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Uni für Flüchtlinge: „Wir sind dankbar, für uns ist das eine große Chance“

Ganz allein in ihrer Bremer Übergangswohnung hat sich Zohreh Hakami die deutsche Sprache beigebracht. Die 30-Jährige, die aus dem Iran geflüchtet ist, hat den Bachelorabschluss in Betriebswirtschaftslehre in der Tasche. „Ich möchte später an der Universität meinen Master machen“, sagt sie. Bis ihr Abschluss anerkannt ist und sie regulär studieren kann, nimmt sie jetzt am IN-Touch-Programm der Universität teil. „Das ist eine große Chance für mich, das Studium hier kennenzulernen und mein Deutsch weiter zu verbessern“, sagt sie.

Interesse sprunghaft gestiegen

IN-Touch geht bereits in die vierte Runde. 140 Flüchtlinge werden zum Wintersemester 2015/2016 als Gasthörer aufgenommen. Erstmals ist auch die Hochschule Bremen Partner, sie bietet 40 Flüchtlingen die Möglichkeit, an Seminaren und Vorlesungen teilzunehmen. Das Interesse ist außergewöhnlich groß. Mit 140 Gästen sind es doppelt so viele wie in den vorausgegangenen Semestern. Bei der Auftaktveranstaltung im Hörsaal in der Keksdose herrscht erwartungsvolle Konzentration. „Mit ihrer Flucht haben sie auch ihre akademische Heimat verloren“, sagt Yasemin Karakaşoğlu, Konrektorin für Internationalität und Diversität, zur Begrüßung. „Wir möchten ihnen Einblicke in das Studium gewähren.“ Sie fordert die Gäste auf: „Bringen Sie Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen ein, Sie sind für uns eine Bereicherung.“ Momentan können die Gäste Vorlesungen und Seminare besuchen, erhalten aber keine Credit Points, sondern nach Abschluss des Semesters im März 2016 ein Zertifikat für ihre Teilnahme. Viele wünschen sich mehr, sie möchten regulär weiterstudieren. „Ich bitte Sie um Geduld“, sagt die Konrektorin, „alle Universitäten suchen gemeinsam nach einer schnellen Lösung. Momentan gibt es jedoch noch rechtliche Hürden.“

Große Erwartungen der Flüchtlinge

Hassan Mohammed hat im Sudan die englische Sprache gelernt. Der 26-Jährige hat bereits vier Jahre in seiner Heimat studiert. Er möchte Lehrer werden. „Ich weiß, dass man hier in Deutschland dafür ein Zweitfach braucht“, sagt er. Ein solches Fach will er während seiner Teilnahme bei IN-Touch finden. Sein Freund Alfadil Omer Abker hat Physik studiert und interessiert sich an der Universität Bremen für Chemie. Beide sind sehr erwartungsvoll. Sie sind aus ihrer Unterkunft in Osnabrück extra nach Bremen gereist, weil sie von dem Programm gehört haben. Jetzt machen sie sich Sorgen um die Monatsfahrkarten, die sie brauchen. Tharek Ghabra aus Syrien spricht für eine Gruppe von jungen Leuten, die aus dem Zelt am NW1 gekommen sind. „Wir sind dankbar, für uns ist das eine große Chance“, sagt er.

Spontaner Applaus für alle

Mit IN-Touch hat die Universität Bremen als erste akademische Einrichtung in Deutschland ihre Türen für Flüchtlinge mit akademischem Hintergrund geöffnet. Inzwischen gibt es an zahlreichen Universitäten ähnliche Programme. „In der Wissenschaft ist kopieren zwar nicht erlaubt, aber hier ist es ausdrücklich erwünscht“, scherzt Yasemin Karakaşoğlu. IN-Touch wird inzwischen vom Europäischen Rat als nachahmenswertes Beispiel empfohlen. Beim Auftakt wird deutlich, das Projekt funktioniert. Die Flüchtlinge sind dankbar für die Hilfe und Zuwendung, die ihnen zuteil wird. Es gibt spontanen Applaus für alle, die zu ihnen sprechen und für die vielen ehrenamtlichen Helfer, insbesondere Studierende, die ihnen den Weg in den akademischen Alltag ebnen wollen. Jens Kemper, Koordinator des Programms, sagt ganz offen: „Es wird nicht leicht, aber Sie schaffen das.“

Junge Frau und zwei junge Männer im Hörsaal
Hassan Mohammed (von links) und Afadil Omer Abker aus dem Sudan sind sehr gespannt auf das Studium an der Uni Bremen. Sabrina Brumme ist Studentin der Biologie und ehrenamtliche Mentorin.