-Fragmenten für nachfolgende Inkubationsexperimente